Fragen & Antworten - 2025 startet die elektronische Patientenakte

Di 26.11.24 | 06:06 Uhr
  16
Eine Ärztin arbeitet in ihrer Praxis für Allgemeinmedizin am Computer. (Quelle: dpa/Daniel Vogl)
dpa/Daniel Vogl
Video: Super.Markt vom rbb | 18.11.2024 | Bild: dpa/Daniel Vogl

Ärzte benötigen möglichst viele Informationen über ihre Patienten, etwa im medizinischen Notfall. Doch die liegen selten vor. Die elektronische Patientenakte (ePa) soll Abhilfe schaffen. Doch wie sind Nutzen und Risiken?

Derzeit bekommen bundesweit rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte Post von ihrer Krankenkasse - mit der Ankündigung, dass die elektronische Patientenakte (ePa) Mitte Januar 2025 flächendeckend eingeführt wird. Laut einer aktuellen AOK-Umfrage wollen 75 Prozent der Berliner und 76 Prozent der Brandenburger die ePa nutzen.

Die elektronische Patientenakte wird von den gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten angelegt. Privat Versicherte müssen selbst aktiv werden, wenn sie eine solche Akte wollen. Ab dem 15. Januar 2025 sollen die ePas in einigen Modellregionen eingeführt werden, Mitte Februar dann bundesweit.

In der ePa können alle Gesundheitsdaten hinterlegt werden. Zugang erhalten Arztpraxen durch das Einlesen der Versichertenkarte.

Wie läuft die Umstellung praktisch ab?

Die ePa wird als App der jeweiligen Krankenkasse auf dem Smartphone der Versicherten installiert. Diese können dann selbst Dokumente - etwa Befunde oder Laborergebnisse - abfotografieren, in die App laden und so in der Akte ablegen. Auch selbst geführte Tagebücher mit Blutdruckmessungen können angelegt werden.

Dabei soll es für Versicherte möglich sein, selbst festzulegen, welches Dokument für wen sichtbar ist. Das kann über Vertraulichkeitsstufen laufen: Ein Dokument in der E-Akte wird entweder als freigegeben für alle markiert, die über den Chip der Gesundheitskarte Zugriff haben, oder es wird nur für bestimmte Ärzte freigegeben oder als gesperrt markiert, so dass nur der Patient selbst es sehen kann.

Nach Auskunft der Verbraucherzentralen soll es jederzeit möglich sein, Inhalte einzusehen, einzufügen, zu löschen oder zu verbergen oder auch Zugriffsrechte zu ändern.

Ärzte befüllen die Akte über den Praxiscomputer mit Befunden zu aktuellen Behandlungen. Auch die Krankenkassen selbst können in der Akte Daten ablegen, etwa welche Leistungen abgerechnet wurden. So ist für Patienten schnell nachvollziehbar, wann welcher Arzt besucht, welche Diagnose dort gestellt oder welches Medikament wann verschrieben wurde.

Wie transparent ist die ePa?

Befürworter erklären, die ePa bringe Transparenz und eine größere Informiertheit von Patienten, weil diese selbst einen Überblick über die eigenen Gesundheitsdaten bekommen. Mithilfe der Daten könnte es auch leichter werden, Zweitmeinungen einzuholen oder gezieltere Rückfragen bei Ärzten zu stellen.

Außerdem könnten die Daten einer ePa im Notfall sehr wichtig sein und Behandlungen vereinfachen. Beispielsweise sei es wichtig, von bestimmten Unverträglichkeiten zu wissen, sagt Dr. Ralf Offermann, leitender Oberarzt der Notaufnahme der Berliner Charité. Das gelte zum Beispiel für den Einsatz von Kontrastmitteln bei radiologischen Untersuchungen. Er gehe davon aus, dass solche sicherheitsrelevanten Daten in der ePa vorhanden seien - "und dann für uns auch immer einsehbar sind".

Wie ist es um Nutzerfreundlichkeit und Datenschutz bestellt?

Kritiker bemängeln, dass die Steuerung der Akte per Smartphone-App ältere oder weniger technikaffine Menschen überfordern könnte. Jeder Nutzer kann allerdings eine vertrauenswürdige Person festlegen, die sich um die technische Betreuung der Akte kümmert.

