Gerhard-Richter-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie - "Ein ungeheures Geschenk für Berlin"

Sa 01.04.23 | 08:26 Uhr | Von Marie Kaiser
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Eine Besucherin geht in der Ausstellung "100 Werke für Berlin" des Künstlers Gerhard Richter an den Werken "4900 Farben" in der Neuen Nationalgalerie vorbei. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau | 31.03.2023 | C. Titze | Bild: dpa/J. Carstensen

"100 Werke für Berlin" - unter diesem Titel präsentiert die Neue Nationalgalerie erstmals die Arbeiten, die Gerhard Richter Berlin als Dauerleihgaben überlässt. Im Mittelpunkt steht der "Birkenau"-Zyklus, der auf Fotos von KZ-Häftlingen beruht. Von Marie Kaiser

Wenn über Gerhard Richter gesprochen wird, dann meist in Superlativen: Richter ist einer der größten, der teuersten, der berühmtesten Künstler unserer Zeit. Bei der Präsentation der "100 Werke für Berlin" stellte ihn der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, nicht als deutschen, sondern als "Weltkünstler" vor: "Wenn es einen Künstler gibt, der Weltbedeutung hat, dann ist es Gerhard Richter." Dieser Weltkünstler hat sich entschlossen, Berlin "ein ungeheures Geschenk" zu machen, wie Biesenbach es nennt.

Es geht um insgesamt 100 Arbeiten, die der 91-Jährige nicht für Rekordpreise auf den Kunstmarkt werfen wollte, sondern Berlin großzügig als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. Diese "100 Werke für Berlin", in denen sich die ganze Vielfältigkeit von Gerhard Richter offenbart, präsentiert die Neue Nationalgalerie nun zum ersten Mal der Öffentlichkeit.

Ein Mann filmt in der Ausstellung «Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin» in der Neuen Nationalgalerie das Werk "Tante Marianne", das den Künstler als Baby und seine Tante, die von Nazis ermordet wurde, zeigt. (Quelle: dpa/J. Schreiner)
| Bild: dpa/J. Schreiner

"Ein neues Zuhause" für Gerhard Richter

"Gerhard Richter bekommt ein neues Zuhause in Berlin", so emotional drückt es Joachim Jäger, der Leiter der Neuen Nationalgalerie und einer der Kuratoren der Ausstellung aus, die in enger Zusammenarbeit mit Gerhard Richter entstanden ist. Zu sehen sind Foto-Editionen bekannter Gemälde aus den 1960er Jahren wie "Tante Marianne" oder "Onkel Rudi". Ölgemälde, die auf Grundlage von Familienfotos entstanden sind. Um dem direkten Abbild auszuweichen, verwischte der Künstler die noch frische Ölfarbe und erschuf so seine berühmte Technik der Unschärfe.

Gezeigt werden aber auch viele großformatige und abstrakte Ölgemälde, für die Richter mit dem Rakel Farben aufgetragen, gemischt und dann wieder teilweise abgeschabt hat. Andere Arbeiten hat Richter ausschließlich am Computer erstellt und ausgedruckt. So wie "Strip", das zehn Meter breite Bild, das die Ausstellung eröffnet und sich aus unzähligen dünnen horizontalen Streifen in vielen verschiedenen Farben zusammensetzt - ein Digitaldruck auf Aluminium, mit dem Richter erforscht, wie ein Gemälde im digitalen Zeitalter aussehen kann.

"Das ist das Herausragende an Gerhard Richter, dass er über Jahrzehnte sehr um Malerei ringt und frisch und jung bleibt", so beschreibt es Joachim Jäger. "Es gibt in der Ausstellung Werke aus den letzten Jahren wie '4900 Farben' oder auch 'Strip', da würde man denken, das hat ein junger Künstler oder eine junge Künstlerin gemacht."

Gerhard Richter Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie Berlin. (Quelle: rbb/M. Kaiser)In einem recht engen Raum wird der "Birkenau-Zyklus" ausgestellt

Das Herzstück der Ausstellung ist der "Birkenau-Zyklus"

Das Herzstück der Ausstellung ist der recht enge Raum, in dem Richters "Birkenau"-Zyklus von 2015 zu sehen ist. In den Ecken hängen vier kleine schwarz-weiß Fotos. Es handelt sich die vier einzigen überlieferten Fotos, die Häftlinge 1944 heimlich im Konzentrationslager in Birkenau gemacht haben und anschließend herausschmuggeln konnten.

Verwackelte Bilder des Grauens - zu erahnen sind die Leichen ermordeter Juden in einem Waldstück und nackte Frauen auf dem Weg in die Gaskammer. Gerhard Richter hat die Fotos zunächst mit Kohle und Ölfarbe auf vier große Leinwände übertragen, dann aber festgestellt, dass er diese Bilder so nicht stehen lassen kann. Nach und nach hat er die figurativen Bilder mit Schwarz, Weiß und Grau übermalt, an manchen Stellen leuchtet es auch Grün und Rot auf.

Es gibt in der Ausstellung Werke aus den letzten Jahren wie '4900 Farben' oder auch 'Strip', da würde man denken, das hat ein junger Künstler oder eine junge Künstlerin gemacht.

Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie und einer der Kuratoren

"Wie gehen wir mit dem Grauen und der Schuld um?"

