Interview | Corinna Harfouch als "Tatort"-Kommissarin - "Mir war nicht klar, was das für eine Riesenwelle schlägt"
Ab diesem Sonntag ermittelt Corinna Harfouch erstmals als Berliner "Tatort"-Kommissarin. Warum sie in Pumps auf Verbrechersuche geht und wieso sie der "Tatort"-Stoff auch privat bewegt, sagt die Schauspielerin im Interview mit rbb|24.
rbb|24: Corinna Harfouch, was war Ihre erste Reaktion, als der Anruf kam: Sie sind unsere Wunschkandidatin als “Tatort”-Kommissarin.
Corinna Harfouch: Ich war verblüfft. Ich habe zwar schon früher solche Angebote erhalten, aber ich habe immer gesagt, ich würde das nicht machen wollen, man ist damit zeitlich so besetzt. Aber jetzt wäre ich niemals auf die Idee gekommen, “Tatort”-Kommissarin zu werden, weil ich schon in einem gewissen Alter bin. Gerade deswegen hat es mich interessiert.
Die LKA-Beamtin Susanne Bonard, die Sie spielen, geht in schicken Pumps auf Verbrechersuche. Ihre Kommissarin ist gleichzeig sinnlich, aufregend und elegant.
Ich habe ein bisschen darum gekämpft, dass sie eine Frau ist, die gern eine Frau ist, und die das auch in ihrer Kleidung zeigt.
Tatort ist seit einiger Zeit Kult, auch junge Leute gucken sich das zusammen in Bars an. Wie haben denn Ihre Familie und Freunde auf Ihre Entscheidung reagiert, die Rolle anzunehmen?
Da ich das selbst immer voller Zweifel und ein bisschen geniert vorgetragen habe, haben mir immer alle zugeredet und gesagt: ist doch super. Mir ist bis dahin gar nicht klar gewesen, was das für eine Riesenwelle schlägt. Ich muss ehrlich sagen, ich bin keine professionelle "Tatort"-Guckerin. Ich wusste nicht, dass das so eine große Aufmerksamkeit erregt.
Haben Sie für diese Rollen ein spezielles Training bekommen, zum Beispiel mit der Waffe.
Nein (sie lacht), aber ich habe schon für andere Rollen Waffentraining gehabt. Für diese Rolle ist das nicht nötig, sie kann gar nicht mit der Waffe umgehen. Die Waffe ist nicht ihr Hauptwerkzeug. Sie möchte das auch nicht, glaube ich. Und das finde ich auch ganz schön.
Susanne Bonard ist eine Professorin, die dann zurückgeht auf die Straße. Was zeichnet sie als Ermittlerin aus?
Ich wünsche mir, dass sie eine menschliche, erfahrene, kluge, professionelle Frau ist, die ein bisschen was auf dem Kasten hat, und aus ihrer Lebenserfahrung heraus die Menschen ganz verschieden wahrnimmt und anspricht. Das wünsche ich mir auch für die Entwicklung der Figur: Dass ihre Stärke im Gespräch liegt, in der Wahrnehmung und der Empathie, aber natürlich mit dem absoluten Ziel, etwas herauszubekommen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrem Kollegen Mark Waschke, der den Ermittler Robert Karow spielt, einen schwierigen, manchmal unberechenbaren Typen?
Mit Mark als Kollegen ist es ohne Übertreibung fantastisch. Er ist inspirierend er ist klug, er ist amüsant. Er ist richtig komisch, ein großartiger Improvisator. Man sieht das manchmal nicht in seiner Rolle – warum auch immer.
In “Nichts als die Wahrheit” geht es auch um rechtsextreme Netzwerke innerhalb der Polizei. Der Film hat eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz. Wie wichtig ist Ihnen diese Ausrichtung?
Sehr wichtig. Ich ringe mit dieser Nazi-Vergangenheit, wer ich wohl gewesen wäre in dieser Zeit. Das beschäftigt mich immer wieder. Ich habe dazu keine moralische Haltung, aber ich halte es für möglich, dass es kippt in diesem Land, weil es dafür durchaus Anzeichen gibt. Und das, was dargestellt wird im “Tatort”, ist eben leider nicht nur Fiktion. Das ist vielleicht etwas zugespitzt, aber es ist nicht irreal oder völlig absurd. Es ist einfach da. Und ich finde gut und wichtig, dass wir das zeigen. Wie das die Zuschauer aufnehmen, das ist eine völlig andere Frage.
Auch Berlin wirkt ganz anders in diesem “Tatort”. Vorher war die Stadt eher kiezig, Meret Beckers Figur Nina Rubin war viel im Berliner Nachtleben unterwegs. Jetzt hat sie etwas von einer politischen Machtzentrale. Was ist Ihr persönliches Berlin?
Ich lebe schon lange auf dem Land. Ich wohne nicht mehr in Berlin. Berlin ist mir ganz fremd geworden, ehrlich gesagt. Ich finde an Berlin schön, dass man so viele verschiedene Lebensentwürfe mitbekommt. Gleichzeitig gibt es sehr verschiedene voneinander getrennte Welten. Ich muss sagen, es macht mir manchmal Sorgen, dass wir uns nicht so richtig begegnen in dieser Stadt.
Gibt es eine Art Kraftort für Sie in Berlin?
Ja, mein Deutsches Theater, da spiele ich sehr gerne. Und das wird auch so bleiben.
Was wünschen Sie sich für die "Tatorte", die jetzt kommen?
Vielleicht ein bisschen mehr Klarheit. Es wird sehr viel verhandelt in dieser Folge, ich habe das Gefühl manchmal etwas zu viel. Dass man es ein bisschen ausdünnt. Und dass die Figur weiterhin die Möglichkeit bekommt, einfach mit den verschiedenen Menschen verschieden zu reden. Denn ich glaube, das ist ihre Art, in eine Verbindung mit ihrem Gegenüber zu treten. Und dann auch etwas herauszubekommen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Corinna Harfouch sprach Frauke Gust für rbb|24.
Sendung: rbb Kultur, 08.04.2023, 11:45 Uhr