Games-Wirtschaft - Wie ein Haus der Spiele Berlin zur Gamer-Metropole machen soll

Sa 21.09.24 | 07:44 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Räume von Wooga in Berlin (Bild: Wooga/Kay Herschelmann)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.09.2024 | Sebastian Schöbel | Bild: Wooga/Kay Herschelmann

Im Milliardengeschäft mit Computerspielen ist Berlin deutschlandweit die Nummer eins, doch international nur ein kleines Licht. Helfen soll nun ein ambitioniertes Projekt: Das "House of Games", eine Mischung aus Entwicklerstudio und Gamer-Museum. Von S. Schöbel

An den Wänden hängen bunte Bilder von Computerspiele-Charakteren, an manchen Arbeitsplätzen stapeln sich Teller, und zwischen den Schreibtischen läuft ein kleiner Hund herum: Das Team des Berliner Entwicklerstudios Wooga hat es sich im Bürohaus "Backfabrik" gemütlich gemacht. "Start-up-Spirit" nennt es Martin Müller, der bei Wooga den Titel "Vice President Games" trägt - was mächtig klingt, aber am Kaffeeautomaten der großen Gemeinschaftsküche muss er trotzdem anstehen wie alle anderen auch. "Wooga glaubt sehr an die Kraft der Kreativität in der Kollaboration", erklärt er: "Und die Kreativität, die aus dem Chaos entsteht, können wir hier fantastisch leben."

Dieses kreative Chaos hat hier, rund fünf Minuten entfernt vom Alexanderplatz, eine Berliner Erfolgsgeschichte geschaffen. Wooga gehört zu den erfolgreichsten deutschen Spiele-Studios und ist mit rund 300 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber der Branche in Berlin. Die Firma setzt auf Spiele für mobile Endgeräte, hat zuletzt aber auch seinen ersten Titel für Netflix veröffentlicht.

Eine Daily Soap mit Milliardenumsatz

Seit 2009 setzt Wooga auf sogenannte Casual Games für zwischendurch. Anspruchsvolle Gamer mögen die Nase rümpfen: Für Martin Müller sind sie der perfekte Einstieg in die Spielewelt für alle Altersgruppen. "Der Wunsch der Spieler ist, dass sie möglichst breit aufgestellte, tiefe Spiele erleben können, aber nicht zuerst einen Doktor machen müssen, um es zu verstehen." So wie bei Woogas erfolgreichstem Spiel bislang, June’s Journey, eine Mischung aus interaktivem Suchbild und Daily-Soap-Krimi, das 2017 an den Start ging und bis heute einen Umsatz von über einer Milliarde Euro eingebracht hat - ein großer Teil davon durch Spielerinnen jenseits der 55. "Ein Kapitel ist ungefähr Spielspaß für eine Woche", sagt Müller. "Das heißt, wenn jetzt jemand das Spiel neu anfängt, könnte er ohne weiteres sechs bis sieben Jahre spielen."

Fast zehn Milliarden Euro Umsatz verzeichnete die Games-Branche 2023 in Deutschland. Tendenz: steigend. Berlin bezeichnet sich mit seinen rund 300 Unternehmen schon seit Jahren als "Games-Haupstadt" des Landes. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) wird auch nicht müde, die starke Förderlandschaft zu loben: Fünf Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr, drei Millionen sind es bereits in diesem Jahr.

Bangen um Bundesförderung

An der Spree habe sich tatsächlich "eine ganze Menge getan in den letzten Jahren", lobt Felix Falk, Geschäftsführer beim Branchenverband Game: "National gesehen geht es den Unternehmen im Moment aber nicht so gut, weil die Bedingungen am Gesamtstandort Deutschland noch nicht vergleichbar sind zu anderen Ländern." Vor allem seit der Bund seine Games-Förderung eingefroren hat, und der Großteil der ursprünglich versprochenen Summe von 100 Millionen Euro wieder kassieren wird, herrscht schlechte Stimmung: Die Zahl der neu gegründeten Games-Studios in Deutschland sei um 60 Prozent eingebrochen, sagt Falk. Kanada, Frankreich und andere Länder bezuschussen derweil Spieleentwickler oder erlassen den Studios einen Teil der Steuern.

