Großversuch in Schönerlinde - Sauberer Wasserstoff soll aus geklärtem Wasser entstehen
Aus Abfall wird sozusagen Gold geschürft: Im Klärwerk Schönerlinde werden die Abwässer Berlins und Brandenburgs testweise zu einer wichtigen Rohstoff-Ressource: Aus Schmutzwasser entsteht Wasserstoff. Von Andreas Heins
Wasserstoff wird eine große Rolle bei der Energiewende spielen. Wer im Chemieunterricht vom Knallgas-Experiment geweckt wurde, erinnert sich vielleicht daran, dass mithilfe von Strom Wasserstoff und Sauerstoff hergestellt werden kann. Im Berliner Klärwerk Schönerlinde wird nun getestet, ob sich auch gereinigtes Abwasser dafür eignet, selbst wenn das nicht das eigentliche Ziel des Projektes ist.
Ein energiereiches Nebenprodukt
"Eigentlich ist der Wasserstoff in diesem Projekt ein Nebenprodukt", erklärt der Prozesswissenschaftler Jens-Uwe Repke von der TU Berlin, der das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt E-MetO ("Elektrolyse mit Nutzung von Brauchwasser als Schnittstelle zur biologischen Methanisierung und Ozonierung") wissenschaftlich begleitet. "Wir wollen Ozon herstellen, das unter anderem für die vierte Stufe im Klärwerk benötigt wird."
Die vierte Klärwerksstufe, nach der mechanischen, biologischen und der chemischen Klärung, wird immer wichtiger. Sie entfernt chemische Spurenstoffe, wie zum Beispiel Medikamente, aus dem Abwasser und desinfiziert es. Noch sind solche Anlagen nicht flächendeckend verbreitet, auch aus Kostengründen.
Das Berliner Klärwerk Schönerlinde produziert schon heute mit seinen Windkraftanlagen mehr Strom, als für den Betrieb gebraucht werden kann. Da lag es nahe, den Sauerstoff, der für die Herstellung von Ozon nötig ist, mithilfe des eigenen Stroms zu erzeugen. Dazu wird Wasser, mithilfe von Elektrizität, in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten, die sogenannte Elektrolyse.
Normalerweise nimmt man dafür reines Wasser, in Trinkwasserqualität. Hier soll getestet werden, ob sich auch gereinigtes Abwasser aus dem Klärwerk dafür eignet. Dies schont auch die Trinkwasser-Ressourcen.
Noch immer ein Problem: die Lagerung und der Transport
Nachdem der Sauerstoff aus der Elektrolyse zu Ozon umgewandelt wurde, bleibt noch der Wasserstoff, den einfach in die Atmosphäre zu entlassen wäre Verschwendung. "Auch wenn intensiv an der Weiterentwicklung von Batterien geforscht wird, ist Wasserstoff im Moment noch besser speicherbar als elektrische Energie direkt," so Jens-Uwe Repke.
Nicht nur als Energiespeicher für wind- und sonnenscheinarme Zeiten eignet sich Wasserstoff. Um vom Einsatz von Koks wegzukommen, benötigt die Stahlindustrie beispielsweise große Mengen an Wasserstoff. Sogenannte eFuels für Flugzeuge und LKW für den Langstreckenverkehr können aus Wasserstoff hergestellt werden und auch Rohstoffe für die Chemieindustrie, wie beispielsweise Ammoniak für die Düngemittelherstellung, lassen sich erzeugen. Wird dieser "grüne Wasserstoff" mithilfe erneuerbarer Energien gewonnen, ist das ein Weg, um Industrie und Verkehr klimafreundlicher zu gestalten.
Ein Problem für den kurzfristigen Wandel zur klimafreundlicheren Wasserstoffwirtschaft ist die fehlende Infrastruktur zum Transport und zur Lagerung von Wasserstoff. Daher gibt es viele Konzepte, um den Wasserstoff in leichter zu transportierende Stoffe umzuwandeln. Neben Methanol, das in Brennstoffzellen zu Stromherstellung eingesetzt wird, und Ammoniak, das auch brennbar ist, eignet sich vor allem Methan (CH4). Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und Biogas und lässt sich so in das bestehende Gasnetz einspeisen. Ein Ansatz, der auch in Schönerlinde verfolgt wird.
Pilotanlage in Containern
Dazu werden auf dem Gelände der Kläranlage zwei Pilotanlagen in Containerform errichtet. Eine Elektrolyseanlage, um das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten und einen Bioreaktor, in dem Mikroorganismen den Wasserstoff in Methan umwandeln. Das dazu benötigte CO2 könnten auch die bei der Klärung anfallenden Faulgase liefern. Das Methan kann wieder verstromt werden, als Wärmelieferant dienen oder zusammen mit dem Biogas aus den Faultürmen in das Gasnetz eingespeist werden.
"Es geht uns darum, möglichst viel zu nutzen, was im Klärwerk anfällt", sagt Jens-Uwe Repke. "Wir wollen unter realen Bedingungen testen, wie die einzelnen Komponenten zusammenarbeiten. Um ein Modell für diese Prozesse zu erstellen, brauchen wir reale Daten, die das Projekt liefern soll. Dann kann man das Ganze auch größer denken", so der Wissenschaftler weiter. "Auch wenn das Hauptaugenmerk des Projektes nicht darauf liegt fossile Energieträger zu vermeiden, so leisten wir doch mit der Herstellung von Ozon mithilfe von erneuerbaren Energien und der Einspeisung von Methan ins Gasnetz einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung."