Kommentar | "Letzte Generation" am BER - Protest gegen unsere grausame Passivität
Die "Letzte Generation" hat auf dem BER bundesweite Empörung verursacht. Der Protest ist so schockierend und hässlich, weil er einen fundamentalen Widerspruch zwischen unserem Wissen und unserem Handeln entlarvt, kommentiert Franziska Hoppen
Bei der Debatte um die "Letzte Generation" liegt ein Missverständnis vor. Und das unterläuft gerade den Medien oft: Es ist das Missverständnis, dass Gewalt immer nur knallt. Da wird ein Zaun durchgeschnitten, ein Hochsicherheitsgelände gestürmt, da gibt's Chaos, krasse Bilder. Die Klima-Aktivisten sind die Gewalttäter. Wir sind die Opfer.
Auch Passivität ist Gewalt
Aber: Auch Passivität ist Gewalt. Die Entscheidung, Auto zu fahren und zu fliegen, die Entscheidung, ein "weiter so" zu leben, ist angesichts des Klimawandels eine politische Entscheidung. Der Unterschied: Den Zaun des BER durchzuschneiden hat sichtbare Folgen. Unsere Passivität bloß schleichende – Folgen, die erstmal Menschen anderswo auf der Welt treffen.
Und solange wir in den Redaktionen debattieren müssen, ob das Wort "Klima-Krise" zu tendenziös ist, haben wir offensichtlich nicht verstanden, wie grausam unsere Passivität ist. Der Klimawandel verstärkt alle bestehenden Krisen: Armut, Flucht, Krankheit, Ungleichheit. Wir wissen sogar, dass Millionen von Menschen aufgrund unserer Untätigkeit hungern, leiden und sterben, weil wir maximal halbherzig zum Beispiel für das 1,5 Grad Ziel kämpfen.
Klimawandel lässt sich nicht verdrängen
Auch das ist Gewalt, den Klimawandel so in einem Akt der kollektiven Verdrängung zu einem Randthema zu machen. Und sich einzig an den krassen Bildern vom BER aufzuhängen.
Der Protest der "Letzten Generation" wirkt so schockierend, so störend und hässlich, weil er diesen fundamentalen Widerspruch zwischen Wissen und Handeln sichtbar macht und damit unser Verdrängen und unsere Brutalität entlarvt. Und genau deshalb ist er auch richtig.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.11.2022, 18:00 Uhr