Interview | "Dry January" - "Für viele ist es ein echtes Erfolgserlebnis, vier Wochen keinen Alkohol zu trinken"

Mo 29.01.24 | 09:01 Uhr
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Symbolbild: Ein junger Mann neigt seinen Kopf auf eine Bierflasche. (Quelle: dpa/Michael Gottschalk)
Audio: rbb|24 | 31.01.2024 | O-Ton aus dem Interview mit Christina Schadt | Bild: dpa/Michael Gottschalk

Aus England kommend ist der "Dry January" inzwischen auch hier Trend. Wer dabei war, hat für die ersten vier Wochen im Jahr auf alkoholische Getränke verzichtet. Was das bringt und für wen so eine Aktion Risiken birgt, erklärt eine Suchtberaterin.

rbb|24: Guten Tag, Frau Schadt. Der sich dem Ende zuneigende "Dry January" - also im Januar keinen Alkohol trinken - ist ja eine Modeerscheinung, eine Art kollektives Event. Oder doch mehr?

Christina Schadt: Die Aktion ist auf jeden Fall mehr als nur eine Modeerscheinung oder ein Trend. Denn das Trinken von Alkohol ist ja keine Mode-, sondern eine Alltagserscheinung. Und Deutschland ist ein Hochkonsumland. Es wird also viel Alkohol getrunken. Dementsprechend hat es schon eine Wirkung, eine kollektive Pause davon zu machen. Das hat eine Wirkung - sowohl, was das Soziale als auch, was die körperlichen Erleichterungen und Entlastungen betrifft.

Zur Person

Christina Schadt - Fachstelle für Suchtprävention Berlin GmbH. (Quelle: Bettina-Keller)
Bettina-Keller

Fachstelle für Suchtprävention - Christina Schadt

Christina Schadt ist Sozialpädagogin und die Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention in Berlin.

Was macht es mit Körper und Psyche derjenigen, die jetzt für vier Wochen keinen Alkohol getrunken haben?

Man kann nach den vier Wochen schon eine Veränderung merken. Diese Zeit bringt eine Reduzierung von Kalorien, entlastet aber beispielsweise auch die Leber. Denn da werden durch den Alkoholkonsum Fette eingelagert und die können auch in diesem recht kurzen Zeitraum schon abgebaut worden sein. Außerdem sinkt der Blutzuckerspiegel, man kann besser schlafen und ist leistungsfähiger. Auch das Hautbild verändert sich. Für viele ist es ein echtes Erfolgserlebnis, vier Wochen keinen Alkohol zu trinken.

Kann die Aktion auch eine Langzeitwirkung entfalten?

Dieses Event fand so ja nicht das erste Mal statt – auch wenn es in England eine längere Tradition hat. In diesem Jahr hat der "Dry January" aber in Deutschland deutlich stärker Fuß gefasst. Die Aktion bringt mehr Menschen dazu, darüber nachzudenken. Das ist eine Entwicklung, die wir uns wünschen. Alle wollen ja gesund sein und gesund bleiben. Und wenn man weiß, dass Alkohol ein Zellgift ist, dass der Körper nur in Maßen verträgt, ist es immer gut, mal eine Pause zu machen. Und wenn man merkt, dass das mehr Leute machen, steigt die Motivation dafür. Dann ist man Teil einer Bewegung und nicht allein damit. Es macht auch die Argumentation leichter, wenn jemand fragt, warum man nicht mittrinkt.

Ist ein "Dry January" auch eine Option, um herauszufinden, ob man "schon" ein Alkoholproblem hat? Und heißt es, wenn man den Verzicht problemlos hinbekommen hat, dass man keins hat?

Mit der Aktion wird angeregt, darüber nachzudenken. Wenn man sich damit beschäftigt, kommt man auch zu der Frage, wie es einem selbst mit Alkohol geht. Man fängt an, sich zu fragen, wann und in welchen Situationen man wieviel trinkt und welche Gefühle das auslöst. Sich das zu überlegen, ist nicht alltäglich. Da ist der "Dry January" ein toller Anlass, um ins Gespräch zu kommen.

Vielen fällt es schwer, an ihrem Verhalten dann etwas zu verändern. Man sollte aber nicht den Mut verlieren und denken, dass man es sowieso nicht schafft. Wenn jemand in dem Monat festgestellt hat, dass er oder sie es wirklich keinen Tag lassen kann, zu trinken, ist es ja ein guter Moment, um hinzuschauen. Denn man sollte im Alltag nicht jeden Tag Alkohol trinken.

