Jüdisches Museum Berlin - Ausstellung "Paris Magnétique" zeigt Arbeit jüdischer Künstler in Paris
Zahlreiche jüdische Künstlerinnen und Künstler aus Mittel- und Osteuropa zog es Anfang des 20. Jahrhunderts nach Paris. Das Jüdische Museum Berlin widmet ihnen mit "Paris Magnétique. 1905–1940" die erste große Ausstellung in Deutschland.
Die französische Metropole Paris war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Hauptstadt der Moderne. Sie übte eine Sogkraft auf Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt aus, vor allem aber aus Mittel- und Osteuropa, darunter zahlreiche Jüdinnen und Juden. Ihnen widmet das Jüdische Museum Berlin erstmals in Deutschland eine Ausstellung unter dem Titel "Paris Magnétique. 1905-1940".
Nach Paris!
Eine Weltkarte zeigt die Verbindungslinien zwischen der Kunstmetropole Paris und den Herkunftsorten der Künstlerinnen und Künstler. Sie reichen von Livorno in Italien über Odessa und Cherson in der Ukraine bis tief in das Russische Reich, nach Witebsk, aus dem Marc Chagall stammte, und Tscheboksary im Kaukasus, dem Geburtsort von Maria Worobjowa.
Die Künstlerin arbeitete unter dem Namen der Märchenfee "Marevna" und war zeitweilig mit Diego Riviera liiert, den sie kennenlernte, als sie 1912 nach Paris kam. Die Malerin ist mit ihrem kubistisch geprägten Bild "Der Tod und die Frau" von 1917 in der Ausstellung vertreten. Sie gehört zu den Entdeckungen dieser Schau. Hetty Berg, die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, betont: "Viele von diesen Künstlern mussten aus dem Russischen Reich fliehen, aufgrund von Pogromen, Krieg und Hass, und es ist diese jüdische Perspektive, die wir hier gern zeigen, weil sie so prägend gewesen ist für diese ganze Entwicklung der späteren Moderne."
Rund 120 Arbeiten werden gezeigt, darunter Werke von bekannten Künstlern wie Marc Chagall, Amedeo Modigliani, Jacques Lipchitz und Sonia Delaunay aber auch solche von weniger bekannten Künstlern wie Chana Orloff, Chaim Soutine und Vladimir Baranoff-Rossiné. Er strebte eine Synthese der Künste, insbesondere der Malerei und Musik an, wie an seinem Werk "Abstrakte Komposition" von 1910 zu erkennen ist.
Zu den Ersten, die nach Paris kamen, gehört der in Stettin geborene Rudolf Levy. Seine farbintensive Stadtansicht von Paris erinnert nicht von ungefähr an Henri Matisse. Er war im Jahr 1903 in die französische Kunstmetropole gekommen, auf der Suche nach neuen Anregungen. Das Café du Dôme wurde zum Treffpunkt für künstlerischen Austausch. Shelley Harten, die Kuratorin der Schau sagt: "Er selbst war einer der sogenannten "Dômiers", der Künstler, die im Café de Dôme zusammentrafen, mit Walter Bondy und Sonia Delaunay. Sie kam ursprünglich aus der Ukraine, hatte aber in Deutschland studiert."
Levy war 1908 auch an der Gründung der Académie Matisse beteiligt, deren stellvertretender Leiter er wurde. Zu den "Dômiers" gehörten auch der Ungar Béla Czóbel und der aus Krakau stammende Moise Kisling, sowie Sonia Delaunay. Das zum Auftakt von ihr gezeigte Porträt "Philomène" von 1907 verweist in seinen Farben und mit dem Tuch der Frau auf ihre ukrainische Herkunft.
Kunst im Bienenstock
Der Montparnasse mit seinen neuen Akademien löste den Montmartre als Kunstzentrum ab, hier lebten und arbeiteten die Migrantinnen und Migranten vor allem im Kunsthaus "La Ruche", der Bienenstock, einem Rundbau mit Ateliers nach Entwurf von Gustave Eiffel, von dessen bescheidenen Räumen ein Bild von Marc Chagall einen Eindruck vermittelt.
Wer neu in Paris ankam, traf hier oder in den umliegenden Cafés auf Gleichgesinnte. So auch die Bildhauerin Chana Orloff, von der ein schmaler weiblicher Torso aus Holz und die Büste eines zarten Frauenkopfes Gemälden ihres Kollegen Amedeo Modigliani gegenübergestellt sind. "Sie war eine sehr gute Freundin von Modigliani, man kann in einem der Räume ein sehr schönes Zwiegespräch zwischen den Arbeiten der beiden Bildhauer anschauen und sich auch mit ihren künstlerischen Dialogen befassen", erläutert Kuratorin Shelley Harten.
Eine dynamische künstlerische Szene
Die Künstler, die sich am Montparnasse begegneten und ganz unterschiedliche Strömungen und Stilrichtungen der Moderne aufnahmen und weiterentwickelten, werden unter dem Begriff "École de Paris" gefasst, geprägt von dem Kunstkritiker André Warnod, der sich damit bewusst gegen aufkommende nationalistische Töne in der französischen Kunstszene der Moderne wendet.
Die vage Bezeichnung ist kein Stilbegriff, erklärt Pascale Samuel, Kuratorin des Pariser Jüdischen Museums, wo die Schau bereits vor einem Jahr gezeigt wurde. "André Warnod will damit sagen, es gibt keine französische Schule, sondern es ist eine dynamische künstlerische Szene, deren Mitglieder von überallher kommen und eben die Pariser Schule bilden. Er wollte also einen Terminus finden, in dem sich alle gleichermaßen wiederfinden und mit ihrer Kunst gewürdigt werden."
Die letzten beiden Kapitel zeichnen das Schicksal der Pariser Schule in den 1930er Jahren unter dem aufkommenden Faschismus bis zu ihrem Ende mit der Besatzung der französischen Hauptstadt durch die deutsche Wehrmacht 1940 nach. Den ermordeten jüdischen Künstlern setzt die Ausstellung ein Denkmal. Und sie wirft zugleich einen neuen Blick auf die Kunstgeschichte der Moderne.
Sendung: 24.01.2023, 18:10 Uhr, rbb Kultur