Umstrittener Berliner Fußballprofi - Wie in der österreichischen Liga mit dem Fall Boateng umgegangen wird

Fr 13.09.24 | 11:01 Uhr | Von Lynn Kraemer
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Fußballer Jerome Boateng fasst sich im LASK-Trikot an den Kopf, im Hintergrund Pyrotechnik (Bild: picture alliance /WERNER KERSCHBAUMMAYR/fotokerschi/picturedesk.com)
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Der gebürtige Berliner Jerome Boateng spielt inzwischen in Linz. Wegen Vorfällen in seinem Privatleben ist der Ex-Nationalspieler umstritten. In Österreich gibt es Applaus, aber auch "Frauenschläger"-Rufe und anderen Protest. Von Lynn Kraemer

Der umstrittene Berliner Fußballprofi Jerome Boateng hat wieder einen neuen Verein. Im Mai unterschrieb er beim Linzer Athletik-Sport-Klub (LASK). Seit dem Transfer wird allerdings weniger über seine Leistungen als seine Vergangenheit diskutiert: Soll ein Fußballer, über den seine Ex-Partnerinnen wiederholt Gewaltvorwürfe äußerten, weiter professionell spielen dürfen?

Der LASK ist nicht der erste Fußballklub, der diese Frage für sich mit "Ja" beantwortete. Der Ex-Nationalspieler stand von 2021 bis 2023 bei Olympique Lyon unter Vertrag. Danach trainierte er zwischenzeitlich wieder beim FC Bayern München, für den er bereits knapp zehn Jahre gespielt hatte.

Bayern-Sportdirektor Christoph Freund sagte damals: "In erster Linie spielen sportliche Überlegungen eine Rolle. [...] Es gibt da aktuell ein Verfahren, aber aktuell ist das ausgesetzt und darum ist das auch seine private Geschichte. Deshalb ist das kein großes Thema für uns." Die Fans des Rekordmeisters reagierten mit viel Kritik. Letztlich sah der FCB von einer Verpflichtung ab, weil sich die Verletzungssituation im Kader entspannte. Boateng wechselte schließlich nach sechs Monaten Vereinslosigkeit zum süditalienischen Klub US Salernitana 1919.

Empörungswelle nach Transfermeldung

Nach dem Abstieg des italienischen Erstligisten verabschiedete sich Boateng und wechselte nach Österreich. LASK-Geschäftsführer Siegmund Gruber bezeichnete den Transfer in einem Vereinsstatement am 31. Mai als "absoluten Wahnsinn" und den 36-Jährigen als "einen international begehrten Ausnahmespieler und Vorzeigeathleten" [lask.at].

Die Reaktionen auf dem Instagram-Kanal des Vereins fielen anders aus. Neben zahlreichen Empfehlungen für den Spiegel-Podcast "NDA: Die Akte Kasia Lehnhardt" wurden in den Kommentaren die moralischen Werte des Vereins in Frage gestellt und Kotz-Emojis ("Beschämend!!!") geteilt.

Während in deutschen Medien ausführlich über die Gewaltvorwürfe gegen Boateng berichtet wurde, wurde der Weltmeister von 2014 in Österreich bis zu seinem Wechsel vor allem als Fußballer wahrgenommen. "Natürlich hat man die Geschichte gekannt und irgendwie verfolgt, aber das wirkliche Wissen über den Fall war bei Weitem nicht so groß wie in Deutschland", so Journalist Harald Bartl, der als stellvertretender Ressortleiter Sport bei den Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) auch über den Linzer ASK berichtet. Als das Thema durch den Wechsel präsent wurde, sei die Aufregung sehr groß gewesen.

Vorwürfe gegenüber Boateng

Wegen einer gewalttätigen Auseinandersetzung in einer früheren Beziehung befand sind Boateng sechs Jahre in einem Rechtsstreit. Das Landgericht München I verurteilte Jerome Boateng und verhängte im Juli eine Verwarnung mit Strafvorbehalt über 40 Tagessätze zu je 5.000 Euro. Ähnlich wie bei einer Freiheitsstrafe auf Bewährung muss Boateng die insgesamt 200.000 Euro nur zahlen, sollte er gegen seine Auflagen verstoßen. Die sehen vor, dass er jeweils 50.000 Euro an zwei gemeinnützige Einrichtungen zahlen muss, die sich für Kinder einsetzen. Die Staatsanwaltschaft München I legte erst Revision ein, zog sie Anfang September jedoch zurück. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

Auch wegen seines Verhaltens gegenüber seiner Ex-Partnerin Kasia Lenhardt steht Boateng noch immer in der Kritik. Lenhardt beging im Februar 2021 Suizid. Sie hatte ihm ebenfalls Körperverletzung vorgeworfen. Wenige Tage vor ihrem Tod veröffentlichte die Boulevardzeitung "Bild" ein Interview mit Boateng, in dem er sich abfällig über sie äußerte.

