Ausstellung im Kunsthaus Dahlem - Andreas Mühe schafft ein Bällebad aus Bunkern

Fr 07.06.24 | 14:52 Uhr | Von Marie Kaiser
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Die Ausstellung "Bunker. Realer Raum der Geschichte ist noch bis 6. Oktober 2024 zu sehen im Kunsthaus Dahlem. (Quelle: rbb/Marie Kaiser)
Bild: rbb/Marie Kaiser

Für seine neue Ausstellung "Bunker" geht der bekannte Fotograf Andreas Mühe neue Wege. Im Kunsthaus Dahlem hat er eine ungewöhnliche Installation eingerichtet: Eine Art Bällebad aus kleinen Kuschelbunkern. Von Marie Kaiser

Ein graues Meer wogt im Kunsthaus Dahlem. Wer die Schuhe auszieht, darf vom Beckenrand in dieses riesige Bällebad aus kleinen Kuschelbunkern springen. Es ist die erste große Installation, die Andreas Mühe geschaffen hat. Der Künstler ist eigentlich bekannt für seine analogen und streng durchkomponierten Fotografien. Viele kennen seine Fotoserie "Deutschlandreise", die vermeintlich die damalige Kanzlerin Angela Merkel zeigte. Tatsächlich setzte Mühe jedoch seine eigene Mutter, die Regisseurin und Theaterintendantin Annegret Hahn, als Double ein.

Banana Bunker, Burger Bunker oder Handschmeichler Bunker

In seiner neuen Ausstellung "Bunker - Realer Raum der Geschichte" wagt sich Andreas Mühe auf neues künstlerisches Terrain. Er ließ elf verschiedene historische Bunkermodelle von der Kösener Spielzeugmanufaktur in Kuscheltiergröße nähen und bedeckte den Boden des Kunsthauses Dahlem mit unzähligen dieser Kuschelbunker. Sie tragen poetische Namen wie Banana Bunker, Burger Bunker oder Handschmeichler Bunker. Der Ausstellungsort ist bewusst gewählt und bis unters Dach mit Geschichte aufgeladen. Im Kunsthaus Dahlem, einem ehemaligen NS-Propagandabau, arbeitete einst Hitlers Lieblingskünstler Arno Breker an monumentalen Skulpturen.

Monumental vs. kuschlig

Genau das Gegenteil von Monumentalität sucht Andreas Mühe nun mit seinen Kuschelbunkern. "Der Bunker ist groß, schwer, massiv, unhandlich, unzerstörbar, unbeweglich. Ein Fremdkörper an jedem Fleck, wo er steht, weil er da nicht hingehört. Das Kuscheltier ist klein und weich. Dieser Gegensatz reizte mich", erklärt Andreas Mühe im Gespräch mit rbb|24.

Die Ausstellung eröffnete ganz bewusst am 6. Juni 2024, dem 80. Jahrestag des D-Days, an dem die Alliierten in der Normandie landeten. Das war Andreas Mühe wichtig. "Der D-Day ist der Tag der Entscheidung, der Tag der Aktion. Inbrünstige junge Männer stiegen in die Wellen, um Europa vom Faschismus zu befreien, mit der Hilfe von Amerika, Kanada, Polen, England und Frankreich. Es ist für mich die Geburtsstunde Null Europas", erklärt der Künstler.

Infos zur Ausstellung

Die Ausstellung "Bunker. Realer Raum der Geschichte" ist noch bis zum 6. Oktober 2024 im Kunsthaus Kunsthaus Dahlem zu sehen. Geöffnet ist sie an allen Tagen außer dienstags. Der Eintritt kostet 6 Euro, ermäßigt 4 Euro.

Bunker als geballte Geschichte

Die vielen Bunker haben den passionierten Surfer Andreas Mühe schon bei seinen ersten Reisen an den Atlantik beeindruckt. "Da steht geballte Geschichte. Man muss sich zwangsläufig mit diesen Bunkern auseinandersetzen. Allein, wenn man bedenkt, was an Beton und Kies bewegt werden musste, um diese massiven Bunker herzustellen. Es brauchte 100.000 Zwangsarbeiter, die Blut, Schweiß und Tod in sich getragen haben, um diesen Wall zu erbauen, der das angebliche 1000-jährige Reich schützen sollte. Und dann wird dieser Schutzwall am D-Day innerhalb von 24 Stunden einfach eingerissen und es entsteht der für mich größte demokratische Gedanke einer Einigung Europas mit dem 6. Juni 1944."

