Gute Bedingungen für Vogelart - Berlin ist "Spatzenhauptstadt"

Fr 09.08.24 | 06:10 Uhr | Von Kira Pieper
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Ein Schwarm von Spatzen wird mit Brotkrumen gefüttert. (Quelle: dpa/Christoph Hardt)
Bild: dpa/Christoph Hardt

Im Park hört man sie zuhauf tschilpen, im Restaurant lauern sie auf Brötchenreste. Aus Berliner Sicht ist kaum zu glauben, dass der Spatz in Deutschland auf der Vorwarnliste steht. Warum geht es dem Vogel in der Hauptstadt so gut? Von Kira Pieper

An einem Sommernachmittag im Tiergarten: Der Biergarten ist gut belegt, an den Tischen wird nicht nur getrunken, sondern auch gegessen, überall fallen Krümel. Sie bleiben nicht lange liegen, eine Horde Spatzen (eigentlich: Haussperlinge) machen sich laut tschilpend über den menschlichen Abfall her.

Die großen Spatzen-Ansammlungen täuschen. Tatsächlich steht die Vogelart auf der Vorwarnstufe der Liste der bedrohten Arten. Das heißt: Die Tiere sind nicht gefährdet, aber ihr Bestand ist merklich zurückgegangen. Das liegt daran, dass die Vögel sowohl in der Stadt als auch auf dem Land nicht mehr ausreichend Nahrung finden. Es gibt immer weniger naturnahe Flächen, die Gestaltung von Grünanlagen und Gärten ist nicht im Sinne der Vögel. Hinzu kommt: regelmäßiges Rasenmähen.

Berlin hat viele "wilde Ecken"

Haussperlinge ernähren sich von Sämereien, die sie von Wildpflanzen wie Löwenzahn, Brennnessel oder Mohn sowie von Beeren und Früchten verschiedener Sträucher oder Fassadenbegrünungen wie Efeu picken. Wenn die Vögel Junge haben, brauchen sie auch eiweißhaltige Nahrung. Also Insekten, die eben vornehmlich auf wilden Grünflächen vorkommen.

In Berlin sei die Nahrungssituation für Haussperlinge günstig, erklärt Imke Wardenburg, Expertin für Artenschutz am Gebäude beim Nabu Berlin. Denn die Hauptstadt sei vergleichsweise grün und es gebe viele "wilde Ecken". Und ja: Spatzen profitieren auch von den Essensresten in Restaurants und Cafés. "Das ist zwar nicht die gesündeste Nahrung für die Vögel, aber erfüllt ihren Zweck", so Wardenburg.

Gute Brutbedingungen

Das Resultat der guten Bedingungen: 190.000 Spatzen-Paare leben in Berlin. Anlass genug für für Imke Wardenburg, Berlin als "Spatzenhauptstadt" zu bezeichnen. Zum Vergleich: In Hamburg gibt es 16.000 Brutpaare. Dort ist der Bestand in den vergangenen 15 Jahren um 45 Prozent eingebrochen.

Die Vogelpaare finden in Berlin außerdem gute Nistmöglichkeiten. Die Gebäudebrüter mögen besonders die noch vielen unsanierten Häuser mit ihren Löchern in den Fassaden und Höhlen unter brüchigen Dachziegeln. Also alles, was aus menschlicher Sicht nicht mehr intakt ist, bietet den Tieren perfekte Brutbedingungen.

Gute Arbeit der Naturschutzbehörden

Und noch etwas spielt den Tieren in die Karten: Laut Wardenburg wird der Artenschutz in Berlin von den Naturschutzbehörden vergleichsweise gut umgesetzt. "Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind nicht nur die Tiere selbst geschützt, sondern auch die Nester und die Strukturen am Gebäude, in denen sich die Nester befinden", erklärt die Expertin. Wer baue, müsse dafür sorgen, dass keinem Tier zu Schaden komme und kein Nistplatz verloren gehe.

Wenn die Bauarbeiten beendet seien, müssten deswegen Nistkästen an der Fassade angebracht werden. "Berlin weist inzwischen eine beachtliche Anzahl an Ersatznistkästen auf", sagt Wardenburg. Allerdings komme es auch vor, dass der Artenschutz nicht beachtet werde.

