Rammstein-Konzert in München - Bei der Zeile "Ich will, dass ihr mir vertraut" lacht Lindemann kurz

Do 08.06.23 | 16:13 Uhr | Von Maximilian Ulrich
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Tausende Zuschauer verfolgen das Konzert der Band Rammstein im Olympiastadion in München. (Quelle: dpa/Sven Hoppe)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.06.2023 | Maximilian Ulrich | Bild: dpa/Sven Hoppe

Till Lindemann, Frontmann der Berliner Band Rammstein, wird beschuldigt, sexuelle Gewalt gegen Frauen ausgeübt zu haben. Von den Auswirkungen ist beim ersten Deutschland-Konzert nicht viel zu spüren - Band und Fans bilden eine verschworene Einheit. Von Maximilian Ulrich

Und dann ruft jemand "Arbeit macht frei", diese menschenverachtende SS-Parole, die am Eingang vieler Konzentrationslager prangt.

Eine Gruppe von 30 Aktivist:innen protestiert an diesem Mittwoch gegen das Rammstein-Konzert vor dem Münchener Olympiastadion: "Ja heißt Ja und Nein heißt Nein." "Geht’s arbeiten!", ruft ihnen ein Mann mit bayrischem Akzent in Lederhosen und Rammstein-Shirt entgegen. "Genau!", brüllt ein anderer. Applaus und Gejohle. Als dann schließlich der Ruf "Arbeit macht frei" fällt, steht keiner auf. Kein Wort des Widerspruchs. Die Menge der Fans zieht stumm Richtung Eingang. Auch als nach dem Konzert ein ZDF-Reporter mit "Lügenpresse"-Rufen beschimpft wird, schreitet kein Fan ein.

"Manche führen. Manche folgen" - das ist das meistgetragene Band-Shirt auf diesem Konzert in München. Tatsächlich geht es gerade auch um die Frage: Wie weit folgt man seinen Idolen?

"Ich glaube, die meisten, die mitgehen, die wollen das auch"

Rammstein-Sänger Till Lindemann wird von mehreren Frauen Machtmissbrauch vorgeworfen. Es geht um ein Casting-System, das dem Sänger bei Konzerten Frauen für Sex zugespielt haben soll. Der Sex soll teilweise brutal und unter Drogeneinfluss stattgefunden haben. Einige der Frauen sagen, sie hätten sich unter Druck gesetzt gefühlt. Die Band bestreitet die Vorwürfe. Und die Fans stehen Rammstein bei.

"Die Frauen sind freiwillig mitgegangen und wenn man da mitgeht, dann weiß man, was kommt. Ich meine auf einer Backstage-Party wird nun mal nicht Halma gespielt", sagt Rammstein-Fan Gabi. "Ich glaube die meisten, die da mitgehen, die wollen das auch."

Erst einmal abwarten, ob die Vorwürfe stimmen - das ist an diesem Abend der Grundtenor bei vielen Fans. Und wenn die Vorwürfe stimmen? Phillip wäre weiterhin Fan. "Definitiv: Ja", sagt er. Sollte Lindemann ein Vergewaltiger sein, müsse man die Persönlichkeit von der Musik differenzieren, sagt er. Sollte sich die Band dann einen neuen Sänger suchen? "Nein." Phillip lacht. "Mal Hand aufs Herz, das funktioniert nicht. So einer kommt nicht nochmal."

Kathrin: "Ich glaube den Frauen das schon"

Maria aus Luckau ist schon lange Fan, geht seit den 1990er Jahren mit Freunden und ihrer Familie zu Rammstein-Konzerten. "Die haben damals noch bei uns im Nachbardorf gespielt." Für sie sei ein Konzert der Band wie ein Familienfest, sagt sie - und fügt hinzu: "Wenn die Vorwürfe stimmen, würde ich auf der Seite der Frauen stehen."

Nur jetzt gerade, in diesem Moment, wisse man das einfach noch nicht. Ihre Freundin Kathrin sagt, sie habe sich alle Videos und Artikel rund um die Vorwürfe angeschaut. "Zuerst dachte ich, das sind Fake-News. Aber mittlerweile bin ich mir unsicher. Ich glaube den Frauen das schon." Trotzdem ist sie heute hier. Die Freude, die Band live zu sehen, überwiege einfach.