In der Neuen Nationalgalerie wird den vier "Birkenau"-Bildern ein großer vierteiliger grauer Spiegel gegenübergestellt, in dem sich nicht nur die Gemälde, sondern auch die Besucherinnen und Besucher reflektieren. "Der Spiegel bringt uns und die Gegenwart ins Bild", erklärt Joachim Jäger. "Wir stehen zwischen der Malerei und dem Spiegel und müssen uns selbst damit beschäftigen. Berlin ist eine Stadt, von der sehr viel ausging in den 1930er und 1940er Jahren", so Jäger. "Der Krieg und der Holocaust wurden hier geplant. Ein Werk wie 'Birkenau' stellt jetzt dauerhaft in Berlin die Frage, wie gehen wir mit dem Grauen und der Schuld um?"

Infos im Netz

Mit dem Holocaust und der Frage, wo die Grenzen des Darstellbaren liegen, beschäftigt sich Gerhard Richter schon seit Jahrzehnten. Gerhard Richters "Tante Marianne", auf deren Schoß der vier Monate alte Gerhard Richter in dem weltberühmten Gemälde sitzt, wurde Opfer der NS-Euthanasie. Sie wurde als "Geisteskranke" diagnostiziert, zwangssterilisiert und 1945 ermordet. Richters Gemälde "Herr Heyde" von 1965, das in der Ausstellung als Foto-Edition zu sehen ist, zeigt Werner Heyde, eine der zentralen Figuren bei der Umsetzung des Euthanasieprogramms der Nazis. Dass gerade Arbeiten wie "Tante Marianne", "Herr Heide" oder der "Birkenau"-Zyklus nun in Berlin ein Zuhause gefunden haben und eine dauerhafte Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit ermöglichen, ist in der Tat ein "ungeheures Geschenk" für die Hauptstadt.

Sendung: rbbKultur, 01.04.2023, 10:00 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

13 Kommentare

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  1. 12.

    Da haben sie es mir aber geben wollen!! Das bestätigt meine Kritik an den Kommentaren, nicht bezogen auf Eric&Sven, sorry

  2. 11.

    Da fehlt es so ziemlich an allem. Warum dann diese Obsession mitdiskutieren zu wollen ohne Potential und Kompetenz?

  3. 10.

    Richter in der Neuen Nationalgalerie, das tut Berlin gut!
    Und dann mal tatsächlich froh sein und nicht rummeckern.
    Habe jetzt eine Weile hier die Kommentare verfolgt, auch andere Themen und bin betroffen wie destruktiv, primitiv und polemisch hier meist kommentiert wird. Hat mit Streitkultur nichts zu tun.

  4. 9.

    Na, eher die Müllkippe würde ich sowas schmeissen.
    Völlig verwirrt und bunter Schrott.

  5. 8.

    Ist das Kunst oder kann das weg?
    Meine Güte, das sieht aus wie ne Bildstörung.
    Für mich ist das nur Müll, passt aber zu diesem kranken und verirrten Land.

  6. 7.

    Ein ungeheures „Geschenk“ für Berlin?
    Es ist eine DauerLEIHgabe.
    Letztlich muss ja froh sein, dass Richter in Berlin bleibt.
    Erinnert sei da an den Versuch eines Berliner Mäzens seine Sammlung Moderne Kunst zu schenken.
    Soviel Dummheit und Unvermögen seitens des SED/Linken Lederer, Kultursenator, ließ die Sammlung nach Dresden gehen, die sich darüber sehr freuten.

  7. 6.

    Also,das wird ein Ereignis.Ein toller Künstler.Ich freue mich sehr auf die Ausstellung

  8. 5.

    1. Gerhard Richter steht seit Langem dem Marktgeschehen kritisch gegenüber. Er verbietet an manche Sammler seine Werke in zweiter oder dritter Hand zu veräußern und untersagt zu manchen Kunsthändlern Geschäftsverbindungen. Mick Flick erhält keines seiner Werke. Eine solch dezidierte Haltung hat Seltenheitswert und beeinflußt sehr wohl diejenigen, die Markt von Kultur zu trennen gewillt sind und sich nicht jeder Bauchpinselei bereitwillig und devot anbieten.
    2. Dauerleihgaben sind terminiert. 100 Jahre sind üblich, schon allein um dem Wüten der Erben Grenzen zu setzen.
    3. Richter hat ein Dilemma. Die Unermesslichkeit der Wertsteigerung seiner Werke zwingt ihn zur Buchhaltermentalität, die er dank straffer Disziplin überwindet. Er weiß, dass es für die Nachkommen zur Bürde werden kann. Das Milliardenmuseum nebenan, wo ein Teil seines Ouvres zwecks Huldigung Einzug erhält, finanziert unf unterhält der Steuerzahler.

  9. 4.

    Ich freue mich soooo sehr!

  10. 3.

    „ …, dass Herr Richter den Kunstmarkt mit den abgehobenen Preisen ebenfalls kritisch sieht.“
    Wo haben Sie das her?
    Und, glauben Sie wirklich, dass das den Kunstmarkt beeinflusst?
    Es sind Leihgaben, die jederzeit auf den Markt geworfen werden können.

  11. 2.

    Die Nationalgalerie ist definitiv der richtige Ort für die Bilder von Gerhard Richter. Und ich find's gut, dass Herr Richter den Kunstmarkt mit den abgehobenen Preisen ebenfalls kritisch sieht.

  12. 1.

    Danke an den großen Meister für diese herausragenden Werke. Ein sehr würdiger Ort. Für mich eine riesige Freude diese schon bald aus der Nähe betrachten zu dürfen.

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