"Wir sind in Deutschland der fünftgrößte Absatzmarkt weltweit, aber in der Entwicklung sind wir wirklich nur auf den hinteren Plätzen", kritisiert Benedikt Grindel. "Dafür gibt es keinen guten Grund, das müssen wir aufholen, dafür sind Spiele auch einfach ein zu wichtiges Produkt und ein Zukunftsmarkt." Grindel leitet die deutschen Entwicklungsstudios von Ubisoft, mit Titeln wie Far Cry und Assassins Creed einer der größten Games-Schmieden der Welt. In Berlin ist das Unternehmen seit 2018 - und bislang der einzige in seiner Gewichtsklasse. Um begehrte Fachkräfte nach Deutschland zu locken, dürfen es gerne noch mehr werden: Konkurrenz belebe das Geschäft, so Grindel, deswegen müsse die deutsche Politik bessere Rahmenbedigungen schaffen.

Alle warten auf das House of Games

Was es nicht braucht, sagt Grindel, ist eine weitere große Games-Messe wie die Gamescom in Köln - auch wenn sich CDU und SPD eine solche Leitveranstaltung auch in Berlin wünschen. Eine solche Konkurrenzveranstaltung könnte am Ende die Strahlkraft des Originals schwächen und dem Games-Standort Deutschland insgesamt schaden. Stattdessen müsse sich die Hauptstadt auf ihre Stärken konzentrieren - vor allem das kreative Portential der vielen kleinen Entwicklerstudios. "Und da finde ich spannend, das alles zu bündeln und zu kristallisieren, in einem Projekt wie dem House of Games."

Das House of Games: Es ist das Hoffnungsprojekt für die Berliner Games-Wirtschaft. 4,6 Millionen Euro hat der schwarz-rote Senat dafür eingeplant. Für einen Ort, an dem große und kleine Entwickler zusammenkommen, arbeiten, neue Spiele vorstellen und Strahlkraft nach außen entwickeln, sagt Jeannine Koch, Vorstandschefin beim Netzwerk Medianet. "Die Hoffnung ist deswegen so groß, weil man sich davon verspricht, dass dadurch Innovation entstehen kann und Synergien entwickelt werden, die man einfach, wenn man selber als einzelner Publisher oder Spieleentwickler in einer Immobilie sitzt, nicht entfalten kann."

Berlins erster Games-Blockbuster?

Das Wirtschaftskonzept für das House of Games liegt inzwischen vor: Ubisoft soll der große Ankermieter werden, dazu kommen mehrere kleine Entwicklerstudios, Branchenverbände sowie das beliebte Computerspielemuseum. Und Berlins wohl größter bislang ungehobener Schatz: die umfangreichste Sammlung von Computerspielen weltweit, die in einem Musem spielbar gemacht werden sollen. "Es ist quasi eine ganzjährige Gamescom vor Ort, wo die tollen Produkte und die ganzen tollen Games ausgestellt werden und damit einfach nahbarer gemacht werden", so Koch.

Ein echtes Haus für das House of Games sollte eigentlich schon in diesem Sommer gefunden werden. Achtzig Immobilien wurden geprüft, ein paar wenige haben es in die engere Auswahl geschafft. "Der Plan ist, dass wir jetzt in die Verhandlungen einsteigen in den nächsten Wochen und dass wir bis Ende des Jahres eine finale Immobilie haben, zwischen Ende des Jahres und erstes Quartal 2025."

