Personalmangel, Diskriminierung, Nachhaltigkeit - Neuer Clubcommission-Chef steht vor großen Herausforderungen

Do 12.01.23 | 06:07 Uhr | Von Magdalena Bienert
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Archivbild:Marcel Weber am 05.11.2019.(Quelle:imago images/Fotopress Müller)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.01.2023 | Magdalena Bienert | Bild: imago images/Fotopress Müller

2023 ändern sich in der Berliner und Brandenburger Kulturszene viele Personalien. Auch die Clubcommission Berlin hat einen neuen Vorstandsvorsitzenden: Marcel Weber. Der Geschäftsführer vom Schwuz übernimmt das Amt mit großer To-Do-Liste. Von Magdalena Bienert

  • gestiegene Kosten machen vielen Berliner Clubs zu schaffen
  • weniger Menschen wollen nachts arbeiten
  • Neuer Clubcommission-Chef Weber will auf mentale Gesundheit von Mitarbeitern achten

Der 43-jährige Marcel Weber ist im November vergangenen Jahres von der Rolle des Schatzmeisters zum ersten Vorsitzenden der Clubcommission ernannt worden. Weber übernimmt den Posten von Pamela Schobeß, der Betreiberin des Kreuzberger Clubs Gretchen, für die nächsten zwei Jahre.

Weber ist seit zehn Jahren einer von zwei Geschäftsführern des Schwuz im Neuköllner Rollbergkiez. Seit der Wiedereröffnung der Clubs im Frühjahr 2022 empfindet er die Szene als sehr "vital" und in "Aufbruchstimmung". Dennoch sind die Herausforderungen für die Club-Betreiber:innen keineswegs geringer worden: "Wo fange ich nur an? Es gibt diverse Probleme", so Weber.

Gestiegene Kosten in allen Bereichen

Die gestiegenen Kosten beträfen "sowohl den Einsatz von Waren, die Honorare, die Personalkosten, aber auch Strom und Energie. Vieles wird sich erst im Laufe des Jahres zeigen, weil wir natürlich auch als Gewerbebetriebe Vorauszahlungen leisten und gar nicht wissen, was kommt dann Ende des Jahres auf uns zu?"

Man könne nur abwarten und Geld zurücklegen, denn niemand wisse, wie sich die Preisspirale von 2022 in der Betriebskosten-Abrechnung 2023 widerspiegeln wird. Das ist eines der großen Themen, die den neuen Vorstandsvorsitzenden 2023 beschäftigen: "Dass wir schauen: Wie kriegen wir die Unternehmen tatsächlich alle auch durch diese Krise!"

Neue Clubleben-Zeitrechnung: vor und nach Corona

Für Marcel Weber gibt es eine Zeitrechnung "vor und nach Corona". Das Ausgehverhalten habe sich einfach stark verändert, bemerkt der Clubbetreiber. Menschen sind spontaner geworden, weniger berechenbar. "Bei uns haben wir auf jeden Fall noch nicht das Niveau von 2019, was die Menge an Besucher:innen angeht, erreicht."

Hinzukommt: billig ausgehen war gestern. Auch sein Club muss die gestiegenen Kosten (rund 25 Prozent) an die Gäste weitergeben: statt zwischen 13 und 15 Euro für einen Samstagabend, kostet der Eintritt im Schwuz jetzt 17 Euro, ein kleines Bier 4 Euro.

Weber weiß auch, dass viele Clubs immer noch mit Personalmangel zu kämpfen haben. Die Bereitschaft nachts zu arbeiten, sei geringer worden seit Corona. Im Schwuz sei das zwar etwas anders, weil hier die Leute gezielt in einem queeren Umfeld arbeiten möchten, aber das sei auch ein Privileg, aktuell genug Personal zu haben und kein Normalzustand.

Müssen DJ's wirklich für einen Gig von überall her eingeflogen werden und haben dann aber das Verbot, auch woanders in Berlin aufzulegen? Was macht das mit dem ökologischen Fußabdruck?

