Große Autos in Berlin und Brandenburg - Schön bequem oder Klimakiller schlechthin? Warum wir über SUVs streiten

So 11.02.24 | 11:49 Uhr | Von Sylvia Lundschien
  135
Symbolbild: Ein SUV fährt an einem Hinweisschild für Schüler in der Prenzlauer Allee vorbei. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Bild: dpa/Fabian Sommer

Beim Thema SUVs gibt es hierzulande meist nur zwei Lager: die Liebhaber und die Hasser. Vor allem im urbanen Raum prallen die Ansichten aufeinander. Warum kochen die Emotionen gerade beim "Sport Utility Vehicle" so hoch? Von Sylvia Lundschien

Es tut sich was bei den "Sport Utility Vehicles": In der französischen Hauptstadt Paris sollen Fahrerinnen und -Fahrer von SUV künftig höhere Parkgebühren zahlen als die kleinerer Fahrzeuge. In Deutschland, aber auch in anderen europäischen Städten, stehen die Geländelimousinen ebenfalls schon länger im Fokus: Unbekannte lassen immer wieder die Luft aus den Reifen von großen Autos und begründen ihr Handeln als politische Tat für mehr Klimaschutz.

Vom naturnahen Geländewagen zum urbanen "Familienbomber"

Am "Sport Utility Vehicle" entzündet sich heftiger Streit. Wer ihn fährt, liebt ihn oft für elegantes Design und höhergelegte Bauart, dafür, dass er bequem und geräumig ist. Wer ihn hasst, verspottet die Wagen auch mal als "Stadtpanzer" oder "Familienbomber". Ganz von der Hand weisen lässt sich das nicht: Historisch sind die Fahrzeuge entfernt verwandt mit Militärmaschinen.

Eher auf die zweckmäßige Nutzung schauen wohl Försterinnen, die mit Geländewagen durch den Wald brettern, oder Landwirte, die auf der Weide nach dem Rechten sehen müssen und dafür über schlammige Feldwege müssen. Aber in der Stadt erscheint das Ganze eher eine Show zu sein: Vielen SUV-Modellen fehlt es an den technischen Fähigkeiten eines echten Geländewagens. Wozu also das Theater?

Autos werden seit den 50ern immer breiter - auch der SUV

In Ballungsgebieten wie Berlin wird unter anderem die Größe als Problem empfunden. Allerdings sind einer Studie zufolge Autos in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt länger geworden: seit den 50er Jahren um 60 Prozent. Die maximale Autolänge beträgt demnach aktuell 6,80 Meter. Auch die Breite der Autos nimmt zu: Im Schnitt betrage diese mehr als 2,10 Meter mit Spiegel, heißt es. Heikel wird es dann manchmal an Baustellen, auf Parkplätzen und in Parkhäusern. Hier ist der Standard seit Jahrzehnten oft nur knapp zwei Meter Breite.

Spritverbrauch beim SUV kann ein Problem sein

Die Größe von SUVs und ähnlichen Autos birgt noch ein weiteres Problem: Die Vehikel verbrauchen als Verbrenner - im Vergleich zum Beispiel wie zu einem Kleinwagen wie einem Renault Clio - in der Spitze bis zu 13 Liter Sprit pro 100 Kilometer. Durch ihre Bauart haben SUVs viel Gewicht und einen größeren Luftwiderstand, der dem Motor mehr abverlangt und den Spritverbrauch steigen lässt.

Und noch ein weiteres Argument wird gegen die SUVs ins Feld geführt: Bei einer Kollision zwischen Mensch und SUV kann es zu schwereren Verletzungen kommen, da mehr Masse auf zum Beispiel Becken und Oberkörper treffen – kleine Kinder sind besonders gefährdet. Dass SUVs in mehr Unfälle verwickelt wären, lässt sich allerdings nicht durch die Unfallstatistik belegen.

Trend zur SUV-Neuzulassung in Deutschland ungebrochen

Doch trotz dieser Negativpunkte ist der Boom der SUVs ist ungebrochen. 2023 waren von allen zugelassenen Neuwagen mehr als 855.000 neue SUVs. Das sind rund 30 Prozent aller Neuzulassungen und 10 Prozent mehr SUVs als 2022.

