Tag der Arbeit in Berlin - Polizeipräsidentin spricht von "erstaunlich friedlicher" Demo - Kritik an Einsatz am Kotti
Tausende haben sich am Montag an Mai-Demonstrationen in Berlin beteiligt - die Lage blieb weitgehend friedlich. Die "Revolutionäre 1. Mai"-Demo durch Kreuzberg wurde vorzeitig beendet - den Vorwurf, die Teilnehmer eingekesselt zu haben, wies die Polizei zurück.
Hinweis: Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Wir berichten hier weiter über den Rückblick auf die Demos am 1. Mai in Berlin.
- Polizei: "friedlichster 1. Mai seit 1987"
- "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" vorzeitig beendet
- Polizei widerspricht Einkesselungs-Vorwurf
- Keine Zwischenfälle an neuer Polizeiwache am Kottbusser Tor
- Tausende auch bei DGB-Kundgebung und im Grunewald
Die Berliner Polizei hat nach dem Großeinsatz zum 1. Mai von einem "erstaunlich friedlichen" Verlauf der traditionell krawallträchtigen Demonstrationen gesprochen. "Es deutet sich an, dass es seit 1987 der friedlichste 1. Mai war", sagte ein Polizeisprecher am Montagabend kurz vor Mitternacht. Bis zum frühen Morgen kamen nach Angaben der Leitstelle keine nennenswerten Zwischenfälle dazu. Die Polizei meldete neun Festnahmen bei der traditionellen Demonstration linker und linksextremistischer Gruppen am 1. Mai. Ein Polizist sei nach bisheriger Kenntnis verletzt worden, sagte der Sprecher.
Am Dienstag soll der Einsatz zum 1. Mai Thema im neuen Berliner Senat sein. Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) wollen in der Senats-Pressekonferenz eine Auswertung vorstellen.
Die sogenannte "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" war am Montagabend gegen 20 Uhr ohne größere Zwischenfälle vorzeitig zuende gegangen. Die Organisatoren hatten als Ort der Abschlusskundgebung eigentlich den Oranienplatz vorgesehen, soweit kam der Demonstrationszug aber nicht. Die Veranstalter erklärten auf Twitter, die Polizei habe "einen Kessel auf dem Oranienplatz vorbereitet". Dort habe man nicht hineinlaufen wollen. Damit endete die Demonstration bereits in der Adalbertstraße im Bereich Kottbusser Tor.
Situation am Kottbusser Tor "suboptimal organisiert"
Die Polizei widersprach dem Vorwurf einer Einkesselung von Demonstranten. Das Gedränge am Kottbusser Tor sei entstanden, weil der Veranstalter dort eine Zwischenkundgebung abhalten wollte. Diese habe aber dann nicht stattgefunden. "Die mobilen Absperrgitter am Kottbusser Tor wurden zum Schutz unserer Kotti-Wache aufgestellt", hieß es via Twitter. Die Engstelle am Neuen Kreuzberger Zentrum sei baulich bedingt. "In alle anderen Richtungen war der Weg jederzeit frei."
Das stand entgegengesetzt den Schilderungen von Augenzeugen nach dem vorzeitigen Ende der Demo. Auch mehrere rbb-Reporter und Kollegen anderer Medien berichteten unabhängig voneinander, dass die Polizeiwagen am Kottbusser Tor Stoßstange an Stoßstange gestanden hätten, es habe zwischenzeitlich kaum Auswege gegeben. Umliegende Straßen seien blockiert gewesen, zumal der Demozug von hinten aus Richtung Kottbusser Damm nachgedrängt habe. Dort hätten viele Menschen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gewusst, dass die Demo bereits beendet sei. Die Situation am Kottbusser Tor sei "suboptimal organisiert" gewesen, sagte ein Reporter. Erst allmählich verstreute sich die Menge.
Ermittlungen wegen antisemitischer Parolen
Zu Beginn der Demo um kurz nach 18 Uhr in Neukölln wurden wie zuletzt schon bei pro-palästinensischen Demonstrationen in der Vergangenheit israelfeindliche und antisemitische Parolen dokumentiert. Laut Polizei wurde eine Anzeige gefertigt, der Staatsschutz ermittelt. Vereinzelt wurden auch Böller und Bengalos gezündet. Die Polizei setzte während der Demo über Kreuzberg und Neukölln einen Hubschrauber ein.