Zuletzt war Lenhardts Mutter gegen mehrere Interview-Aussagen vorgegangen und wollte Boateng gerichtlich verbieten, sie zu wiederholen. Die Argumentation: Boatengs Aussagen verfälschten das Lebensbild ihrer Tochter. In einem von sechs Punkten bekam sie vor dem Landgericht Berlin im November 2022 recht. Boateng darf seitdem nicht mehr behaupten, dass Kasia Lenhardt "Lügen" über ihn verbreitet habe.

Lenhardts Mutter klagte in zweiter Instanz vor dem Kammergericht, um auch die fünf weiteren Aussagen zu verbieten. Ende August entschied der Richter jedoch, dass die Aussagen "nicht derart schwerwiegend seien", dass sie untersagt werden müssten. "Für eine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs müsse eine Verletzung der Menschenrechte vorliegen", so Richter Oliver Elzer vom Kammergericht Berlin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, jedoch ließ das Gericht keine Revision zu. Lenhardts Mutter kann beim Bundesgerichtshof Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen. [Update, 13.09.2024: Wie der anwaltliche Vertreter von Adrianna Lenhardt nach Veröffentlichung dieses Beitrags mitteilte, wurden beim Bundesgerichtshof bereits Rechtsmittel eingelegt.]

LASK sitzt Kritik aus

Auf dem LASK-Fanblog "seit1908" wurde einen Tag nach der Transfermeldung ein Gastkommentar veröffentlicht, der an beide Fälle erinnerte und die sofortige Vertragsauflösung forderte. "Es kann und darf nicht sein, dass sich einige wenige immer wieder über jeglichen Wertekanon hinwegsetzen und damit unseren Verein in ein Licht rücken, das dem Image des Vereins nachhaltig schadet. Misogyne bzw. häusliche Gewalt ist dabei keine Privatsache, Täterschutz kein Kavaliersdelikt", schrieb die Gastautorin [seit1908.at].

Bei einem Freundschaftsspiel der Fußballerinnen von Blau-Weiß Linz/Union Kleinmünchen gegen den LASK am 2. Juni zeigten Fans Banner mit den Aufschriften "Gratuliere Dr. Gruber zu den neuesten Transfer-Schlagzeilen" [gemeint ist LASK-Geschäftsführer Siegmund Gruber] und "Keine Bühne für Täter! Ruhe in Frieden Kasia!". Eine Trainerin des FC Blau-Weiß Linz trug aus Protest den Namen von Lenhardt in großer Schrift auf dem Rücken ihrer Jacke. Die LASK-Verantwortlichen reagierten nicht auf die Kritik und warteten ab.

Bis zum ersten Spiel des Innenverteidigers vergingen noch einige Monate. Zum Saisonstart fiel Boateng mit Adduktorenbeschwerden aus und wurde erstmals am 17. August gegen RB Salzburg in der 82. Minute eingewechselt – unter Applaus. Den hatte es auch schon bei seiner Präsentation gegeben. "Die Reaktionen waren sehr positiv. Ich sehe bei Heimspielen sehr viele Jerome-Boateng-Trikots, die getragen werden", so OÖN-Journalist Harald Bartl. Einen stillen Protest könne er aber nicht ausschließen. Das österreichische Fußball-Magazin "90minuten" veröffentlichte Ende August ein Ranking der beliebtesten Trikots der Bundesligisten. Laut LASK ist das Trikot von Jerome Boateng ihr Verkaufsschlager [90minuten.at].

Pfiffe und Rufe in Wien

Auswärts fallen die Reaktionen auf Boateng anders aus. Die Anhänger von Austria Wien pfiffen den Innenverteidiger beim Bundesliga-Spiel am 25. August aus und riefen "Frauenschläger", als er eingewechselt wurde. "Es wurde am Tag des Spiels in den Wiener Medien sehr stark thematisiert", sagt Bartl. Auch bei Auswärtsspielen bei Rapid Wien oder Sturm Graz rechne er mit ähnlichen Reaktionen. Doch: "Es gibt dann zahlreiche Vereine, die deutlich kleiner sind, da ist das Publikum auch anders."

Boateng selbst äußerte sich Ende August erstmals zu den Pfiffen: "Die Reaktionen auswärts, dass da gepfiffen wird, das bin ich gewohnt, das hat es ja früher mit den Bayern gegeben. Das macht nichts mit mir, außer mich zu motivieren", so der 36-Jährige in einem OÖN-Interview. Und weiter: "Warum soll ich nicht mehr Fußball spielen dürfen? Ich kenne keine Begründung dafür."

Es ist eine Frage, die bleiben wird. In Linz ist sie jedoch aus dem Fokus gerückt. Der LASK steht nach drei Punkten aus fünf Spielen auf dem vorletzten Tabellenplatz. "Das Thema Boateng ist mittlerweile der sportlichen Misere des LASK ein bisschen gewichen", sagt Bartl.

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Beitrag von Lynn Kraemer

11 Kommentare

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  1. 11.