"Im Dunkeln ist gut munkeln"

Andreas Mühes Faszination für Bunker reicht bis in seine Kindheit zurück. 1979 wurde er in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) geboren und zog Anfang der 1980er Jahre nach Berlin. Auf dem Spielplatz seines Kindergartens in Schöneweide gab es damals tonnenförmige Spielhütten, die ihn an Iglus, aber auch an kleine Einmann-Bunker erinnerten, mit Luftlöchern und einem kleinen Eingang.

"Wenn man da drin sitzt, ist der Blick auf die Welt gestört, weil nur noch kleine Löcher und kleine Schlitze da sind, um die Welt zu betrachten", erinnert sich Andreas Mühe. "Als Kind habe ich das als wunderbar empfunden, weil man sich darin verstecken und seinen kindlichen Spaß ausleben kann. Im Dunkeln ist gut munkeln."

Mühe fand heraus, dass diese paramilitärisch anmutenden Spiel-Iglus von der Gestalterin Ursula Münch entworfen wurden und ließ drei von ihnen eigens für die Ausstellung nachgießen. In Pistaziengrün, Zuckerwatterosa und Babyblau thronen die Iglus inmitten des Bunker-Bällebads und lassen die Installation noch mehr wie einen Spielplatz wirken. Aber wünscht sich der Künstler wirklich, dass Familien in die Ausstellung kommen und Kinder hier toben, Bunker durch die Luft werfen oder gar mit ihnen kuscheln?

Kinder flitzen über die Fetzen der Geschichte

"Ich wünsche mir das ganz ungemein. Es ist ein Bühnenbild, das ich geschaffen habe und ich habe hier schon Kinder drüber flitzen, springen, werfen, lachen sehen. Es ist ein schönes Bild, mit etwas Abstand betrachtet, diese Kinder hier über die Ruinen oder über die Fetzen unserer Geschichte steigen zu sehen", sagt Mühe. Es sei aber auch spannend zu beobachten, wie sich andere Personen zaghaft über diese Bunker bewegen. Ihnen wird der Boden weggerissen und der Halt ist nicht mehr da.

Nur wer ein Bad im Bunker-Meer nimmt und das Risiko eingeht, über diese Fetzen der Geschichte zu stolpern, hinzufallen und sich zum Affen zu machen, gelangt zur Empore, wo fünf großformatige Fotos von Bunkerbeschussplatten zu sehen sind. Diese Fotografien zeigen, wie sich Geschichte ganz konkret ins Material des Betons einschreiben kann. Diese Fotos, die uns die Spuren der Geschichte vor Augen führen, geben dem Bunker-Bällebad ein Gegengewicht, das der Ausstellung guttut.

Bleibt nur noch eine Frage an den Künstler: Hatte Andreas Mühe während der Vorbereitung der Ausstellung nie Zweifel, dass die Kuschelbunker etwas zu niedlich geraten könnten? Dass er mit Themen wie dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg vielleicht doch etwas zu spielerisch umgeht? Der Künstler sagt dazu nur so viel: "Wenn in ferner Zukunft die zukünftige Kanzlerin auf ihrer Auslandsreise statt einer Friedenstaube einen Kuschelbunker mitbringt und dazu lächelt und Diplomatie in die Welt trägt, dann wäre vielen Menschen in Europa schon sehr geholfen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 7.6.2024, 14:55 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

2 Kommentare

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  1. 2.

    Wie und wann genau die (scherzhafte) Frage „Ist das Kunst oder kann das weg? “ entstanden ist, ist nicht bekannt. Meist wird aber die unabsichtliche Zerstörung zweier Kunstwerke des Künstlers Joseph Beuys (1921 – 1986) als Ursprung genannt.

  2. 1.

    Von wem ist eigentlich dieser Spruch: "Ist das Kunst oder kann das weg?"

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