Der Polizeisprecher Martin Halweg gab die Zahl der Teilnehmer mit 12.000 an, die Veranstalter sprachen von 20.000 bis 25.000 Menschen. Es habe bis 22 Uhr neun Freiheitsbeschränkungen gegeben, sagte der Polizeisprecher, im Vergleich zu den Vorjahren ist das eine niedrige Zahl. Auch als der Demo-Zug die neue Polizeiwache am Kottbusser Tor passierte, blieb es friedlich. Die Polizei hatte den Bereich um das Hochhaus über der Adalbertstraße mit Gittern und vielen Polizisten geschützt.
Rund zwei Stunden nach Ende der Demonstration berichteten rbb-Reporter von Flaschenwürfen auf die Polizei im Bereich Oranienstraße/Rio-Reiser-Platz und mehreren Scharmützeln. Hunderte Menschen versammelten sich dort, viele offensichtlich alkoholisiert. Die Stimmung war bis zum späten Abend aggressiv. Die Beamten setzten Pfefferspray ein und räumten die Fahrbahn. Gegen null Uhr hatte sich die Situation in den Straßen rund um das Kottbusser Tor aber beruhigt. Vereinzelt saßen noch Menschen vor Spätis, ansonsten waren die meisten offensichtlich nach Hause gegangen.
Slowik nennt Demo "erstaunlich friedlich"
Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte dem rbb am Abend, die um 18 Uhr gestartete Demo sei "erstaunlich friedlich" geblieben. Zufrieden über den Verlauf des Abends rund um die Demo äußerte sich auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Man sei sehr gut vorbereitet gewesen, sagte sie dem rbb.
6.300 Einsatzkräfte der Polizei
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit 6.300 Beamten im Einsatz, mehr als im vergangenen Jahr. Davon kamen rund 2.500 aus anderen Bundesländern.
Tausende bei DGB-Kundgebung
Am Mittag hatten rund 6.000 Menschen am Aufzug "Tag der Arbeit - Kundgebung der Gewerkschaften" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin-Mitte teilgenommen.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann verteidigte auf der Kundgebung die Rechte der Gewerkschaften zum Arbeitskampf vehement. "Wir werden keine Einschränkung des Streikrechts dulden - Punkt, aus, Ende", rief der Gewerkschafter.
Für das Land Brandenburg hatte die Gewerkschaft zudem Kundgebungen, Demos und Veranstaltungen in Potsdam, Brandenburg (Havel), Frankfurt (Oder), Hennigsdorf (Oberhavel), Schwedt (Uckermark), Strausberg (Märkisch-Oderland) und Eberswalde (Barnim) angekündigt.
Berlin demonstriert und sonnt sich in den Mai
3.700 Teilnehmer bei Satire-Protest im Berliner Villenviertel Grunewald
Nachmittags kamen nach Angaben der Polizei etwa 3.700 Menschen zu einer satirischen Aktion in den Grunewald. Unter dem Motto "Reichtum wird enteignet (RWE)" versammelten sie sich hinter einem Pappmaché-Bagger und inszenierten ironische Rollenspiele zwischen angeblichen Villenbesitzern, deren Haus für Kohle abgebaggert werden sollte, und angeblichen RWE-Bauarbeitern.
Myfest fiel erneut aus
Das über rund 15 Jahre in Folge veranstaltete "Myfest" fand in diesem Jahr erneut nicht statt. Aber es gab in Kreuzberg eine kleine Ausgabe: als "Maifest" mit Musik unter freiem Himmel, Reden und Angeboten für Kinder zwischen 10 und 22 Uhr am Mariannenplatz.
Auch Walpurgisnacht verlief weitgehend friedlich
Zum Auftakt der Demonstrationen zur Walpurgisnacht waren am Sonntagnachmittag etwa 650 Menschen zu einer antikapitalistischen Demonstration in Wedding versammelt. Der Protest stand unter dem Motto "Frieden statt Kapitalismus - Wettrüsten stoppen und Armut beenden". Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration ruhig.
Zu mehreren Vorfällen kam es dann bei der queer-feministischen Demonstration "Take back the Night" in Kreuzberg. Polizisten am Rande der Demonstration seien immer wieder mit Schlägen und Tritten angegangen worden, sagte eine Polizeisprecherin.
Eine Frau sei wegen eines tätlichen Angriffs auf Einsatzkräfte festgenommen worden. Zu Beginn der Demonstration, bei der rund 3.300 Menschen vom Mariannenplatz zum Schlesischen Tor zogen, wurden nach Angaben der Behörde pyrotechnische Gegenstände gezündet, vereinzelt seien auch Beamte mit Flaschen beworfen worden.
Insgesamt habe es 13 freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei neun Männern und vier Frauen gegeben, so die Polizei. Es wurden 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Elf Polizeikräfte seien verletzt worden, eine Polizeikraft habe den Dienst vorzeitig beenden müssen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.05.2023, 08:00 Uhr