    Wir hatten in Berlin 2 Femizide, 1 Angriff auf eine Frau, in der Schweiz wurde die Finalistin von „Miss Switzerland“ nun auf unsagbare Weise ermordet, weiter zu dem erschütternden Fall in Frankreich. Ich kann dieses „NotAllMen“ nicht mehr hören, auch hier wieder in der Kommentarspalte. Auch in Bezug auf Boateng kann ich es nicht mehr hören, oder die 100 anderen Fälle. Wenn es doch nie alle Männer sind, warum schaffen es nie diese Männer sich solidarisch zu sein mit den Betroffenen von Partnerschaftsgewalt? Und ganz ehrlich, was Boateng gerade entgegen kommt nenne ich gesellschaftliche Konsequenz, die er aufgrund seines Verhaltens zu tragen hat. Es ist mehr als nur einmal und auch ggü mehreren Frauen gewesen.

  2. 10.

    Was sagt das über einen Verein aus, der aus dem Geschehen keine Konsequenzen zieht.
    Was sagen die, die diese Spieler huldigen, Kinderzimmer voll Bilder ihrer prügelden Stars hängen? Die Trikots dieser Personen tragen? Sind das noch Vorbilder?
    Es ist traurig, wenn ich hier lesen muss, wie einige hier von Resozialisierung fabulieren, sich mit diesen Schlägern symphatisieren und von "Berufsverbot" schwadronieren.
    Wie war der Aufschrei derjenigen groß, als zB. Reuß ohne Fahrerlaubnis erwischt wurde, aber Verständnis für den brutalen Frauenschläger zeigen. Selbst hier in Berlin, findet man für einen Schläger Verständnis, der sich unerlaubt von der Mannschft wegstahl, um sich zu besaufen und dann einen österreichischen Bürger krankenhausreif zu schlagen.
    Das sind Kriminelle und dienen nicht zu Vorbilder.
    Ihr seid peinlich und solltet Euren moralischen Kompass überprüfen.

  3. 8.

    Für den Beruf ist die Strafe irrelevant. In seinem Job hat er nichtmal was mit Frauen zu tun, so dass kein Arbeitgeber das Urteil berücksichtigen darf.

  4. 7.

    Ich war nicht dabei, also weiß ich nicht, was stimmt. Aber Berufsverbot ist kein Mittel, um eventuelle Entgleisungen von Männern zu ahnden (es sei denn die Handlung steht im Zusammenhang mit der Tätigkeit z.B. erwiesener Missbrauch bei Kinderbetreuung). Im Falle öffentlicher Personen ist die Presse nicht zimperlich und schnell mit Sensations“jounarlismus“ dabei.
    Von Kachelmann bis Vera Brühne lag man da oft schief.
    In den USA kann ein Mann, dessen Vergehen sogar unstrittig sind, Präsident werden. Da sollte man ein Berufsverbot wahrhaftig mal überdenken.

  5. 6.

    Der "Umstrittene[r] Berliner Fußballprofi" ist doch nur ein kleiner feiger Frauenschläger.

  6. 5.

    Nun übertreiben Sie mal nicht. Es wird darüber öffentlich in Medien diskutiert. Keiner der Beteiligten redet von Berufsverbot sondern nur ob Hr. Boateng zu dem "Leitbild" des potentiellen Arbeitgebers passt.
    Nicht mehr aber auch nicht weniger.
    Offensichtlich haben einige Vereine für sich beschlossen, dass es vertretbar ist.
    Also ein ganz normaler Vorgang wenn ein Geschäftsmodell eines Unternehmens (Fussballverein) vorrangig auf Medienpräsenz und Fangemeinde aufbaut. Da speilen nunmal nicht nur sportliche/fachliche Kriterien eine Rolle bei der Personalauswahl.
    Wie übrigens in fast jedem anderen Unternehmen auch guckt man mehr oder weniger intensiv auf die relevanten moralischen Werte der Mitarbeiter.

  7. 4.

    Ist er nicht rechtskräftig verurteilt worden wegen Gewalt gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin?
    Wissen Sie mehr ? Wurde das Urteil ausgesetzt? Spielen darf er , deswegen bleibt er trotzdem jemand dem die Hand wohl öfter "ausrutscht ".

  8. 3.

    Als Demokrat sollte man sich an die Ergebnisse der Rechtsprechung halten.
    Alles andere ist üble Nachrede bis Rufmord. Wir könnten auch zurück zu Lünchjustiz, mit Fackeln und Mistgabel. Ich bin jedenfalls dagegen.

  9. 2.

    Na, da haben wir aber Glück, dass Boateng in Berlin geboren ist, sonst würden wir ja garkeine Informationen über diesen Sachverhalt bekommen…

  10. 1.

    "Soll ein Fußballer, über den seine Ex-Partnerinnen wiederholt Gewaltvorwürfe äußerten, weiter professionell spielen "

    Was soll das den ? Wird jetzt versucht Berufsverbot für Straftäter durchzusetzen? Gilt nicht mehr das eir in eonem Rechtsstaat leben?

    Gilt nicht mehr der Vorrang von Resozialisierung vor Rache?

    Auch solche Berufsverbotsphantasien habe mehr mit der Afd zu tun als mit einer;; liberaler Demokratie.

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