Zwei Landkreise in Brandenburg - Fehlfahrten von Krankenwagen müssen künftig vom Verursacher selbst gezahlt werden

Fr 06.12.24 | 10:45 Uhr
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Symbolbild: Rettungswagen in Brandenburg, aufgenommen am 13.08.2024. (Quelle: Picture Alliance/Schoening)
Audio: Antenne Brandenburg | 02.12.2024 | Streiter, Britta | Bild: dpa/Schoening

Immer öfter wird der Rettungsdienst gerufen - auch wenn das medizinisch nicht immer notwendig ist. Dadurch entstehen teilweise Kosten in Höhe von zwei Millionen Euro pro Jahr. Künftig müssen die Verursacher der Fehlfahrten in zwei Landkreisen zahlen.

In Brandenburg gibt es einen anhaltenden Streit zwischen Landkreisen und Krankenkassen über die Finanzierung von sogenannten Fehlfahrten von Rettungsdiensten. Aktuell werden die Kosten für diese Fahrten noch von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.

Die Landkreise Ostprignitz-Ruppin und Oberspreewald-Lausitz haben nun ihre neuen Gebührensatzungen beschlossen: Sofern ein Rettungswagen oder ein Notarzt-Fahrzeug umsonst ausrückt, müssen dort künftig diejenigen zahlen, die ihn alarmiert haben. Die Kreistage haben vergangene Woche Donnerstag entsprechende Änderungen der Satzungen beschlossen [ostprignitz-ruppin.de und osl-online.de]. Beide werden ab 1. Januar 2025 gelten.

Landrat: Krankenkassen nicht mehr bereit, zu zahlen

"Wenn festgestellt wird, dass überhaupt keine medizinische Notwendigkeit bestand, wird hinterher tatsächlich ein entsprechender Gebührenbescheid kommen", sagte Landrat Ralf Reinhardt (SPD) dem rbb auf Nachfrage: "Wir müssen uns an dieser Stelle den Entwicklungen anpassen, und darauf Rücksicht nehmen, dass die Krankenkassen nicht mehr bereit sind, das zu bezahlen." Es seien bereits Klagen der Kassen eingegangen, erklärte Reinhardt.

Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass dann die Krankenwagen und Ärzte gebunden seien und für andere Notfalleinsätze nicht zur Verfügung stehen, betonte der Landrat.

Eine missbräuchliche Alarmierung ist es laut Landkreis zum Beispiel dann, wenn jemand den Rettungsdienst anfordert, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, dass ein Einsatz von Rettungsmitteln nicht gerechtfertigt ist. Ein Beispiel dafür: Es hätte auch die Fahrt zu
einem Hausarzt während der Öffnungszeiten oder zu einem Bereitschaftsarzt gereicht.

Wer jedoch wirklich überzeugt ist, dass es sich um einen echten Notfall handelt, muss nicht zahlen: "Fehleinsätze und Fehlfahrten, die im guten Glauben eines Notfalls entstehen, sollen weiterhin nicht durch Patient oder Anrufer getragen werden", so Landrat Ralf
Reinhardt.

Bis zu 3.600 Fehlfahrten pro Jahr

Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin kommt es bei rund 20.000 Einsätzen des Rettungsdienstes jährlich zu 2.700 bis 3.600 Fehlfahrten. Dadurch werden pro Jahr Kosten in Höhe von rund zwei Millionen Euro verursacht. Mehr als 1.000 Euro können im Einzelfall an Kosten anfallen - je nachdem welches Fahrzeug zu einem Einsatz ausrückt.

Diese Kosten werden nun an diejenigen weitergegeben, die die sogenannten Fehlfahrten verursachen. Die endgültige Entscheidung, ob ein Einsatz medizinisch notwendig war oder ist, trifft grundsätzlich ein Arzt.

Der Kreistag Ostprignitz-Ruppin hat auch die Gebührensätze angepasst: Rückt im Landkreis ein Rettungswagen aus, werden künftig laut neuer Satzung pauschal 1.023,48 Euro fällig. Fährt ein Krankentransportwagen los, kostet das 320,30 Euro. Kommt ein Notarzt-Einsatzfahrzeug (inklusive Notarzt) zum Einsatz, entstehen in Zukunft Kosten in Höhe von 1.045,14 Euro.

Sendung: rbb Antenne Brandenburg (Büro Perleberg), 02.12.2024, 08:30 Uhr

 

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91 Kommentare

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  1. 91.