Paris will sie nun aber genauso wenig wie E-Roller auf der Straße haben. Und auch Hannover, Tübingen und Bern denken über Maßnahmen nach, große Autos aus der Innenstadt fernzuhalten. In Berlin wiederum sind derzeit keine Sonderparkgebühren für große SUV-Fahrzeuge nach dem Vorbild von Paris geplant. Es gebe keine Überlegungen in diese Richtung, sagte eine Sprecherin der CDU-geführten Verkehrsverwaltung kurz nach der Entscheidung in der französischen Hauptstadt.

Zahlreiche polizeilich registrierte Fälle wegen Luftablassens bei SUVs

Wer sich hier vehement von SUVs gestört fühlt, kommt also kaum gegen ihre Omnipräsenz an – und greift vielleicht deshalb zu radikaleren Mitteln als Gegenwehr. So wird seit November 2021 in "SUV-Brennpunkten" wie Berlin-Pankow, Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf sowie Steglitz-Zehlendorf Luxuswagen immer wieder Luft aus den Reifen gelassen.

Laut Polizei Berlin sind deswegen insgesamt 1.455 Strafanzeigen in den Jahren 2022 und 2023 gestellt worden, bis zum 22. Januar 2024 waren es 24 Anzeigen. Ermittelt wird wegen Sachbeschädigung, festgenommen wurde bisher eine tatverdächtige Person. Die Polizei Brandenburg hat offiziell zwischen Juni und Dezember 2023 sieben derartige Fälle aus Potsdam und zwei weitere Fälle aus dem östlichen Brandenburg registriert.

Umweltbundesamt: Größere Autos führen zu mehr CO2-Emissionen

Die Vorgehensweise ist simpel und hinterlässt keine Schäden – außer eben den nervigen, weil unerwarteten Platten. Eine der Gruppen, die so operieren, nennt sich "Tyre Extinguishers". Auf ihrer Webseite führen sie die Gründe für ihr Handeln auf: SUVs seien ein "Klimadesaster" und fräßen CO2-Einsparungen durch Elektrofahrzeuge wieder auf. Auch das Umweltbundesamt [umweltbundesamt.de] unterstreicht die durch große Autos bröckelnden Klimaziele: Seit 1990 ist demnach der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen von rund 13 Prozent auf 19,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Zwar sei die Abgastechnik heute effizienter, auch die von SUVs, doch Autos würden heute beispielweise schneller als noch vor 30 bis 40 Jahren fahren. "Der Trend zu größeren und schwereren Fahrzeugen ein Grund für die Zunahme der CO2-Emissionen", bilanziert das Umweltbundesamt. Der VW-Abgasskandal weckt zudem Zweifel an offiziellen Abgaswerten, denn diese waren durch manipulierte Anlagen oder geschönte Papiere falsch ausgewiesen.

Debatte um SUVs wirkt wie Stellvertreterdebatte

Im Streit um die SUVs scheinen die Ansichten verhärtet – die einen kaufen weiter große Autos, andere kleben sich auf Straßen fest, um ihnen den Weg zu versperren, oder lassen gleich die Luft raus. Doch geht es wirklich nur um diesen einen Autotyp?

Andreas Knie, Sozialwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB), sieht den Konflikt als Teil einer größeren Entwicklung. "Verhärtungen sind Antwort auf die Politik, die wir seit den 50er Jahren haben: Nämlich mehr Autos auf die Straße zu bringen", sagt Knie. Aus seiner Sicht sind "Autos eine große Belastung, SUVs sind nochmal eine größere Belastung". Die Autoindustrie gelte dennoch immer noch als bedeutendster Industriezweig Deutschlands, verfüge über eine große und mächtige Lobby und werde vom Staat privilegiert behandelt – als Stichworte nennt Knie das Dienstwagenprivileg, Dieselsubventionen, Entfernungspauschalen oder kostenlose Parkplätze im öffentlichen Raum. Zwei Drittel aller neu zugelassenen SUV-Fahrzeuge seien Dienstwagen, so Knie. "Arbeitgeber versuchen über die Bereitstellung von diesen Autos zu locken und zu halten."

Und wer hat, dem wird gegeben: Von einem Dienstwagenprivileg profitiere man, wenn man schon eher wohlhabend ist, sagt Knie. Menschen in unteren Einkommensklassen würden oft gar kein Auto besitzen, mit dem sie derartige Privilegien wahrnehmen können.

