Theater | Uraufführung am Deutschen Theater - Vorsteher, Vorstände – Wäscheständer
Shakespeares als misogyn geltende Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung" bürstet die Autorin Katja Brunner als "Der Zähmung Widerspenstigkeit" gegen den Strich – und landet bei pseudo-wütenden feministischen Sprach-Girlanden. Ein Desaster. Von Barbara Behrendt
Erste Szene: auf der gigantischen Videoprojektion eine Frau am Scheiterhaufen. "Tradition ist Gruppendruck von toten Leuten", schreit sie. Dies sei eine "Zerschreibung", für alle Katharinas und für Dorota, für die Kraft von Widerstand.
"Zerschrieben" werden soll an diesem Abend am Deutschen Theater Shakespeares heute als frauenfeindlich geltende Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung". Die junge Schweizer Erfolgsdramatikerin Katja Brunner hat daraus das Stück "Der Zähmung Widerspenstigkeit" gezimmert. Shakespeares Handlungsgerüst steckt noch rudimentär darin: Auch hier gibt es eine widerspenstige Katharina und eine liebliche, unschuldige kleine Schwester Bianca, die erst verheiratet werden darf, wenn Katharina unter der Haube ist. Doch während Katharina im Original vom Ehemann "gezähmt" wird, mit dem Entzug von Schlaf und Nahrung, darf die Schauspielerin Regine Zimmermann sich als Freigeist Katharina gänzlich uneitel im Teich wälzen.
Irgendwas mit Frauenfeindlichkeit
Sieben Frauen stehen auf der Bühne, manche als männliche Brautwerber – allerdings, da hinkt es schon, mit weiblichen Figurennamen: aus Hortensio wird Hortensia, aus Petruchio eine Petruchia. Plumpes Patriarchat spielen sie trotzdem nach. Jüngere Menschen, die für den Hipster-Feminismus von Katja Brunner und der Regisseurin Pinar Karabulut ins Theater kommen und ihren Shakespeare nicht aus der Westentasche ziehen können, geraten da vermutlich ins Schlingern. Aber so genau nehmen es die beiden nicht: irgendwas mit Frauenfeindlichkeit halt, kann man ja bei Wikipedia nachlesen. Und muss es auch – wie so vieles an diesem Abend.
Shakespeare bietet nur das Sprungbrett, um Katja Brunner von anderen Dingen schreiben zu lassen. Von Dorota etwa. Wer ist Dorota? Auch das sollte man besser vorher nachgelesen haben. Dorota L. aus Potsdam wurde 2020 von ihrem Ehemann in einem Teich ermordet. Deshalb steht auf der Bühne ein kleiner, seichter Tümpel neben all den Vorhängen, die als Video-Projektionsfläche dienen.
"Watch and learn!" Was gibt’s da zu lernen?
Dorota wird von ihren sechs Mitspielerinnen befragt, wie es denn nun war, als ihr Licht ausgeknipst wurde. Doch Dorota hat noch gar nicht verstanden, dass sie tot ist. Und das Publikum muss rätseln, was geschehen ist.
Bis der große Überbau an die Wand geworfen wird: die Zahl 938. Die Anzahl an Frauen, die im vergangenen Jahr in Deutschland bei einem Femizid getötet worden sind oder den Versuch eines Femizids überlebt haben. "Watch and learn" empfehlen die Frauen Dorota. Sie soll zuschauen, wie Shakespeare "zerspielt" wird und den feministischen Diskursen lauschen. Brunner legt nah, dass die Eheschließung der Anfang des Femizids ist bzw. sein kann – wenn man etwas derart Konkretes überhaupt aus ihrem fragmentarischen Text herauslesen will.
Kalauer und angestrengt ironische Diskurse
Denn Katja Brunner verliert sich in verkünstelten Sprachspielen à la Elfriede Jelinek, die allerdings Jelineks Schärfe und Klarheit vermissen lassen. Gott, heißt es da einmal, töte ja auch, wenn er Lust dazu habe. Warum also soll das nicht auch der Mann dürfen? "Und so ist das drum auch mit allen Vorstehern und Vorständen und Ständern! Aber nicht mit den Wäscheständern! Die sind Zuschauende ohne Stimme! Die wählen nicht! Wählen hat mit Auswahl zu tun! Und oft mit Nachfrage! Wen soll ich noch was fragen?"
So kalauert sich Brunner dahin und führt angestrengt ironische Diskurse irgendwo in der neu-feministischen Bubble. Pseudo-radikale, pseudo-wütende Sprachgirlanden sind das, die mit dem Furor aus ihrem preisgekrönten Pädophilie-Drama von 2012 "von den beinen zu kurz", das einem in alle Eingeweide kroch, nichts zu tun haben.
Auch große Schauspielerinnen können nichts retten
Da können selbst große Schauspielerinnen nichts mehr retten. In einer Mischung aus Rokoko-Rüschen und Superwoman-Hotpants stehen sie als blutleere Klone auf der Bühne. Maren Eggert: hoffnungslos unterfordert. Regine Zimmermann darf als Shakespeares Katharina ein paar Pointen streuen, bevor dann alles mit viel Klamauk zum Weglachen und ein bisschen Punk-Rock (es soll ja "cool" sein) inszeniert wird.
Noch dazu paart die Regisseurin Pinar Karabulut das halbironische Diskurs-Geschwurbel mit opulenten Filmszenen, in denen die Schauspielerinnen durch den dunklen Wald gehetzt werden – schwer zu sagen, ob das als filmischer Emotionsbombast gedacht ist oder als "Tatort"-Persiflage.
Ein Desaster
Aber da ist das Desaster ohnehin schon angerichtet: Zwei junge, höchst erfolgreiche Frauen schreiben und inszenieren einen Theaterabend, der Gewalt und Mord an Frauen zum Thema hat – und haben dabei nichts als gekünstelte Diskurse, anämische Figuren und Kalauer zu bieten. Den Opfern (wie Dorota) eine Stimme geben? Von wegen.
Es bleibt: Achselzucken. Ausgerechnet an einem Tag, an dem Dominique Pélicot in Avignon zu 20 Jahren Haft verurteilt worden ist. Weil er seine Frau zehn Jahre lang mit mindestens 50 anderen Männern vergewaltigt hat. So kommt man dem Thema im Theater bestimmt nicht bei.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.12.2024, 7:55 Uhr
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