    ..Der Arzt entscheidet dann im KH ob es notwendig war oder nicht. Es redet hier niemand von sterken Kopfschmerzen. Es geht hier um die Nagelbettentzündung oder: "Ich wollte mal auf Sicher gehen, hatte schon vermutet, dass es nichts ist aber sicher ist sicher, danke für eueren Besuch"-Einsätze. Auch der "Ich komme nicht raus und brauche Medikamenten von der Apotheke", immer wieder gerne gehört.

  2. 90.

    Wer beurteilt, was eine "Fehlfahrt" war und was nicht?
    Wer beurteilt, wer falsche Angaben gemacht hat und wer nicht?

    Ich hatte erlebt, dass ein Disponent einer Leitstelle beim 1. Anruf jegliche Hilfe verweigert hatte und beim 2. Anruf ausreichend Hilfe verweigert hatte. Erst der dritte Anruf eines Notallsanitäters hat dann den Notarzteinsatz in Gang gebracht.Die Patientin verstarb einen Tag später in einer Klinik.
    Obwohl ich Strafanzeige und Strafantrag gestellt hatte--hatte die Staatsanwaltschaft "große Mühe" den Fall aufzuklären

    Ich könnte mir vorstellen, dass bei "unbekannten" Anrufern viel zu schnell Absicht angenommen würde.
    Wer sollte diese 3600 Fehlfahrten denn dann neutral hinterfragen und Aufklärung betreiben?
    Staatsanwälte?--Nach 3 Monaten werden die Bandaufzeichnungen der Leitstelle gelöscht. Bis der Gebührenbescheid der Rettungsdienste eingeht--könnte diese Zeit verstrichen sein. Eigentlich müsste diese 3-monatige Aufbewahrung dann verlängert werden....

  3. 89.

    Sofern ein Rettungsdienst, Rettungsfahrzeug, Krankenwagen, Notarzt "umsonst" ausrückt, musste man als dafür Verantwortlicher immer schon bezahlen.
    Also ist in Wahrheit "neu", dass "umsonst" schärfer - von wem eigentlich? - definiert wird.
    Zum anderen hat der Landkreis in der Praxis-Folge offenbar beschlossen, dass in den nächsten Jahren Gerichte werden bestimmen müssen, wer tatsächlich verantwortlich, den konkreten Umständen nach "umsonst" eine Rettungsfahrt auslöste.

    Während der Landkreis, die damit befassten wahrscheinlich wenig dafür tun, dass man wissen könnte, was der Unterschied zwischen einem Krankentransport und der Auslösung einer Rettungsfahrt ist.
    Hab von meiner Krankenkasse auch noch nie ein Merkblatt Krankentransport und Rettungsfahrt bekommen.
    Treffe ich auf Verletzte oder hilflose Person rufe ich selbstverständlich die Rettung. Habe nur dünn Kompetenz. Und oft muss man Leuten nicht noch Polizei auf den Hals schaffen.

  4. 87.

    Ein wirklich solidarisches System würde alle so integriert haben, dass sie gar nicht auf solch unsolidarische Gedanken kämen. Da waren wir mal sehr nah dran, nicht.

  5. 86.

    Die Kosten pro Einsatz sind doch nur die Umrechnung der Gesamtkosten des Systems auf den Einsatz. Also Personal, Fahrzeuge, Geräte (ein EKG kostet gerne mal so viel wie ein Kleinwagen), Verwaltung, etc... geteilt durch die jährlichen Einsätze. Das ergibt die Kosten pro Einsatz. Und der Bedarf an Rettungsmitteln wird in der Regel durch die einzuhaltende Hilfsfrist im jeweiligen Bundesland definiert. Da ist eigentlich nichts dreist...

  6. 84.

    Wie jetzt extra abrechnen? Das sind alles Kosten eines Einsatzes. Wenn keine Desinfektion anfiel, weil unberechtigter Notruf, dann wird das auch nicht berechtnet an den unberechtigten Notrufer. Es wird immer nur das berechnet, was auch geleistet wurde. Pauschal geht nicht. Steht so im Gesetz. Wer unberechtigt den Rettungswagen auf den Plan ruft, muss zumindest die Kosten der Anfahrt inkl. Personal bezahlen.

  7. 83.

    Aha. Starke Kopfschmerzen? Ja/nein? Könnte Schlaganfall sein.
    Frau mit Rückenschmerzen? Ja/nein? Könnte Herzinfarkt sein.