"Bewusstseinsveränderung" in urbanen Milieus

Dass der SUV Sinnbild in einem sozialen und ökonomischen Konflikt geworden ist, macht sich inzwischen bemerkbar. Knie verweist in dem Zusammenhang auf eine Gruppe, die er vage als "urbane Eliten" zusammenfasst. Diese lebten zum Beispiel in Berlin und Hamburg, seien wohlhabend, könnten sich locker einen SUV leisten und würden auch gerne fliegen. Doch das eigene Auto verliere hier an Strahlkraft, denn gerade dieses urbane Milieu störe sich an zu viel Verkehr in der Innenstadt. Jene Gruppe fahre lieber teure Fahrräder, nutze Car-Sharing, bestelle sich Taxis oder ein Uber. Hier gebe es eine "Bewusstseinserweiterung", sagt der Wissenschaftler, wenn auch noch keine "Bewusstseinsveränderung". Doch "es fängt langsam an, zu kippen", so Knie.

Nicht so sehr auf dem Land, wo Autos an vielen Orten alternativlos sind. Dass der Öffentliche Nahverkehr hier für viele Menschen keine Option ist, bewiesen nicht zuletzt 9-Euro-Ticket oder Deutschlandticket. Der Bus kommt vielerort nur einmal pro Tag - oder gar nicht.

Im urbanen Raum verschärfen Autos jedoch schlichtweg aufgrund der schieren Menge Konflikte unter den Verkehrsteilnehmenden. Am Image des Autos wird gekratzt - und das vor allem in den Städten. Das Auto gehört zum deutschen Selbstbild und am Selbstbild zu kratzen, tut weh.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.02.2024, 12:42 Uhr

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

Beitrag von Sylvia Lundschien

135 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 134.

    "Herr, wirf Hirn vom Himmel."

    Ja, und wer das besonders nötig hat haben sie eindeutig bewiesen.

    "Und dann noch 12 Jahre Wartezeit, dann haben wir unser Ziel erreicht: die Obrigkeit bestimmt, welches Auto der Pöbel zu fahren hat. DDR 2.0."

  2. 133.

    Ich Verweise Sie auf Kommentar 10! Klare Meinung zu Behinderten..Man muss sie nicht teilen! Vielleicht sollte man „SUV“ mal klären? Hier wird SUV mit Landfahrzeugen in einen Topf geschmissen. Ist ein höher gebauter z.B. Nissan mit einem Chayenne zu vergleichen? Wohl kaum. Hier ist eine Neid- und Hass- Debatte im Gang, die für mich die Stimmung in D beschreibt. Ein alter Fiat verbraucht mehr Sprit als ein neuer z.B. Tiguan. Aber wir meckern mal wieder…

  3. 132.

    Gibt es nicht auch zu denken, dass gerade in Grünen-Hochburgen diese Fahrzeuge an häufigsten anzutreffen sind? Natürlich wird auch von Ihnen die in Aussicht stehenden Verletzungen im Raum, sogar Kinder müssen dafür herhalten."

    Wie war das? Getroffene Hunde bellen.

    Das mit den "Grünen-Hochburgen", was immer das sein soll, haben sie einfach frei erfunden. Und was Verletzungen durch SUVs angeht liegt Frau Lundschien vollkommen richtig, die Unfälle sind erheblich schwerer, alleine durch die Höhe der Motorhaube. Und Kinder sind aufgrund ihrer Größe nochmal verletzlicher als ein Erwachsener oder Radfahrende.

    "Insbesondere für Kinder, die zu Fuß unterwegs sind, ist die Gefahr schwerer und tödlicher Verletzungen bei einem Unfall mit einem SUV besonders hoch, da ihr Kopf- und Brustkorb genau auf Höhe des Einschlagpunktes liegen. Erwachsene Menschen werden bei Unfällen nicht an den Beinen angefahren sondern im Bereich des Beckens, was zu schwereren Verletzungen führt."

  4. 131.

    Suchen sie sich gefälligst einen eigenen nick. Immer diese unterbelichteten Trittbrettfahrer.

  5. 130.

    Ein Punkt wurde noch gar nicht erwähnt. Menschen mit Behinderung sind teilweise auf Fzg. mit einem hohen Einstig angewiesen. Mal aufpassen wenn ihr jemanden beobachtet, der beit voll geöffneter Tür rückwärts sich mit dem Gesäß auf den Sitz schiebt und dann mit Hilfe des "Angstgriffes" reingeht. Das geht nur bei höheren Fahrzeugen.

