Neue Regeln in Deutschland - Der Parkplatz der Zukunft soll größer werden
Parkplätze sollen künftig breiter werden. Das empfiehlt ein zuständiges Fachgremium. Die Verkehrsplaner haben zwar einige Argumente, die dafür sprechen, andere Experten sagen aber: Das Problem der zu vielen Autos in Innenstädten wird das nicht lösen. Von Kira Pieper
- Verkehrsexperten empfehlen für Parkplatz-Neubauten künftig eine Breite von 2,65 Meter, bislang hatte ein Wert von 2,50 Meter gegolten
- Damit wollen sie dem Problem der immer breiter werdenden Autos begegnen
- Kritiker sagen: Diese Herangehensweise werde nicht dafür sorgen, Innenstädte in Zukunft autofreier zu machen
Autos werden größer, schneller und breiter - was bedeutet das für die Verkehrsplanung? Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) rät in ihrem neuen Regelwerk, auch die Parkplätze zu vergrößern: Künftig wird für Parklücken nicht mehr die zuletzt geltende Breite von 2,50 Metern empfohlen, sondern 2,65 Meter.
Das bestätigt Petra Schäfer, Professorin für Verkehrsplanung an der Frankfurter University of Applied Sciences, auf rbb-Nachfrage. Schäfer wirkt an dem Entwurfsregelwerk für die FGSV mit, die Neuauflage soll noch in diesem Jahr erscheinen. Ihr Arbeitsausschuss blickt auf den ruhenden Verkehr, also auf alles, was mit Parken zu tun hat.
Neue Regel soll nur für Neubauten gelten
Größere Parkplätze für größere Autos - wie passt das zu den Themen Verkehrswende und das Bestreben beispielsweise des Berliner Senats, die Innenstädte möglichst autofreier zu machen? Gleich zu Beginn des Gesprächs stellt die Mobilitätsforscherin klar: Die Empfehlung ihres Teams beziehe sich ausdrücklich auf Neubauten, nicht auf bestehende Parkplätze. Im Straßenraum nehme das Parken ohnehin schon viel Platz weg, sagt sie. "Da lassen wir es bitte so, wie es ist. Aber für neue Parkplätze, Parkhäuser und Tiefgaragen sollte die Richtlinie angepasst werden, weil die Fahrzeuge nun mal größer werden."
Ihr sei klar, dass diese Empfehlung auf Kritik stoße. Sie und ihre Kollegen würden oft damit konfrontiert, sie würden dafür sorgen, dass sich Menschen mit ihren großen Autos wohlfühlten. Trotzdem verteidigt sie die 2,65 Meter breite Parklücke der Zukunft: "90 Prozent der Infrastruktur ist schon gebaut. Das heißt: Die großen Autos haben jetzt schon ein massives Problem. Und wenn wir uns jetzt vorstellen, es wird ein neues Parkhaus gebaut und es entspricht nicht den jetzigen Fahrzeugen, dann ist das Geld für das Parkhaus aus dem Fenster geworfen."
Es sei also besser, die großen Autos in die Zukunftspläne mit einzubeziehen. "Die Frage ist doch eher: Warum fahren die Menschen mit diesen riesigen Autos herum?", gibt Schäfer zu bedenken.
SUVs und Geländewagen sind besonders beliebt
Laut Kraftfahrtbundesamt nimmt die Zahl der zugelassenen Autos seit Jahren zu. Besonders beliebt sind SUVs und Geländewagen. In Berlin sind aktuell mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Die Anzahl steigt auch hier: Jährlich um drei bis vier Prozent.
In einer Studie mit dem Titel "Autos und Stadtraum" [tu.berlin] der Technischen Universität (TU) Berlin heißt es außerdem: Die Pkw seien seit 1950 immer länger geworden. Die maximale Länge betrage aktuell 6,80 Meter. Das seien 60 Prozent mehr als 1950. Auch die Breite der Fahrzeuge nehme seit 70 Jahren zu: Im Schnitt betrage diese mehr als 2,10 Meter mit Spiegel. Das sei eine Steigerung um fast 35 Prozent.
Problem wird schon länger diskutiert
Siegfried Brockmann, Leiter bei der Unfallforschung der Versicherer (UDV), ist das Problem ebenfalls bewusst: "Ich glaube, jeder hat sich schon mal darüber geärgert, dass ein Auto zwei Parkplätze belegt hat oder dass Fahrzeuge in die Fahrbahn hineinragen." Dies sei eine Folge davon, dass das Auto von heute nicht mehr in die Parklücke passe. Deswegen würden Experten das Problem auch schon länger diskutieren und man habe sich darauf geeinigt, dass man darauf reagieren müsse.
"Wir werden das Problem mit den großen und schweren Autos aber nicht anhand der Parkplatzfrage lösen", sagt er dem rbb. Solange der Verbraucher große, breite Autos fahren möchte, werde das Problem bestehen bleiben.
Umkämpfter Straßenraum
Wissenschaftler Oliver Schwedes hat zusammen mit seinem Kollegen Felix Huber an der oben genannten TU-Studie gearbeitet. In einer Pressemitteilung vom November schreibt Schwedes: "Es ist, als ob sich die deutsche Automobilindustrie der olympischen Idee verschrieben hätte – höher, schneller, weiter, im Fall der Autos – breiter. Nur ist es nicht das, was in der Stadt- und Verkehrsplanung gegenwärtig und künftig notwendig ist – nämlich kleine, leichte, sparsame und vor allem auch flächensparende Modelle zu bauen."
Das Gewohnheitsrecht 'freie Fahrt und freies Parken für freie Bürger' beschneide die Rechte Dritter, so Schwedes weiter. "Alle Nicht-Autofahrer sehen sich gezwungen, sich den städtischen Raum zurückerobern zu müssen. Das ist nicht sozial und nicht gerecht." Schwedes ergänzt: Diese Rückeroberung des städtischen Raums durch Nicht-Autofahrer werde von Autofahrenden als eine Art Enteignung erlebt.
Andreas Knie: Viele Autos, weil es viele Parkplätze gibt
Auch Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, sagt: Größere Parkplätze seien keine gute Idee für Innenstädte. Das Problem sei, es gebe zu viele Autos, weil es zu viele Möglichkeiten gebe, sie abzustellen.
"Im Moment ist Berlin ein Paradies für Autofahrende, und das muss man ändern." Die Idee, dass alle Menschen Auto fahren sollten, sei für die Städte schon lange nicht mehr leistbar. "Das heißt, wir müssen den Platz verknappen. Man muss den Menschen sagen, die Zahl der Parkplätze wird deutlich geringer werden und sie werden teurer. Und dann werden wir am Ende des Tages auch weniger Autos haben."
Verkehrsplanerin: Autos sollen in Parkhäuser fahren
Die Verkehrsplanungsexpertin Schäfer stellt sich die Stadt der Zukunft eigentlich auch anders vor, verrät sie zum Ende des rbb-Gesprächs. Künftig sei das Parken im Straßenraum massiv zu reduzieren, sagt sie. "Wer Auto fahren möchte, soll in die Parkhäuser fahren. Im Straßenraum brauchen wir den Platz für die anderen Verkehrsmittel. Das heißt, mein Stadtbild der Zukunft ist: Viel weniger Autoverkehr, viel weniger parken und Platz für die anderen umweltfreundlichen Verkehrsmittel."
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.01.2023, 19:30 Uhr