Konzertkritik | Ostrock-Band City - Goldene Hochzeit und Scheidung zugleich
Die legendäre Ostrock-Band City hat sich nach 50 Jahren mit einer großen Tour von ihren Fans verabschiedet. Das allerletzte Konzert in der Berliner Mercedes-Benz Arena war für Corinne Orlowski ein emotionales Finale.
Ach, wie doch die Zeit vergeht. Gerade hieß es bei City noch: "Ohne Bass und ohne Haare rocken wir die 80er-Jahre." Und jetzt? Vor 50 Jahre starteten City in Berlin-Köpenick. Dann: Höhen und Tiefen - das echte Leben eben. Aber die Glatze ist bei den Ostrockern geblieben.
Am Freitagabend versammelten sich tausende Fans in der Heimat Berlin, mit überdurchschnittlich vielen Lederjacken und Cowboyhüten, um sich zu verabschieden - und damit auch ein bisschen von der eigenen Lebensgeschichte. Denn die Musik von City ist und war identitätsstiftend.
Ganz am Anfang waren die Songs von City noch absolute Jungsmusik. Aber weil sie irgendwann auch "Määdschen", wie Frontsänger Toni Krahl sagt, vorne am Bühnenrand sehen wollten, hätten sie die Violine ausgepackt. Spätestens seit diesem markanten Geigensolo ist City Kult. Nicht nur im Osten. "Am Fenster" war der größte Erfolg eines DDR-Songs im Westen, ein gesamtdeutsches Volkslied.
Ohne Rollator auf die Bühne
Ein halbes Jahrhundert, solange halten die wenigsten Ehen, nicht mal die DDR hat es so lange gegeben. Nun feierte City Goldene Hochzeit und Scheidung gleichzeitig. Die Bandmitglieder sind alle über 70, aber rocken können die - da würde manch 20-Jähriger mit den Ohren schlackern.
Frontmann Toni Krahl, der Schreihals mit der markanten Reibeisenstimme, tobt über die Bühne und unterhält seine Fans wie ein junger Boxer – Arme immer oben halten und die Meute zum Mitmachen animieren. Immer wieder muss die Security eingreifen und die zur Bühne rennenden Fans auf ihre Plätze verweisen. Dieser Mann soll über 70 sein? Moment mal. Im Rollator wollen sie nicht auf die Bühne. Die Fans sollen sie kraftvoll in Erinnerung behalten. Und nach dem Tod von Schlagzeuger und Bandgründer Klaus Selmke vor zwei Jahren, wollen Fritz Puppel, Georgi Gogow, Manfred Hennig und Krahl kein neues Kapitel aufschlagen. Jetzt soll Schluss sein. Da bleibt kein Auge trocken, auf der Bühne nicht und auch nicht bei den Fans. Dieser Abschied erweicht selbst das härteste Rockerherz.
Rockkonzert und Predigt
City hat eine einzigartige Karriere hinter sich. Aber jetzt, ganz am Ende, das ist ein Rausch. Nach einem Hit zum Mitgrölen und -klatschen folgt immer eine ruhige Nummer zum Nachdenken. Es soll doch hier keiner einen Herzinfarkt bekommen. Dann gleicht dieser Abend eher einer Predigt. "Wo Menschen töten, um Gott zu gefallen“, sagt Krahl bedeutungsschwer, "wo sich Nachrichten schneller verbreiten als die Wahrheit, ist es umso wichtiger, dass wir, die Erwachsenen, unseren Kindern Zuversicht, Selbstvertrauen, Respekt und Mut auf den Weg geben." Dafür erntet er Applaus.
Für das allerletzte Konzert hat sich City Verstärkung mitgebracht. Die LED-Screens werden nach oben gezogen und auf einmal sitzen da die Berliner Symphoniker. Aber auch alte Freunde wie die Kollegen von Silly oder der Schauspieler Henry Hübchen sagen tränenreich "Goodbye".
Auch wenn es jetzt vorbei sein soll mit der City-Bandgeschichte - für die meisten Fans bleiben sie doch eh "für immer jung".
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