    Selbst erlebt:
    Junge Frau mit starken Kopfschmerzen – wurde selbst im KH noch angeschnauzt und lächerlich gemacht. Dort ist sie nach 3. SMH-Einsaatz aan Schlaganfall verstorben, auf den man wegen ihres Alters nicht einmal untersucht hatte.

    Mittelalte Frau mit wiederkehrenden Kopfschmerzen und Übelkeit – wurde mehrfach abgetan als Frauensache, Migräne, Viruserkrankung, "Hyssterie"/Überempfindlichkeit. War aber ein Hirntumor.

  8. 81.

    kassenärztlicher Notdienst verdient den Namen nicht, denn man hängt stundenlang in der Warteschleife. In der Not ggf. tödlich.

  9. 80.

    Früher gab es Hausärzte, die – genau wie Apotheken – zum Hauseinsatzdienst eingeteilt wurden. Das funktionierte gut.

    Bei Not-/Unfall wurde natürlich ins KH gebracht oder SMH gerufen.

  10. 79.

    Melden Sie's einfach der Polizei, dann müssen diese weitermachen. Legen Sie auf, ehe man Sie in eine Ecke drrängt – wie durch diese Neuverordnung hier.

  11. 78.

    Aber es funktioniert doch – die Leute beschweren sich hier statt bei den Behörden und Politikern und lassen sich alles bieten.

    Und die Politiker werden Lobbyisten, als Eintrittskarte beginnen sie schon mal in ihrer Legislatur.

  12. 77.

    Das Beste ist auf jeden Fall : beim Notfall erst einmal, immer eine halbe Stunde abwarten !!!
    Bleibt oder wird es schlimmer - Notruf wählen.
    Kann ja sein, die Herzschmerzen waren nur Verspannungen und gehen von selbst wieder weg.

  13. 76.

    Das ist unlauter. Es ist nicht erlaubt und verstößt gegen die Rechte des Menschen, den Sie fotografieren! Aber Sie fordern dazu auf!

    Alle Smartphones mit App-AGB/Cookies akzeptieren sind aßerdem Datenkraken, die noch vor dem Löschen eine Kopie gespeichert haben – verstößt gegen die Rechte des Menschen, den Sie fotografieren!

  14. 75.

    Das könnte man ja alles extra abrechnen.

    "Jeder Rettungswagen wird nach einem Einsatz erstmal desinfiziert".
    Und diese Arbeitszeit wird ja auch durch die Monatsgehälter abgedeckt.....Außerdem arbeiten im Rettungsdienst viele auch "ehrenamtlich" für weniger Geld.
    Jeder Handwerker rechnet Material, Fahrstrecke/Zeit und Arbeitszeit extra ab. Auch da müssen Geräte, Maschinen Fahrzeuge gewartet, vom TÜV überpfüft und neue Fahrzeuge beschafft werden.Warum nicht im Rettungsdienst?

    Es wäre doch spannend, würden Zahlen bezüglich tatsächlicher Kosten veröffentlicht werden.

  15. 74.

    Sie wollen Gewinne auf Kosten der Patienten einstreichen, bei denen für Laien wie mich unklar ist, ob ein Notfall vorliegt oder nicht. Sagt nun der Arzt, es lag kein Notfall vor, so muss ich den Einsatz bezahlen, denn Vorsatz oder auch nur Fahrlässigkeit wird offenbar nicht vorausgesetzt.

  16. 73.

    >"Zwischen dem Anrufer und dem Rettungsdienst steht doch eine zentrale Leitstelle. Dort muss doch auf Basis der Fakten entschieden werden, ob ein Rettungswagen sowie gegebenenfalls ein zusätzlicher Notarzt benötigt werden."
    Richtig. Das passiert auch so. Wenn aber der Anrufer falsche Angaben macht zum medizinischen Notfall, dann sieht das erst das Rettungsteam vor Ort - und ist sauer, wenns ein Bagatellfall oder gar ein Missbrauch war.

  17. 72.

    „Mir scheint das eine menschenverachtende Einstellung“
    Das Gegenteil ist richtig, wenn man gegen die „Systemausnutzer:innen“ vorgeht und das System solidarfester macht. Wenn überzogen wird, und das wird es ja offensichtlich, dann sind die „Überzieher:innen“ die Bösen... und nicht die Bekämpfer dessen.

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