Kiezzentrum im Wedding - Dem Sprengel-Haus droht das Aus
Das Sprengel-Haus ist Anlaufpunkt für soziale Projekte im Weddinger Sprengelkiez - ein sozialer Brennpunkt. Nun bahnt sich der Verkauf des Hauses an. Alle Mietparteien bangen um ihre Zukunft. Von Janek Kronsteiner
Ein offener Raum, in den jeder und jede kommen kann, falls man sich einsam fühlt, Probleme hat oder Ideen, die man im Sprengelkiez umsetzen möchte. Montagfrüh trifft sich die diverse Nachbarschaft im Stadtteilladen im Sprengel-Haus. Auf einen Desktop-PC schaut die Gemeinschaft das erste WM-Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Im Hof werden Kürbispflanzen umgetopft.
Bernd, ein großer Mann mit zerzausten Haaren, kommt oft her. "Das Sprengel-Haus ist eine Institution. Das können sie nicht einfach schließen", sagt er. "Das ist, als würde man den Edeka hier schließen. Das geht nicht."
Angst vor stark erhöhten Mieten
Die Erbinnengemeinschaft, der das Haus gehört, möchte das Gebäude gewinnbringend verkaufen. Nun fürchten die ansässigen Vereine und Initiativen, dass die Mieten sich verdoppeln, vielleicht sogar verdreifachen könnten, wie Siemen Dallmann sagt, der im Sprengel-Haus für Seniorenarbeit zuständig ist. Als Arbeitssuchender habe er sein Engagement im Sprengel-Haus begonnen. Inzwischen ist er im Haus angestellt. "Mein Ruhestand ist nicht mehr lange hin und ich habe gehofft, selbst noch das Seniorenangebote hier in Anspruch nehmen zu können."
Räume für die Nachbarschaft
Seit mehr als 20 Jahren ist das Sprengel-Haus Anlaufstelle im Sprengelkiez. Damals zog das soziale Projekt von der gegenüberliegenden Osterkirchgemeinde in die leerstehende ehemalige Bonbonfabrik in der Sprengelstraße 15. Heute ist daraus ein interkulturelles Gemeinwesenszentrum geworden. "Hier ist zum Beispiel das Verkehrskonzept entstanden, das jetzt für den Sprengelkiez gilt", sagt Dallmann.
Nach und nach sind auf etwa 1.000 Quadratmetern offene Räume entstanden: der Nachbarschaftsladen, ein Gymnastikraum, der von Kitas und Sportvereinen genutzt wird, Seminar- sowie einige Büroräume.
Vereine müssten umziehen
Verschiedene wohltätige Vereine arbeiten hier. Der Verein "Yaar" etwa hilft Geflüchteten aus Afghanistan. Regelmäßig finden Deutschkurse statt, Erste-Hilfe-Kurse auf Deutsch und Englisch. Sie alle müssten bei einer Mieterhöhung wohl umziehen. Auch der Verein "Signal", der gegen häusliche und sexualisierte Gewalt vorgeht.
Für die Psychologin Dorothea Sautter von "Signal" wäre das eine kleine Katastrophe, wie sie sagt. Im Sprengel-Haus gebe es kurze Wege zu den anderen Vereinen, ein eingespieltes Netzwerk. Zudem sei die zentrale Lage wichtig für den Verein, um schnell überall im Wedding und ganz Berlin bei häuslicher Gewalt eingreifen zu können. "Die leerstehenden Büroräume in Berlin werden zu Konditionen angeboten, die wir uns als Verein schlichtweg nicht leisten können", sagt Sautter.
T-Shirt-Aktion als Protest
"Wir sind sehr im Sprengelkiez verbunden", sagt Martina Fleiss, Leiterin des Nachbarschaftsladens. Einfach umziehen – das sei für das Sprengel-Haus nicht möglich. Im Wedding würden schon jetzt soziale Einrichtungen fehlen. Wenige Blocks entfernt liegt der Leopoldplatz, der immer wieder für seine sichtbare Drogenszene in den Schlagzeilen ist.
Wie wichtig es ihnen ist, zeigen die Mitarbeiter:innen mit T-Shirts auf denen "Sprengel-Haus muss bleiben" gedruckt ist. Auch eine Online-Petition hat der Verein "Gemeinsam im Stadtteil" ins Leben gerufen. "Ohne das Sprengel-Haus wären wir ehrlich gesagt verloren", sagt Eileen Scheier. Die Stadtteil-Koordinatorin für Wedding-Zentrum hat ihr Büro im Erdgeschoss des Sprengel-Hauses. "Im Wedding gibt es keinen vergleichbaren Ort, wo sich Menschen treffen, austauschen, im Ehrenamt ausleben können."
Haussanierung zu teuer für Erbinnengemeinschaft
Das Haus solle verkauft werden, weil die Erbinnen sich nicht mehr um Instandhaltung des Hauses kümmern könnten, sagt Hannelore Scheid, eine der drei Erbinnen. Sie seien zu alt und können sich die nötigen Sanierungsarbeiten nicht leisten.
Die Heizungen seien marode, so Scheid, die selbst im Haus wohnt. Das Geld für die Sanierungen fehle, auch weil die Mieten für das Sprengel-Haus bislang so gering gewesen seien.
Erbin zeigt Verständnis für Protest
An eine große Gesellschaft möchte Hannelore Scheid das Haus nicht verkaufen, wie sie sagt – lieber an ein kleines Unternehmen. "Ich erwähne bei potenziellen Käufern stehts, welche Bedeutung das Sprengel-Haus für den Kiez hat." Dass die Mieten bald das Doppelte kosten werden, glaube sie nicht, sagt Hannelore Scheid.
Bisher sei der Austausch zwischen den Mietsparteien und den Erbinnen konstruktiv gewesen, bestätigt Siemen Dallmann vom Sprengel-Haus. Erbin Hannelore Seid zeigt dennoch Verständnis für den Protest der Mietparteien gegen den Verkauf. "Ich finde sogar gut, dass sie sich wehren. Das gehört für mich in einer Demokratie einfach dazu."