Marcel Weber, Vorsitzender der Berliner Clubcommission

Mentale Gesundheit in einem konsumfreudigen Umfeld - aber wie?

Grundsätzlich möchte Weber mit der Clubkommission für Mitarbeitende bessere Arbeitsbedingungen schaffen: "So, dass sie nicht nur gerne in den Clubs sind, sondern, dass sie auch gesundheitlich fit sind. Also, wie schafft man es Leute, die lange nachts in lauter Umgebung arbeiten, Möglichkeiten zu geben, ihr Gehör zu schützen?" Ein anderer wichtiger Punkt sei, dass sie auch aufgrund ihrer mentalen Verfassung gesund bleiben.

"Im Nachtleben ist ja auch der Weg zu Konsum sehr nah und die Frage ist: Wie schaffen wir es da, mentale Gesundheit zu stärken und zu fördern?!"

Mentale Gesundheit, Rassismus an Türen und Diskriminierung im Nachtleben, sowie die Anerkennung von Clubs als Kulturstätten – die To-Do-Liste für Marcel Weber ist lang. Auch die Frage nach mehr Nachhaltigkeit muss weiter diskutiert werden, findet er. "Müssen DJ's wirklich für einen Gig von überall her eingeflogen werden und haben dann aber das Verbot auch woanders in Berlin aufzulegen? Was macht das mit dem ökologischen Fußabdruck?!" Er könne endlos viele Dinge aufzählen, meint Weber weiter.

Es gibt viel zu tun, aber die Bereitschaft etwas zu verändern ist groß

Zum Glück muss Marcel Weber all diese Fragen und Herausforderungen nicht alleine stemmen, denn rund 300 Mitglieder der Berliner Clubcommission stehen hinter ihm. Aber Weber bringt eine Eigenschaft mit, die "sicher nicht so vielen Leuten Spaß macht", sagt er. Man müsse sehr viel mit Politikerinnen und Politikern reden, die auf dieser Ebene "nicht viel Ahnung davon haben, was Clubkultur eigentlich ist und da müssen wir immer noch um die gesellschaftliche Anerkennung und Gleichstellung kämpfen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.01.2023, 11:55 Uhr

Beitrag von Magdalena Bienert

3 Kommentare

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  1. 3.

    Warum war die Clubszene in der 90er Jahren in Berlin weltweit am besten? Weil vor allem im Ostteil genug günstige Räumlichkeiten vorhanden und die Bürokratie mit sich selbst beschäftigt war. Daraus sollten für die Zukunft entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden.

  2. 2.

    In den Jahren vor der Pandemie wurde man als Berliner nicht gerne als Gast gesehen - es war alles auf den großen Reibach ausgelegt. Man musste schon froh sein, wenn man nicht von manchen Türstehern angespuckt oder angepöbelt wurde. Das rächt sich natürlich irgendwann, wenn der große touristische Andrang nicht mehr die Kassen füllt... Ob das Berliner Publikum jetzt bereits ist, noch mehr Geld auszugeben, wird sich herausstellen... Mir tut es um keinen Club leid, in den man plötzlich nicht mehr reingekommen ist, weil man nicht dem idealen Beuteschema der Clubbetreiber entsprochen hat... Aus der einstigen Techno-Weltmetropole ist inzwischen ein schnödes OBERAMMERGAU geworden!

  3. 1.

    Die Branche leidet sehr unter Vielzahl an Problemen, sicher kein einfacher Job für Weber. Aber man muss schon auch sehen, dass Einzelpersonen jahrelang ganz gut am Clubbetrieb verdient haben: Zu günstigen Mieten, minimalen Investitionen (manche Toilettenanlagen kann man mit Berliner Schulklos vergleichen) und andererseits stolzen Eintritts- sowie Getränkepreisen gepaart mit extrem hoher Nachfrage floss der Rubel ganz gut

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