Wenn man weiß, dass Alkohol ein Zellgift ist, dass der Körper nur in Maßen verträgt, ist es immer gut, mal eine Pause zu machen

Christiane Schadt

Im Grunde ließe sich der "Dry January" auch nachholen und zu einer anderen Zeit im Jahr einlegen. Für wen ist das ein geeignetes Vorhaben - wer sollte das lieber lassen?

Es ist für alle ein gutes Thema, um sich erstmal Gedanken um den eigenen Alkoholkonsum zu machen. Für Menschen, die sehr viel trinken, kann es ein Risiko sein, von Vollkonsum auf Null zu gehen. Da empfiehlt sich eine professionelle Begleitung.

Warum wird man gerade beim Alkoholtrinken von anderen oft so vehement animiert mitzutrinken?

Viele Menschen trinken gerne in Gesellschaft. Und das heißt in dem Fall, dass sie die anderen mitunter auch animieren, mitzutrinken. Viele wissen ja, dass sie bei zu viel Alkoholgenuss Verhaltensweisen an den Tag legen, die auffälliger oder ulkiger sind. Da ist es offensichtlich angenehmer, wenn die anderen mittrinken. Es ist aber natürlich höchst unfair, wenn man dazu verleitet wird, obwohl man gar nicht trinken will. Das ist in unseren Beratungen ein großes Thema. Viele lassen sich überreden. Wir fordern deshalb auch einen Umgang mit Alkohol, der nichts oder wenig trinken akzeptiert – und zwar nicht als Ausnahme, sondern als Regel.

Gibt es eine Faustregel, wie viel Alkoholkonsum problematisch ist?

Es gibt Mengen, die als risikoarm gelten. Das bietet schon Orientierung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das ein kleines Glas (0,1 Liter) Wein für Frauen am Tag oder zwei Bier à 0,33 Liter für Männer. Wichtig ist aber auch da, dass es mindestens zwei Tage ohne Alkohol in der Woche gibt.

Ein hohes Risiko entsteht, wenn Frauen zweieinhalb Gläsern Wein von 0,2 Litern und Männer fünf Flaschen Bier à 0,33 Liter trinken. Aber das sind nur Zahlen und Orientierungswerte.

Wenn jemand merkt, dass er oder sie täglich und an erster Stelle an Alkohol denkt, wenn man merkt, dass man seinen Alltag um das Trinken herum organisiert hat und wenn man schwindelt oder ausweicht, wenn man gefragt wird, wieviel man trinkt, sind das Anzeichen für einen etwaigen problematischen Konsum. Da sollte man genauer hinschauen und auch eventuell ein Tagebuch zu führen, um herauszufinden, wie viel es wirklich ist.

Inzwischen gibt es ja viele antialkoholische Getränkealternativen. Könnten Sie sich vorstellen, dass diese sich durchsetzen? Oder stehen zu viele auch auf den Rausch?

Es gibt vermehrt diese vielen schönen antialkoholischen Getränke, weil es eine Nachfrage danach gibt. Es gibt den Wunsch, zwar alkoholfrei zu sein, aber trotzdem die entsprechenden Getränke zu konsumieren. Alkoholische Getränke werden ja beispielsweise auch bei Cocktails oft sehr schön angerichtet. Das gibt für viele Menschen den Ausschlag, ob sie Lust bekommen, Alkohol zu trinken. Deshalb ist es gut, wenn es eine breitere Palette an attraktiven antialkoholischen Alternativen gibt.

Gleichzeitig gibt es Menschen, und diese wird es immer geben, die nach dem Rausch suchen, die Alkohol trinken, um zum Beispiel lockerer zu werden. Deshalb weisen wir auch immer wieder daraufhin, dass Alkohol nicht unreflektiert konsumiert wird. Sondern dass man weiß, welche Risiken man da eingeht. Auch, dass man genau überlegt, wo Alkohol hingehört und wohin nicht. Man sollte sich auch beim Feiern mit Alkohol überlegen, wie viel für einen selbst in Ordnung und wo die Grenze ist. Die sollte man dann auch kommunizieren und mit den anderen Teilen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: rbb 88.8, 27.01.2024, 10:00 Uhr

22 Kommentare

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  1. 22.