Auch Bürger und Bürgerinnen können helfen

Damit Berlin Spatzenhauptstadt bleibt, können Bürger und Bürgerinnen mithelfen. Imke Wardenburg hat ein paar Tipps: "Sollen Bauarbeiten an Gebäuden stattfinden, an denen Spatzenbrutplätze bekannt sind, kann man dies der Unteren Naturschutzbehörde des jeweiligen Bezirks oder bei uns beim Nabu melden." Damit verhindere man zwar keine Bauvorhaben, stelle aber sicher, dass der Artenschutz berücksichtigt werde und Nistplätze durch Kästen ersetzt werden.

Außerdem rät sie, im Garten oder auf dem Balkon heimischen Stauden zu pflanzen. Diese sollten dann im Herbst stehen gelassen werden, damit die Samen im Winter als Nahrung dienten. Jetzt bei heißem Wetter solle man Vogeltränken aufstellen.

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Beitrag von Kira Pieper

22 Kommentare

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  1. 21.

    Hier jwd schnattern die Friedens-Tauben noch vor Sonnenaufgang. Sind wohl aber nicht so zahlreich und dreckig wie in Berlin.

    Zum Glück werden die Tage jetzt kürzer.

  2. 20.

    So isses.
    Das Spatzenlärmproblem vertreibt die Menschen zunehmend aus den Städten.

    Nicht die 24/7 durch die Straßen tobenden Autos und Motorräder, die Lkws oder das Gegröle der Ständigbesoffenen. Nö, die Spatzens sinds, die uns das Leben verleiden.
    Wie schon weiter unten geschrieben:
    Ich bin ja ein Naturfreund, aber was zu viel ist ist zu viel.

  3. 19.

    Naja, die kleinen Biester sind auch schön frech. Wir Menschen gehen ins Kino, der Spatz vll. ....
    Mal so richtig ablachen ;-).

  4. 18.

    Ein schön zu lesender Artikel. Man kann sich gut in die Lebensbedürfnisse der Spatzen hineinversetzen. Ich frage mich, wie man die Spatzenpaare zählt und warum nur die Eltern und nicht die kleinen Kinder. Außerdem bezeichnet sich Hamburg auch als grüne Stadt und wenn man dort durch einige Stadtteile streift, fällt ein Sanierungsstau auf. Tatsächlich soll wohl die Berliner Bürokratie und der Aufruf zum Denunziation (Anzeige bei Bauvorhaben) den Unterschied bringen.

  5. 17.

    "Also früh um 5 ein Spatz vor dem Schlafzimmerfenster ist alles andere als lustig. "

    So ein mürrischer Mensch morgens um 5 ist für den Spatzen bestimmt auch kein schöner Anblick.

  6. 16.

    Hallo? Schlecht geschlafen? Mal die Kirche im Dorf lassen! Es geht um Spatzen, die geschützt werden müssen! Auf meinem Fensterbrett streu ich immer Futter. Meist Hafer, den akzeptieren sie.

  7. 15.

    Das ist Ihr Problem! Ich bin auf Seiten der Spatzenmusik! Gibt auch Ohrstöpsel!

  8. 14.

    Wie recht Die haben! Ich streu immer Haferflocken aufs Fensterbrett und die süßen Spatzen fressen sie Tütenweise!

  9. 13.

    Hat sich da in den vergangenen drei Jahren etwas wesentlich verändert ? Auf Nachfrage war das Zufütterungsverbot von Wildtieren (damals) seitens des Senats bibelgleich, da hiess es explizit, dass ies zw. Frühjahr und Herbst ein MEHR als ausreichendes Nahrungsangebot gäbe.

    Egal was die rechtliche Lage hergibt: Die letzten zwei Scheiben Toast, die Chipskrümel, etc. landen bei mir IMMER auf der rattenunzugänglichen Fensterbank... meistens sind die Krähen aber schneller.

    Das mit dem Lärm sehe ich auch so. 2 mal nen Krad nachts bei geöffnetem Fenster, und ich würde lieber Hitckcocksche Zustände haben !

  10. 12.

    Antwort auf "Steffen" vom Freitag, 09.08.2024 | 07:31 Uhr
    "Also früh um 5 ein Spatz vor dem Schlafzimmerfenster ist alles andere als lustig. Dann ist die Nacht vorbei." Ich lasse mich lieber von den Spatzen wecken, als von Autos....

  11. 11.

    Also Turmfalken auf dem Balkon zwischen den Pflanzen, das ist schon außergewöhnlich.

  12. 10.

