Fast 70 Tage Hungerstreik - Ärzte lehnen weitere Verantwortung für hungernden Klima-Aktivisten ab

Fr 17.05.24 | 11:11 Uhr | Von Anna Bordel
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Camp der Hungerstreikenden im Berliner Invalidenpark (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Seit einigen Wochen sind mehrere Menschen in Berlin für eine radikalere Klimapolitik in den Hungerstreik getreten. Einem der Streikenden geht es zunehmend schlechter. Ärzte dürfen in Deutschland allerdings niemanden gegen seinen Willen behandeln. Von Anna Bordel

  • Ärzte wollen gesundheitlichen Zustand eines Streikenden nicht länger verantworten
  • Menschen dürfen in Deutschland nicht gezwungen werden, sich ärztlich behandeln zu lassen
  • Bundesregierung will sich nicht zu Forderungen der Hungerstreikenden äußern

Fünf Menschen sind derzeit im Aktionsbündnis "Hungern bis ihr ehrlich seid" in Berlin im Hungerstreik. Damit wollen sie auf die ihrer Ansicht nach verfehlte Klimapolitik der Bundesregierung aufmerksam machen und sie zu einer radikalen Kehrtwende bewegen.

"Wir müssen jetzt, wenn auch mit Jahren Verspätung, radikal umsteuern", heißt es aus der Website des Bündnisses. Zeitweise befinden sich die Streikenden in einem Camp im Invalidenpark in Berlin. rbb-Reporter konnten am Dienstagvormittag nur einen von ihnen dort antreffen.

Knapp 70 Tage ist der am längsten Streikende dabei

Am längsten ist Wolfgang M. mit bald 70 Tagen dabei. Die anderen sind anschließend dazugestoßen. Bislang wurden alle fünf Mitglieder von einem nicht näher bekannten Ärzteteam regelmäßig untersucht und betreut. Einem der Hungerstreikenden, Michael W., geht es aber mittlerweile der Sprecherin zufolge derart schlecht, dass die Ärzte für ihn nicht weiter die Verantwortung übernehmen wollen. Die weiteren Hungerstreikenden würden demnach weiter von den Ärzten versorgt.

Michael W., der sich seit knapp 30 Tagen im Hungerstreik befindet, ist der Sprecherin zufolge zwar noch ansprechbar, sei aber allgemein sehr schwach und könne die Körpertemperatur nur noch schwer halten. Das Ärzteteam wollte sich auf rbb24-Anfrage nicht dazu äußern.

Nicht jeder Hungerstreikende streikt bis zum Tod

Müssen Ärzte aber einem Menschen nicht helfen, wenn er zu sterben droht? Nein, sagt Torsten Münnch, Berliner Rechtsanwalt für Medizinrecht. In Deutschland ist die Rechtslage an der Stelle recht eindeutig: Einen Menschen gegen seinen Willen medizinisch zu behandeln, zum Beispiel zwangszuernähren, ist unzulässig, sagt er. Damit folgt Deutschland der Weisung der Weltärztekammer, die Zwangsernährung verbietet.

Wichtig sei, sich als Arzt zu Beginn der Behandlung von Hungerstreikenden die Bedingungen klarzumachen. Nicht alle Hungerstreikenden würden das Ziel erklären, bis zum Tod streiken zu wollen, meint Münnch. Einer der aktuell im Invalidenpark Streikenden hat beispielsweise bereits 2022 gestreikt, nach 18 Tagen beendete er den Streik.

Ärzte müssen sich an Patientenwillen halten

Im Fall von Michael W. ist es laut Rechtsanwalt möglich, dass er die angebotene Behandlung der Ärzte abgelehnt habe und diese deshalb die weitere Verantwortung nicht mehr übernehmen wollen, meint Münnch. Unterlassene Hilfeleistung sei das in dem Fall nicht, da Michael W. ja nach wie vor ansprechbar sei und sich selbst helfen könne, indem er wieder anfange zu essen. Ärzte dürfen laut Strafgesetz ein selbstbestimmtes Sterben ermöglichen, so Medizinrechtler Münnch. Der Berufsordnung der Ärztekammern zufolge ist es aber nicht Aufgabe der Ärzte, bei der Selbsttötung mitzuwirken, sagt er.

Übrigens müssen Ärzte auch wenn der Streikende bewusstlos wird, weiterhin nach seinem zuvor geäußerten Willen handeln, so Münnch. Sofern sich die äußeren Umstände nicht ändern und davon auszugehen ist, dass sich dadurch sein Wille geändert haben könnte.

