Tag der Industriekultur - Altes Zechen- und Badehaus Brieske erwacht für einen Tag zum Leben

Fr 09.08.24 | 14:55 Uhr | Von Nico van Capelle
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Roland Schultz steht an den Ketten, an denen die Kleidung angehangen und unter die Decke wurde (Foto: rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 09.09.2024 | Nico van Capelle | Bild: rbb

Jahrzehntelang haben sich im Zechen- und Badehaus Brieske Bergleute umgezogen - nun wird es zum Landkreis-Archiv umgebaut. Die Arbeiten laufen. Doch zum Tag der Industriekultur werden Besucher nochmal alles so vorfinden wie vor über 30 Jahren. Von Nico van Capelle

Roland Schultz wirkt ganz klein, als er das so genannte Kettenbad im Zechenhaus betritt. "Das altehrwürdige Gemäuer hier in Brieske, das roch nach Seife, das hat nach herbem Männerschweiß gerochen." Von der zehn Meter hohen Decke hängen hunderte Ketten. "Es ist nicht mehr funktionstüchtig, aber der Staub der Jahrzehnte hat sich hier noch ein bisschen erhalten."

Das letzte Mal haben sich hier, im Senftenberger Ortsteil Brieske (Oberspreewald-Lausitz), vor 33 Jahren hunderte Arbeiter zum Schichtwechsel umgezogen. Danach wurde das Gebäude aus dem Baujahr 1909/1910 vorübergehend als Firmenarchiv genutzt. Seit 1999 steht es leer. Ein Industriedenkmal im Winterschlaf. Doch in wenigen Jahren soll sich das ändern.

Blick Richtung Decke, von der viele Ketten herabhängen, an denen die Arbeitskleidung hochgezogen wurde. An einer Kette hängt ein Helm (Foto: rbb)
Blick im Kettenbad Richtung Decke | Bild: rbb

Baugerüste wurden bereits aufgestellt, doch sonst hat sich seit 1991 kaum etwas verändert. "Tja, das ist, wie soll ich sagen, für mich persönlich wie so eine Zeitreise, eine Reise in die eigene Vergangenheit, also über 40 Jahre zurück", sagt Roland Schultz beim Gang durch das Kettenbad.

Statt die Wäsche in Spinde zu legen, hingen die Bergarbeiter sie auf Haken, die dann an Ketten bis unter die Decke hochgezogen wurden. Danach konnten man die Kette mit einem Schloss sichern, so dass nur der Besitzer herankam. "Ich habe mich über zehn Jahre hier umgezogen, war ja zehn Jahre noch tätig", sagt Roland Schultz, der in der Industriekathedrale als Mechaniker gearbeitet hat. "Dann kam halt die Wende und das wurde alles abgewickelt."

Luftaufnahme des Zechen- und Badehauses Briekse (Foto: rbb)
Bild: rbb

Der Gang durch das alte Gemäuer ist für Schultz "schon irgendwie auch emotional", sagt er. "Also mir kommen jetzt nicht die Tränen, aber irgendwie ist es emotional doch ergreifend."

Platz für tausende Archiv-Objekte und Glassammlung

Ab 2026 soll das Zechenhaus saniert werden, das zum Braunkohlekombinat Senftenberg gehört hat. Der Landkreis will es nutzen. "Geplant ist, im Zechenhaus das Zentraldepot des Landkreises mit Archiv und Kulturort zu etablieren", teilte der Bergbausanierer LMBV bei der Übergabe des Gebäudes an den Landkreis 2022 mit.

Luzie Doering leitet das Projekt. Es gebe ein vielseitiges Nutzungskonzept, sagt sie. "Wir haben über 30.000 Objekte, die hier untergebracht werden sollen. Die sind zurzeit noch sehr verstreut gelagert. Und wir haben eine sehr große Glassammlung, die hier natürlich super inszeniert werden kann." Darüber hinaus sammle das Archiv viel Alltagskultur sowie Objekte, die etwas mit Braunkohle und der Bergbautradition zu tun haben.

Luzie Doering öffnet ein Fenster im Zechen- und Badehaus Brieske (Foto: rbb)
Luzie DoeringBild: rbb

20 Millionen Euro fließen in das zukünftige Museum. Es sind Mittel aus dem Strukturwandelfonds. "Die Lausitz ist ja eine Region, die ständig im Wandel ist. Und wir als Museen haben ja die Aufgabe, ein Erinnerungsspeicher zu sein."

Es gehe im Museum aber nicht nur darum, die Vergangenheit zu sammeln. "Dadurch, dass wir hier auch verschiedene Projekte umsetzen, können wir die Region wiederbeleben", sagt Doering. Geplant seien Konzerte, Projekte für Kinder und für Senioren. 2028 sollen die Sanierung und das Museum fertig sein.

Ein Baugerüst steht im Zechen- und Badehaus Brieske (Foto: rbb)
Die Bauarbeiten laufen | Bild: rbb

Teil davon ist auch die Geschichte von Roland Schultz. "Wer die Vergangenheit nicht kennt, versteht die Gegenwart nicht und kann die Zukunft nicht gestalten." Das treffe irgendwie auch auf ihn zu, sagt er. "Das war der Beginn meines Berufslebens - und jetzt stehe ich ja fast am Abschluss. Ich werde in diesem Jahr 62. Da sieht man doch selbst, wie schnell das Leben eigentlich auch vergeht."

Über 30 besondere Industrieorte öffnen Türen

Zum "Tag der Industriekultur" am 10. August erwacht auch das Zechen- und Badehaus noch einmal zum Leben. Von 10 bis 14 Uhr werden Führungen durch das Denkmal angeboten. An Wände werden historische Aufnahmen aus dem Industriekomplex projiziert. Für die entsprechende Atmosphäre soll auch eine Soundinstallation sorgen, bei der die passenden Geräusche zur historischen Umgebung abgespielt werden.

Roland Schultz schaut sich eine Projektion an einer Wand an (Foto: rbb)
Roland Schultz steht vor einer Diaprojektion | Bild: rbb

Der Tag der Industriekultur findet brandenburgweit immer am zweiten Augustwochenende statt. In diesem Jahr öffnen über 30 besondere Gebäude ihre Türen für Besucher, damit sie Industriegeschichte erleben können. Das komplette Programm steht im Internet [reiseland-brandenburg.de].

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.08.2024, 14:10 Uhr

Beitrag von Nico van Capelle

3 Kommentare

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  1. 3.

    Das Zechenhaus wird nicht "zerstört". Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Ein Großteil der historischen Substanz bleibt als Zeitzeugnis erhalten. Durch die Sanierung und Nutzung als Museumsdepot und Kultur- und Veranstaltungsort wird das Zechenhaus für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

  2. 2.

    Da wird ein historischer Ort zerstört, um ein Museum einzurichten. Das muss man auch erst mal hinbekommen.

  3. 1.

    Solche Orte sind wichtig, Geschichte zum anfassen.
    Da kann Opa den Enkeln, falls sie wollen, vom Leben vor dem Internet erzählen.

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