    Wenn draußen auf den Straßen Futter verstreut wird, bin ich durchaus Ihrer Meinung. Mein bescheidener Beitrag zur Fütterung von Sperlingen hält sich aber in Grenzen. Gerade erst gab es eine kleine aber feine Ration Erdnüsse. Alle waren sie da. Auch Blau u.Kohlmeise.

  13. 9.

    @Steffen "Die Gesundheit der Menschen sollte an erster Stelle stehen." Erzählen Sie das bitte mal den Zeitgenossen mit Laubbläsern, Sirenen, Aufsitzrasenmähern, Harleys, Dukatis der was auch immer Getunetes.
    Und bitte auch dem maroden Gesundheitssystem.

    Also echt mal. Ich freue mich hier "tierisch" darüber, dass wir in Berlin Spatzenhauptstadt sind. Die sind flink und klug.
    Hier unten haben sie es wohnlich in den Büschen vor den beiden Tischen vorm Bäcker eingerichtet. Pole position.
    Auch mich besuchen sie täglich. Frisches Wasser mögen alle Tiere.

  14. 8.

    Gerade der spezielle städtische Raum Berlins bietet vielen Vogelarten, aber auch anderen Tierarten überlebenswichtige Rückzugsorte.
    Naturschutz heißt hier auch, die Bedingungen, welche den Ansprüche der Arten zum Überleben dienen, zu erhalten und zu pflegen.
    So finde ich es erfreulich, dass Berlin sich nicht nur Hauptstadt der Nachtigallen, sondern der Spatzen nennen kann.

  15. 7.

    Wir haben als Garten eine Obstwiese und mähen erst Anfang Juli und noch einmal im Herbst. Die vielen verschiedenen Gräser sorgen für ein Insektenparadies. Daher kommen immer sehr viele Vogelarten in den Garten. Natürlich auch viele Spatzen. Die meisten anderen Gärten in der Nachbarschaft fallen einem Rasenmäher-Wettstreit zum Opfer. Der Rest ist Wald und Landwirtschaftsfläche. Man merkt sofort das dort nur wenige Vögel in der Brutzeit nach Futter suchen.

  16. 6.

    Klar wird gefüttert, auch im Sommer. Da müssen die Vögelchen schließlich ihre Babys versorgen und brauchen dann nicht so viel suchen!
    Dafür präsentieren sie ihren Nachwuchs und bringen ihm das Fressen bei. Vogelschule eben, schön zu beobachten!
    Es werden aber auch andere Arten angelockt, z.B. Stare, Drosseln, Spechte, Meisen, Kernbeißer....
    Um die angelockten Nager kümmert sich der Falke!

  17. 5.

    Wildtiere zu füttern halte ich für keine gute Idee. Es entstehen unnatürlich grosse Populationen davon. Konflikte in den Wohngegenden mit dem Menschen sind dann unausweichlich. Abgesehen von immer grösseren Ratten und Mäuseplagen durch die Fütterung. Die Gesundheit der Menschen sollte an erster Stelle stehen.

  18. 4.

    Schon seit nun mehr zwei Jahren füttere ich die Spatzenhorde auf mein Balkon. Sommer wie Winter. Und zwar mit kleingehackten Erdnüssen. Ist so, als würde ich den Piepmätzen täglich Schokolade in den Futternapf geben. Sie lieben die Nüsse sehr. So sehr, dass die Futterstelle immer brav leer gefressen wird. Leider lockt die Herde auch ihren Feind an, den Turmfalke. Aber die Spatzen sind sehr flink u.entwischen ihm immerzu. Erst vor ein paar Tagen saß wieder ein bildschöner Turmfalke versteckt auf dem Balkon zwischen den Pflanzen. Erst als ich mich bemerkbar machte flog er davon.

  19. 3.

    Ich würde mich als Tierfreund bezeichnen. Auch Mitglied im Nabu usw. Aber bei uns leben ca. 60-80 Spatzen vor unserem Haus. Früher gab es hier deutlich mehr Diversität von Vögeln. Die Spatzenpopulation ist so dominant geworden, dass es hier kaum noch andere Vogelarten gibt außer noch Krähen und Elstern.
    Ich kann mich Steffen nur anschließen. Es ist äußerst schwierig bei der Dauerbeschallung noch zu entspannen da es von Sonnenaufgang bis Untergang kaum ruhige Zeiten gibt. Ich verstehe Naturschutz absolut aber man sollte vielleicht auch andere Seiten sehen.

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