Anfang 2026 soll das House of Games schon eröffnet werden. Die Entwicklung großer Spiele dauert in der Regel allerdings länger, weiß auch Benedikt Grindel von Ubisoft. Könnte der nächste Blockbuster des Studios also erstmals komplett in Berlin entstehen? Grindl gibt sich zuversichtlich: "Das wird ein House of Games-Produkt."

Sendung: Inforadio, 21.09.2024, 06:03 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

7 Kommentare

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  1. 7.

    Das erwähnte Berliner Computerspielemuseum bietet übrigens super geführte Touren an (auch für Schulklasse interessant) Egal ob Du mit Pong am heimischen TV oder einer PS5 das erste Mal die elektronische Spielewelt betreten hast - Der Besuch lohnt sich. Eins der eher unbekannteren Berliner Juwelen.

  2. 6.

    Ob Spiele "Kopien" sind oder nicht ist doch für den Erfolg absolut egal.
    Heutzutage wird eh alles als Kopie beschimpft weil jeder denkt originelle Ideen zu haben, die sich Millionen Mal verkaufen würden und schneller natürlich auch.
    Ich liebe ja Indie Games mit "neuen Ideen" aber meistens sind das auch nur "Kopien" von anderen Spielen/Kunstmedien, nutzerfeedbackbasiert umgesetzt.

    Außerdem hast du bei denen einzigen Zwei irgendwie vergessen, dass - wenn man die ganzen Indie-Goldstück außen vor lässt - auch Spiele wie Anno, Hunt: Showdown, Far Cry deutschen Ursprungs sind. Deutschland kann schon Spiele, wir sind nur noch nicht so gut darin das in der Gesellschaft zu akzeptieren (und damit meine ich nicht nur die alten Generationen) und entsprechend den Markt durch angemessene Förderung und co auf zu machen.

  3. 5.

    Ein Game Museum das stell ich mir vor wie die moderne Form der Internet Cafes die es um dieJahrhundertwende in vielen Städten gab. Mit einem entsprechendem Angebot schafft man ein Alleinstellungsmerkmal. Spannend wäre auch ein Bereich für Mehrspieler Virtual Reality. Der Erfolg hängt vom Management und Kosten & Umsatz ab.

  4. 4.

    Das einzigen zwei! Games aus Deutschland, die eine relevante Reichweite hatten waren...
    Gothic
    und
    Spellforce
    Spiele die keine Kopien von bewärten Spielen waren, sondern wirklich einen eigenen Charm besaßen. Aber wer gründet heute eine Firma mit Krediten und sagt der Bank "Wir sind Spieledesigner, das wird schon!"
    Dafür wird kein Geld geliehen ...

  5. 3.

    Ich halte das Konzept für nicht erfolgsversprechend. Wieder reitet man auf der eigenen Branche rum, die international einfach kaum eine Rolle spielt. Warum geht man nicht an die großen Unternehmen in der Welt und bewirbt Berin mit dem, was es im weltweiten Vergleich ist: eine Billiglohn-Alternative mit meist sehr gut ausgebildeten Programmierern, Designern, etc. - dazu sind wir der größte Markt in der hochpreisigen EU.

    Und dann nimmt man auch kein Backwerk - allein die Verwirrung, die bei Ausspruch in Englisch ergibt, in der die Branche vornehmlich redet. Soll das "back to work" heißen oder was?

    So wird das nix.

  6. 2.

    Was? Im ICC? Das wird doch demnächst abgerissen.
    Aber es gibt sicher andere, brauchbare locations.

  7. 1.

    Für mich als Soloentwickler ohne Zuschüsse klingt das nach einer nachhaltigen und durchdachten Investition, insbesondere das Museum klingt für mich interessant. Das könnte sich auch zu einem virtuellen Ausgleich entwickeln wo im realen ein Ort besucht wird, anstatt nur virtuelles erfahren.

    Und warum nicht im ICC ansiedeln? https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/04/icc-berlin-jahrestag-schliessung-2014-nachnutzung-konzepte-senat.html

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