Konzertkritik - Konstantin Wecker spielt im Nikolaisaal den Soundtrack seines Lebens
Seit mehr als 50 Jahren steht Konstantin Wecker jetzt schon auf der Bühne, hat viele Höhen und Tiefen erlebt. Zusammen mit dem Pianisten Jo Barnikel war der streitbare Sänger am Dienstagabend zu Gast in Potsdam. Silke Mehring war dabei.
Er beschwört und betört – von der ersten Strophe an spinnt Konstantin Wecker sein Publikum ein in einen wärmenden Kokon aus Klang und Poesie. Die Kälte der Welt – sie muss draußen bleiben an diesem Abend im Potsdamer Nikolaisaal. Denn Konstantin Wecker hat ihn wieder mitgebracht, seinen unverbrüchlichen, zärtlichen Traum von einer besseren Welt. Seit mehr als 55 Jahren träumt der Liedermacher und Poet ihn schon musikalisch.
Körperlich etwas geschwächt - aber innerlich stark
Seine Stimme klingt prägnant und kräftig wie eh und je. Aber er sieht schmal aus, wie er mit gebeugten Schultern auf der kleinen schwarzen Bühne steht. Vor zwei Monaten hat er sich einen Wirbel gebrochen und muss seinen Rücken schonen. Wo Konstantin Wecker früher auch mit körperlicher Präsenz seine Wucht entfaltet hat, muss er jetzt komplett aus dem Inneren schöpfen. Aber das ist kein Problem für ihn – die Melodien und Texte fliegen ihm nur so zu, seit Jahrzehnten schon.
Weltfrieden scheint zum Greifen nah
Konstantin Wecker hat seine musikalischen Memoiren mitgebracht- verpackt in spitzbübische Anekdoten und tröstliche Gedichte. Er zitiert Bachmann und Trakel, Hüsch und Hildebrandt. Sein Publikum hängt dem weisen Mann begierig an den Lippen.
Denn der mittlerweile 76-jährige hat das pralle Leben gelebt, von dem er singt und spricht – im Positiven wie im Negativen: Kokainsucht, Gefängnis, Liebschaften, Kinder. Und während er auf der Bühne ganz beseelt davon schwärmt, was wir von unseren Kindern, ihrer bedingungslosen Liebe, ihrem Staunen und ihrer Lebenslust lernen können, scheint der Weltfrieden im Nikolaisaal plötzlich zum Greifen nah.
So sanft ist er im Laufe der Jahrzehnte geworden, dieser einstmals so wilde und ungestüme Konstantin Wecker. Wie er seinem kongenialen Pianisten Jo Barnikel gegenüber im Lichtkegel vor seinem Flügel sitzt, scheint er geradezu von innen zu leuchten. Dieser Mann beruhigt spürbar Geist und Gemüt – und wirkt damit geradezu therapeutisch. Sturm und Drang haben sich verwandelt in soften Sturm, Gesang und Klang. Weckers Wut im Bauch ist einer Weichheit und Versöhnlichkeit gewichen.
Weckers Publikum träumt mit ihm
Und trotzdem ist da neben seiner poetischen auch noch seine politische Kraft: Die kommt zum Vorschein in Liedern wie "Willy" oder "Sage Nein". Es geht – wie so oft bei ihm, ums Einmischen, darum, Standpunkte zu vertreten, sich nicht wegzuducken. Pazifistisch, antikapitalistisch, gegen Nazis und Patriotismus ist er, schon immer gewesen – so tickt der Wecker.
Was er auf die Bühne bringt, ist der Soundtrack seines Lebens. Es ist der Soundtrack eines Träumers. Der die Welt und ihre Grausamkeiten kennt. Und sie trotzdem liebt. Und seinen unverbrüchlichen, zärtlichen Traum von einer besseren Welt trotzdem träumt, gegen jede Vernunft. Und sein Publikum träumt mit ihm. Für knapp drei Stunden wird sein Traum an diesem Abend Wirklichkeit für alle, die daran glauben wollen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.03.2024, 7:55 Uhr