Lena bleibt mit ihrer Konzertkarte zu Hause

Wer an diesem Abend nicht ins Olympiastadion München gekommen ist: Lena, obwohl sie ein Ticket hat. "Ich finde es wichtig, dass man Opfern sexualisierter Gewalt glaubt", sagt Lena in einer Sprachnachricht. "Ich möchte mich auch von den anderen Fans abgrenzen, die momentan betroffene Frauen im Internet mit übelsten Hasskommentaren überschütten. Mit diesen anderen Fans möchte ich mich nicht mehr gemeinsam für gute Plätze anstellen."

Wie viele so denken wie Lena, ist unklar. Das Münchener Olympiastadion bekommt Rammstein trotz der Vorwürfe an diesem Abend voll.

Zwei Stunden Musik, aber kein Statement von Lindemann

Und das Konzert? Zwei Stunden lang macht die Band Musik und eine Menge Lärm. Feuerbälle, Böller-Schläge, Konfetti-Regen zu stählerner Rockmusik: Es ist ein Spektakel - eines, das nur Rammstein beherrscht.

Nur die Penis-Kanone, auf der Till Lindemann sonst reitet, fehlt an diesem Abend. Und was noch fehlt: Ein Statement von Till Lindemann. Kein Wort zu den Vorwürfen. Nur bei der Zeile "Ich will, dass ihr mir vertraut. Ich will, dass ihr mir glaubt" lacht Lindemann kurz. Warum, bleibt sein Geheimnis.

Und dann kommt der Song "Deutschland". Ein DJ spielt ein fünfminütiges Intro. Die Band ist nicht auf der Bühne. In den Vorwürfen gegen Till Lindemann berichten mehrere Frauen, dass Lindemann sich in genau solchen kurzen Pausen unter der Bühne sexuell habe befriedigen lassen, es sei ein festes Ritual gewesen.

Als das Intro durch ist, kommt die Band zurück auf die Bühne, das Publikum singt frenetisch mit. "Deutschland" schallt es aus 60.000 Kehlen durch das Münchener Olympiastadion. Vielleicht eine Solidaritätsbekundung mit Lindemann?

Einige Songs sind angesichts der Vorwürfe schlicht absurd

"Deutschland", "links, zwo drei vier", "ein Mensch brennt" - es sind solche martialischen Lyrics gemischt mit Leni-Riefenstahl-Ästhetik, die Rammstein seit jeher Kritik einbringen.

Doch bisher hatte dieses Spiel einen doppelten Boden. Rammstein brach bewusst Tabus. Schönheitswahn, Dekadenz, Hypersexualisierung, Nationalismus - der Band gelang es oft, den Finger schmerzhaft in Wunden zu bohren, ohne sich selbst dabei zu ernst zu nehmen.

Doch dieser doppelte Boden ist bei diesem Konzert weg. Zeilen wie "Bestrafe mich", "Ich reiß der Puppe den Kopf ab", "Du riechst so gut" und "Fremde Länder, fremde Zungen" wirken absurd angesichts der Vorwürfe um sexualisierte Gewalt.

Doch, auch das wird an diesem Abend klar, das Publikum im Stadion liegt Lindemann textsicher zu Füßen. #Istandwithrammstein ist der Hashtag, unter dem Fans im Internet ihren Sänger in den letzten Tagen gegen die Vorwürfe in Schutz nahmen. In München zumindest steht das gesamte Stadion hinter Lindemann - und die Band wird hier noch dreimal spielen.

"München! Danke, dass ihr hier seid, und dass ihr bei uns seid", verabschiedet sich Lindemann am Ende.

"Man kann führen, man kann folgen." Man kann auch einfach auf andere Konzerte gehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.06.2023, 08:55 Uhr

Beitrag von Maximilian Ulrich

35 Kommentare

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  1. 35.

    Hallo, ja, da stimme ich zu. Keine einfachen Vorwürfe. Keine einfache Beweislage. Aber einfach vorverurteilen.

  2. 34.

    Was soll das? "und deren Fans schreien Naziparolen mit". Wer? Einer vorm Tore? Wollen Sie beim Ticketverkauf erst nen Gesinnungscheck einführen (Gesetzesgrundlage?) und Unerwünsche aussortieren (Gesetzesgrundlage?)? Das hieße, das Grundgesetz abzuschaffen.