    Genau DAS ist es, was mich vor allem bei entfernteren Bekannten wahnsinnig stört; ich möchte verdammt nochmal einfach nicht begründen müssen warum ich kein Alkohol möchte ! Ich akzeptiere ja auch andere Genuss-Gewohnheiten, also erwarte ich auch, daß ein "Nein danke" reicht !
    In meinem persönlichen Umfeld klappt das hervorragend, warum Außenstehende das nicht verstehen wollen - ich weiß es nicht. Geht es nur mir so ? ... Und NEIN, Alkohol aufdrängen gehört NICHT zum sogenannten "Guten Ton" !

  2. 21.

    Merkwürdige Moral: Hasch ist coool und muss unbedingt legal werden. - Bier und Zigaretten sind Teufelszeug.
    Drogen sind insgesamt Murks.
    Andererseits ist es wirklich schwer, die Gegenwart vier Wochen lang ohne wenigstens ein Feierabendbier zu ertragen. ich mach sowas eh nicht mit - schon des ausländischen Namens wegen. Die könnten das ja wenigsten "Trockener Januar" nennen - mit Rücksicht auf diejenigen, die nur Französisch als Fremdsprache studiert haben.
    Aber egal: Offenbar haben wir früher nur rein zufällig überlebt, als es die ganzen "Ratgeber" noch nicht gab.

  3. 20.

    Ich bin Mitte 40 und habe in meinem Leben vielleicht insgesamt vier Gläser Alkohol getrunken. Und das ist auch keine Anstrengung oder etwas, auf das man stolz sein kann/sollte. Es geht auch ohne.

  4. 19.

    Irgendwie bigott, oder? Regelmäßig solche Artikel und auf der anderen Titelseite wird (mdr.de als Bsp.) Zander mit der Pulli in der Hand auf der Bühne gezeigt mit dem Artikeleinstieg 'Nach Kopf OP - Ihm schmeckt das Bier wieder' und dass es ihm wieder schmeckt noch paar mal vor. Und auch andere Medien lobhudeln einen Alki - mich hats den Job gekostet, er erntet Sympathien - eben bigott

  5. 18.

    Ich war jahrelang Alkoholiker und habe es mithilfe eines Kumpels geschafft trocken zu werden. Sind jetzt mittlerweile 13 Jahre wo ich nie mehr einen Tropfen Alkohol angerührt habe. Ich wünsche allen die diesen Weg gehen wollen viel Glück.

  6. 17.

    Aber ebenso unklug wäre es am illegalen Nutzen von z.B. Cannabis festzuhalten. Davon haben nur die Dealer etwas. Gestrecktes Cannabis von d.Straße ist pures Gift. Dem kann nur entgegengewirkt werden, wenn es einen regulierten Markt in Deutschland dafür gibt. Das Drogen v.d.Straße neuerdings auf freiwilliger Basis im Labor geprüft werden können, ist schon mal ein sehr guter Ansatz.
    Alkohol ist leider nun mal die Droge Nr.1
    Und solange es möglich ist sich frei zugänglich damit einzudecken, wird sich rein gar nichts ändern. Da hilft tatsächlich nur der gesunde Menschenverstand.

  7. 16.

    Prost!

  8. 15.

    Gratulation zu dieser tollen Entscheidung und noch viele gesunde Jahre!
    Guter und informativer Beitrag, der Januar ist ja nun fast rum-ich versuche mal in einen Dry-Februar zu starten.

  9. 14.

    Alk, Drogen, alles scheint. Legalisierung schlimm. S. Portland/USA

  10. 13.

    Ist es denn klug genau den selben Fehler mit der Freigabe ja sogar Kulturgut des Alkohols jetzt mit Drogen zu machen? Zumal sich gleich die Frage stellt: zum Wählen reif genug für Alkohol zu jung.
    Dann lesen wir in wenigen jahren folgende Schlagzeilen "Für viele ist es ein echtes Erfolgserlebnis, vier Wochen keinen Joint zu rauchen" oder schlimmeres.

  11. 12.

    Ich hab da eine völlig anderen Eindruck. Sporttreibende empfinde ich als ausgesprochen hip und gesellschaftsmittig normal (man gucke sich nur mal die Werbung für u.a. all das "gesunde" Lifestylegedöns an).
    Und Drogenkonsum in Bauch und Bogen mit charakterlicher Schwäche gleichzusetzen halte ich auch für vermessen, oberflächlich und arrogant.
    ....nein, ich nehme (auch) keine Drogen; das hat bei mir mit Interesselosigkeit und Ang...äh Respekt zu tun...