  6. 129.

    "Insbesondere hier in Berlin, dem Land der Rotradler. Fahre unter der Woche übrigens ausschließlich Fahrrad."

    Achso, sie sind also der der ständig über Rot radelt und alle anderen Radfahrenden in Mißkredit bringt... :-D

    Im Ernst, kein Thema zu PKW, der nicht in Hetze gegen Radfahrende endet. Whataboutism obendrein.

  7. 128.

    Warum geht es eigentlich immer nur um SUVs? Meines Wissens ist ein VW Sharan oder Multivan „Bulli“ in Größe, Gewicht und Verbrauch keineswegs besser. Auch SUVs können (teure) Familienkutschen sein. Ist es am Ende auch ein wenig eine Neiddebatte?

  8. 126.

    "Nagut, jetzt ist Karneval und die Clownsnase steht Ihnen gut! "

    Und deswegen diskutiere ich nicht mit Autofanatikern, unsachlich und beleidigend. Mehr können sie eben nicht.

  9. 125.

    Wenn sie sich an die StVO halten würden, killt auch nichts auf deutschen Straßen ihren Stoßdämpfer.
    SUV‘s sind sehr bequem, weil man nicht mehr in die Hocke muss. Das und die Tatsache, dass man wie beim Transporter höher sitzt, also ein Gefühl der Überlegenheit bekommt, macht deren Attraktivität aus.
    Aus verkehrspolitischer, ökologischer und fahrphysikalischer Sicht sind SUV‘s für den privaten Individualverkehr natürlich der GAU.

  10. 123.

    Lieber fahre ich in einem Metallkäfig auf der langweilen Autobahn als mich im Urlaub auf sowas unzuverlässiges und Sauteures wie die DB verlassen zu müssen.
    Solange da nichts passiert, wird es nix mit der Klimawende

  11. 121.

    Ich habe gar kein Auto. Man ist so herrlich frei und muss weder mithalten mit den großen Protzkarren, noch sitzt man ständig und strapaziert die Wirbelsäule. Mir kommen die Menschen auf den Straßen vor wie Gefangene, die immer in einer Kolonne in ihren Metallkäfigen hintereinander herfahren und immer ungeduldiger und wütender werden. Am ödesten sind doch Fahrten auf Autobahnen, es gibt nichts Langweiligeres bezüglich der Auslastung der Lebenszeit.
    Mein Selbstbild ist sehr gut, ich muss es nicht mit einem Haufen Blech aufpäppeln.


  12. 120.

    Sie müssen sich doch nicht bei denen entschuldigen.

  13. 119.

    Na warten wir doch auf das Elektozän, dann fahren nur noch Autos mit 2 Tonnen und mehr. Die etwas weniger Wiegenden kann man Vernachlässigen, weil dann LKW und Busse dazu kommen.

  14. 118.

    Irgendwie schaffen sie es jedes Thema für ihren persönlichen Rachefeldzug zu mißbrauchen. Wirr und themenfremd.

  15. 117.

    Ich hatte die meiste Zeit einen Diesel, schon wegen den täglichen (selbstständig) beruflichen Langstrecken. Der Diesel war langlebig, fuhr fast jedes Auto bis 240 000/ 300 000 Tausend Km. War oft an der Tanke! Es darf nicht vergessen werden, in dieser Zeit war der Klimawandel/Schutz nicht so präsent bei der Politik und beim Bürgern angekommen. Die Politik hatte den Diesel noch gefördert. Merkel sagte mal: Der Diesel ist genau so gut wie ein anderer Verbrenner. Was wären Sie in meinen Fall gefahren?
    Ich lehne E - PKW aus bestimmten Gründen ab. Ebenso die Kinderarbeit dazu im Ausland. Das E- Auto zieht mir noch zu schädliche Kreise, wievangeblich der grüne Strom aus der Steckdose!

  16. 116.

    Es wird in den Überschriften zum Thema Paris immer über SUV gesprochen. Im "kleinen" Text kommt dann erst heraus das dieses auch Familienkutschen betrifft, Nämlich jedes Auto über 1,6t und damit auch die Ford Galaxy, VW Alhambra. Ich habe auch so einen mit 4 Kindern und einem Hund....

Nächster Artikel