Der Bundeskanzler lässt sich nicht erpressen

Im Fall von Michael W. haben sich die Umstände nicht verändert und werden sie absehbar auch nicht. Bereits Anfang April sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf die Frage nach den Hungerstreikenden, dass die Bundesregierung mit ihrer Klimapolitik auf einem guten Weg sei und diese fortsetzen werde. Der Bundeskanzler werde ihm zufolge konkrete einzelne Forderungen nicht erfüllen. Mit anderen Worten: Der Bundeskanzler lässt sich nicht erpressen.

Michael W. und die anderen Hungerstreikenden haben bereits entschieden, dass das für sie den Tod bedeuten könnte.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir geschrieben, dass Beihilfe zum Suizid in Deutschland strafbar ist. Das stimmt so nicht. Strafrechtlich ist es Ärzten nicht verboten, selbstbestimmtes Sterben zu ermöglichen. Die Berufsordnung der Ärzte sieht es allerdings nicht als ärztliche Aufgabe. Wir habe das in dieser Version des Textes konkretisiert.

 

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Sendung: Radio Fritz, 07.05.2024, 12:30 Uhr

Beitrag von Anna Bordel

15 Kommentare

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  1. 15.

    Was die Umweltverbände erreichen oder erreichen wollen, reicht aber nicht! Führende, unabhängige Forscher warnen eindeutig davor, das wir in unseren Bemühungen nicht ausreichend sind...aber auf diesem Ohr ist die Regierung taub...es zählt nur noch du die Wirtschaft und der Mammon

  2. 14.

    Die Bundesregierung lässt sich doch aber immer wieder von anderen Regierungen und Politikern erpressen!!!

  3. 13.

    Solche Aktionen sind mir völlig unverständlich.
    Aus den Bericht geht hervor das Ärzte den Willen der Hungerstreikenden akzeptieren müssen.
    Also, ehrlich wie dumm muss man sein sich wegen der Klimapolitik seine Gesundheit zu ruinieren. Davon ändert sich das Klima auch nicht.
    Wollen die alle als Märtyrer durchgehen?

  4. 12.

    "Der Bundeskanzler lässt sich nicht erpressen" es ist ja auch kein Traktor oder Misthaufen im Spiel. So scheinheilig ist die Politik in der Klimafrage und jene Bauern jammern jetzt herum das ihr Obst erfroren ist. Schaut man nach Asien kann man sehen was uns noch bevor steht.

  5. 11.

    Bitte schalten Sie doch die Kommentarfunktion ab.
    Das bezieht sich nicht auf Matzes Kommentar

    Das Elend in den Threads der anderen Artikel zum Thema ist unerträglich. Und alles, was man raushauen kann, gesagt.

    Wie immer man auch zum Hungerstreik als Mittel politischer Stellungnahme steht, hier ist das Thema Lebensgefahr eines Menschen. Was wollen Sie als Redaktion in den Kommentaren lesen?
    Gefasel ohne Anteilnahme.
    Selbsternannte Juristen, Ärzte etc. ,hasserfüllte Ausfälle gegen Abgeordnete und andere Menschen. Und all das, was unweigerlich immer reingeschrieben wird. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit.

  6. 10.

    Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Es wird über diese Ziele geschrieben . Erpressung der Regierung, und Medienwirksamkeit. Ein einzelner kann nichts erreichen. Sich aktiv in umweltverbänden einsetzen wäre eine vernünftige Alternative, als dieses Märtyrertun.

  7. 9.

    Die Bundesregierung darf sich nicht erpressen lassen.

  8. 8.

    Mir fehlt hier der Hintergrund. Was genau fordern diese Menschen? Und was genau meint die Regierung, was ohnehin ausreichend getan wird? Können Sie das gegenüberstellen?

  9. 7.

    und ? Erpressung bleibt Erpressung!

  10. 5.

    Ich habe hier kein Mitleid.

  11. 4.

    Ich habe für die Aktion sehr wenig Verständnis und schon gar kein Mitgefühl. Wer meint mit radikalen Mitteln und Methoden seine Ansichten umsetzen zu können und Menschen mit anderen Sichtweisen zu erpressen kann das gerne tun. Einige nennen das dann wohl „Demokratie“. Die Betreffenden werden mit den Maßnahmen die Welt nicht verändern.

  12. 3.

    Nur eine Frage , Warum erfährt man nichts über das Ziel dieser Aktion in diesem Bericht?

  13. 2.

    Das Ist schlicht und einfach Erpressung, ohne eine Lösung zu erzielen. Für den möglichen Tod, der ja auch in Kauf genommen wird, gibt es keine Rechtfertigung. Umweltverbände erreichen Veränderungen, dabei sollte man unterstützen.

  14. 1.

    Die Bundesregierung hat sich von wild blockierenden Bauern und deren Lobbyorganisationen erpressen lassen für absolut eigennützige Ziele. Konkrete Forderungen umgesetzt. Doppelzüngigkeit par excelllence.

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