  12. 11.

    Dann waren Sie wahrscheinlich noch nie bei einer Siegesfeier eines Sportvereins im ländlichen Raum. Sport und Alkohol sind da kein Kollisionsgrund und nach dem Training auch nicht. Es muss nur im Rahmen bleiben, aber Hansa-Kekse und rote Brause wollen die garantiert nicht. Dennoch kann man nicht jeden, der mal mit seinen Kumpels ne Molle zischt, sofort in die rotnasige Ecke befördern, die arme Leber beklagen und ihm den Weg zu den anonymen Alkoholikern empfehlen. Wer kein Bier will, lässt es eben. Jeden Tag Fastfood und Nutella mag die Leber übrigens auch nicht.

  13. 10.

    Es ist schon komisch, wenn man liest, dass so viele Menschen Alkohol verpönen und die Schnaps- und Weinregale in den Supermärkten täglich mehrmals aufgefüllt werden. Hab gerade mal grob nachgemessen, knapp 8 m lang, auf 5 Etagen und 5 Flaschen hintereinander.

  14. 9.

    In einer Gesellschaft in der Sporttreibende als "seltsam" gelten ist es doch logisch, dass charakterliche Schwäche (und nichts anderes ist Drogenkonsum)hofiert wird. Mir fällt es nicht schwer Drogen wegzulassen. Wem es schwer fällt, sollte und muss an sich arbeiten. Zur Not gerne auch mit professioneller Hilfe.

  15. 8.

    In der Jugend mal böse abgestürzt, in Klinik zu mir gekommen . Seitdem viel weniger . Seit 20 Jahren nur Silvester ein Glas Sekt zum Anstoßen .
    Ich vermisse nichts !

  16. 7.

    Ich finde, das ist eine Form des Selbstbetruges wie beim "weniger Rauchen" wollen. Man kommt letzten Endes nie wirklich davon weg, es sei denn: ganz oder garnicht. So, habe ich es mit den Zigaretten gehalten und halte ich es mittlerweile auch, vor allem mit Bier, dass mir dann doch Probleme zu bereiten anfing. Man denkt, man hat´s im Griff - aber es schleicht sich immer was ein, wenn man nicht aufpasst. Und die Gefahr der Sucht ist immer da.
    Und sollte jemand ketzerisch fragen wollen, was mit Wein und Schnaps sei? Keine Bange: sowas würde bei mir in der Flasche schlecht werden :-P
    Bleibt gesund und achtsam!!

  17. 6.

    Mit schmeckts nicht mehr. Früher gerne Bacardi und co. Heute evtl. Alle Monate mal ein Glas Rotwein.

  18. 5.

    So informativ der Beitrag auch ist, es wäre schön, wenn dabei auch auf eine richtige Wortwahl geachtet würde.

    Es gibt keine „antialkoholischen“ Getränke, denn das würde ja bedeuten, dass derartige Getränke einem bereits erfolgten Alkoholkonsum entgegen wirkten.

    Es gibt nur alkoholhaltige und alkoholfreie Getränke. Zum Wohl.

  19. 4.

    "Es macht auch die Argumentation leichter, wenn jemand fragt, warum man nicht mittrinkt."

    Warum ich besondere Argumente brauche, wenn ich meinem Körper kein Zellgift zuführen möchte, ist mir ein Rätsel. Ich verachte jede(n) zutiefst, der/die versucht, andere davon zu überzeugen, zu trinken. Nur um nicht alleine besoffene zu sein? Sozialer Kitt? Wenn man es nur mit Alkohol zusammen aushält, sollte man sich vielleicht eher aus dem Weg gehen, nur so eine Idee.

  20. 3.

    Ich trinke im Normalfall gerade mal ein, zwei Biere ab u. an, das genügt. Aber zur Zeit schiele ich vermehrt auf starke alkoholische Getränke wie z.B. Southern Comfort. Noch hält mich die Vernunft davon ab. Denn schon der Gedanke betrunken durch die Wohnung zu laufen oder schlimmer noch weiter zu trinken läßt mich aufhorchen dies tunlichst sein zu lassen.
    Aber ich habe leicht reden. Wie muß sich erst jemand fühlen, wenn man den Teufel Alkohol nicht mehr aus dem Kopf kriegt.
    Da sind sicherlich 4 Wochen trocken sein eine stramme Leistung.

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