    Jede:r kann ein Ticket erwerben! Bands haben keine Gesinnungsprüfung/Backgroundcheck durchzuführen.
    Und außerdem: Autor ist nicht Lyrisches Ich, Erzähler nicht Erzähltes.
    Es lebe die Freiheit der Kunst! Es leben Grund-, Freiheits-, Menschenrechte!

  3. 33.

    Vergleichen Sie mal mit metoo, Übergriffe durch Priester (gerade in der arte-Mediathek Film u Dokus), Sex-Nötigung im (Leistungs- u Vereinssport) – überall dauerte es oft Jahrzehnte, bis Menschen sich äußerten. Das hat Gründe, und deshalb wurden endlich auch Verjährungsfristen abgeändert.

  4. 32.

    Dass Sie die Band nicht mögen und auch nicht gewillt sind, sich zu der aktuellen Thematik sachlich zu äußern, ist angekommen.

  5. 31.

    Sie wollen es nicht verstehen oder?
    Es geht nicht um Aftershowpartys per se.

    Es geht darum, das Vorwürfe im Raum stehen. Und bis zu der Klärung der Vorwürfe wird präventiv in den dem Land Berlin unterstehenden Räumlichkeiten untersagt, Partys zu feiern, auf denen möglicherweise Straftaten begangen werden könnten (Konjunktiv!). Das ist erstens gutes Recht und zweitens sinnvoll. Das ist auch keine Vorverurteilung. Sondern einfach eine Vorsichtsmaßnahme.

    Und natürlich ist es der Band und den Fans überlassen, irgendwo im Hotel oder sonst wo eine Party steigen zu lassen. Ist ja ein freies Land!

    Ein freies Land, in dem dann z. B. der Hotelmanager auch sagen kann: Nö, hier darf es keine Party geben. Und so weiter.

    Das ist weder Hetze noch Unterstellung noch sonst was: Sondern eine Vorsichtsmaßnahme aufgrund real existierender Äußerungen zu physischer Gewalt. Ob die Äußerungen korrekt sind oder nicht spielt präventiv überhaupt gar keine Rolle.

  6. 30.

    Ich glaube einen besseren Kommentar habe ich zu diesem Thema noch nicht gelesen, Danke.

  7. 29.

    Als ob das wesentlich wäre. Wenn was schief läuft,dann wohl bei dieser Band.
    Aber wer die nicht mag und auch nie mochte, kann sich zurücklehnen. Die demontieren sich gerade selbst und deren Fans schreien Naziparolen mit. Die Anschuldigungen werden vor Gericht geklärt werden und egal wie es ausgeht, diese Musiker werden der Vergangenheit angehören. Dass es auch Fans gibt,die nicht im der Herde hinterher laufen....wenigstens einige zum Glück

  8. 28.

    Diese PR funktioniert doch wunderbar. Bessere Werbung geht nicht für RAMSTEIN. Und die Aussage , das weibliche Fans geschützt werden, indem eine Aftershowparty nicht stattfindet. Ich denke es gibt auch in München mehrere Locations wo Mann nach einem Konzert feiern kann.

  9. 27.

    Ja. Mensch! Vielleicht, weil die für Kultur bzw. den Familie/Frauen (und deren Schutz) zuständig sind?
    Frau Spranger ist von der SPD. Und: Zuständig!

    Sie haben halt was gegen die Grünen. Und ja: Das ist eine Unterstellung, so wie Sie den Grünen etwas unterstellen. Finden Sie sich damit ab.

    Kleiner Tipp: Die von Ihnen erwähnten sind ALLES Frauen! Himmel! Schnell! Basteln Sie eine Verschwörung daraus!!! Nicht, dass die Frauen merken, dass sie in der Mehrzahl sind….

  10. 26.

    Lieber Maximilian Ulrich. Chance vertan. Alles falsch gemacht. Der schlechteste Beitrag zum Thema überhaupt.

  11. 25.

    Treffer!!! Mehr gibt's dazu wirklich nicht zu sagen... Melde mich freiwillig für das nächste Helene Fischer Konzert...

  12. 24.

    "Man kann auch einfach auf andere Konzerte gehen."
    Für die Einen muss es Rammstein sein, den Anderen reicht Stahlmann. Jeder wie er mag. Ich sag' immer ...
    Oh schütze mich vor Sturm und Wind und Liedern die von Ötzis sind.

  13. 23.

    stimmt.Aber Problematisch ist an „mee too“dass die Opfer sich lange nach einem solchen Vorkommniss melden ,wo Erinnerungslücken bestehen können oder einfach die Unwahrheit gesagt wird mutwillig oder unbewusst und irrtümlich ohne Vorsatz.Mit Zeugen sieht es genauso aus oder physischen Beweisen. Die Aussage jetzt von K.Sh.ist da schon sehr schwammig aber Medienwirksam.Stars kennen lernen wollen viele, nur wenigen gelingt es,aber dass eine After Show Party zwingend in eine Orgie endet und Mädels das mitmachen müssen weil sie dass nun vorher wissen müssen ist krass. Die haben das Recht auch ihre Meinung zu ändern und dann nein zu sagen...aber allerdings nicht rückwirkend..

  14. 22.

    Na Hauptsache man schlägt mir wegen meines Rammsteinsymbols nicht noch die Heckscheibe ein....

  15. 20.

    Liebes radioeins Team!
    Ich finde es schon sehr erstaunlich, daß Ihr jemanden zu einem Konzert schickt, der die Band (egal welche) nicht mag! Der berufsempörte Max Ullrich war definitiv keine gute Wahl um über dieses Konzert zu "berichten". Ihm ging es ja ganz offensichtlich auch nicht um's Konzert an sich, sondern - es ging einzig und allein um die (nicht bewiesenden!)Vorwürfe! Was soll das, was wollt Ihr uns damit sagen? Das nur der ein guter ist, der seine Karten jetzt zurückgibt?
    Was/wer kommt als nächstes? Sarah Bosetti macht 'ne Kritik zu den "Böhsen Onkelz" und Florian Schröder zu "Freiwild"? Nicht falsch verstehen, liebe "M" und "M's", ich kann mit dieser Musik auch nichts anfangen ,aber jeder wie er mag! Und solange Vorwürfe nicht bewiesen wurden, sind sie das was sie sind: Vorwürfe- nichts weiter! Ich würde mich auch bereit erklären, für Euch vom nächsten "Grönemeyer" Konzert zu berichten, das wäre genauso "objektiv" wie Ullrich über Rammstein....

  16. 19.

    Sie haben ein merkwürdiges Rechtsverständnis. Rammstein ist übrigens alles andere als rechts. Dass es unter den Anhängern auch Rechtsextreme gibt, zeigt lediglich (einmal mehr), dass Rechtsextreme dumme Menschen sind und nicht einmal merken, wenn Sie nicht willkommen sind. Allerdings hat das alles nichts mit der aktuellen Thematik zu tun. Und die wirkt schwer. Mir als Rammstein-Fan bereitet das Bauchschmerzen. Aktuell greifen noch meine Selbstschutzmechanismen, weil die Faktenlage unklar ist. Und dennoch beschäftigen mich die Fragen "Wie gehe ich damit um, wenn tatsächlich...?". Ich bitte alle, den (drohenden) inneren Konflikt der Fans nicht zu unterschätzen. Aber ich verachte auch alle Fans, die diesen Konflikt nicht haben (werden). Entscheidend wird (vermutlich) für mich sein, ob die Grenzen, die es in dem Business noch gibt, überschritten wurden. Denn die Form des Machtmissbrauchs (wenn es denn einer ist), als "Idol" Sex mit Fans zu haben, gab es quasi schon immer.

  17. 18.

    Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat München, die Bundesfamilienministerin Paus, die Kulturstaatsministerin Roth
    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/rammstein-konzert-muenchen-104.html
    Also das sich Bundespolitiker und auch Komunalpolitiker dazu vor einer rechtsstaatlichen abgeschlossenen Untersuchung dazu äußern müssen sehe ich nicht.

  18. 17.

    Till Lindemann hat hat nach der Zeile live schon immer kurz gelacht solange ich zu Rammstein gehe

  19. 16.

    Den Satz finden Sie bedenklich?

    Dass am Rande der Show „Arbeit macht frei“ gerufen wird, nicht?

    Oh.

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