Gegner kritisieren oft die unzureichende Datensicherheit der elektronischen Patientenakte. Das Szenario: Arbeitgeber oder Versicherungen könnten irgendwie an Patientendaten kommen. Die dahinterliegende Befürchtung ist, dass Versicherungsbeiträge für bestimmte Personengruppen steigen könnten oder ein Versicherter marginalisiert wird, "weil vielleicht in seiner elektronischen Patientenakte zu lesen war, er sei depressiv", erklärt der Berliner Psychotherapeut Christian Esser.

Das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt hat die geplanten Sicherheitsvorkehrungen der ePa gecheckt und Verbesserungsvorschläge gemacht. Wenn die einbezogen würden, sei "die Spezifikation als solche nach Stand der Technik als sicher anzusehen", sagt Softwareentwickler Steven Arzt.

Auch die Verbraucherzentralen (VZ) sehen das so: Die Anforderungen an die Datensicherheit seien sehr hoch. Die Akte und die darin enthaltenen Dokumente und Daten werden nach Angaben der VZ zentral auf Servern in Deutschland gespeichert und verschlüsselt. Technisch läuft das über die sogenannte Telematikinfrastruktur, ein in sich geschlossenes Netzwerk, an das die Akteure des Gesundheitswesens angebunden sind.

Laut Gesundheitsministerium kann niemand außer den Versicherten und denjenigen, die von ihnen zum Zugriff berechtigt wurden, die Inhalte der E-Patientenakte lesen. Ein Risiko von Datenklau und Hackerangriffen besteht im digitalen Raum allerdings immer, die Nutzung solcher Technologien bleibt also auch immer eine persönliche Abwägung.

Was sagen Ärzte zur ePa?

Nach dem Digitalisierungsreport im Auftrag der DAK, Ärztezeitung und Springer Medizin standen 2021 zwei Drittel der Ärzte in Deutschland der elektronischen Patientenakte skeptisch gegenüber. Manche raten ihren Patienten aktuell auch zum Widerspruch.

Der größte Kritikpunkt von Psychotherapeut Christian Messers an der ePa ist, dass es dann keine ärztliche Schweigepflicht mehr gebe. "Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte ist diese Schweigepflicht zu Ende. Das heißt, dass alle Daten, die in dieser ePa sind, allen Leistungserbringern des Gesundheitssystems, allen, die beteiligt sind, offengelegt werden."

Verbraucherschützer sehen das weniger problematisch, denn der Versicherte allein entscheide, wer seine Daten sehe. "Das Recht ist an sich schon gut und ausführlich geregelt. Grundsätzlich haben die Versicherten viele Möglichkeiten einzustellen, welche Leistungserbringer welche Daten einsehen können", erläutert Thomas Moormann, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Wie kann man widersprechen?

Wer nicht möchte, dass eine ePa für ihn angelegt wird, kann widersprechen, muss das aber vorher tun. Wie das geht, kann er bei seiner Krankenkasse erfragen.

Kritiker bemängeln, dass in den Anschreiben der Krankenkassen oft konkrete Informationen dazu fehlen, wie man das Anlegen einer ePa per Widerspruch verhindert. Und oft werde dann nur ein Weg ausgewiesen: das Internet.

Bisher haben nur rund ein Prozent aller Versicherten der Einrichtung einer ePa widersprochen.

"Die Gefahr besteht, dass einzelne Versicherte den Widerspruch gar nicht äußern, weil die Hürden zu hoch gesetzt sind. Um das barrierefrei zu machen, muss es den Versicherten möglich sein, alle Kommunikationskanäle zu wählen", sagt Verbraucherschützer Thomas Moormann. Er befürchtet, dass ohne eine deutliche Verbesserung der Kommunikation das Vertrauen in die elektronische Patientenakte leiden könnte.

Wichtig: Die Form des Widerspruchs lässt sich frei wählen. Wenn man dem aktuellen Anschreiben der Krankenkassen allerdings nicht widerspricht, wird die ePa automatisch angelegt. Wird sie dann nicht von den Versicherten genutzt, wird sie hauptsächlich von den behandelnden Ärzten befüllt.

Sendung: Super.Markt, 18.11.2024, 20:15 Uhr

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Kommentare, bei denen die E-Mail-Adresse in den Feldern Name, Wohnort oder Text geschrieben wurde, nicht freigegeben. Mit Nutzung der Kommentarfunktion stimmen Sie unserer Netiquette sowie unserer Datenschutzerklärung (Link am Ende der Seite) zu. Wir behalten uns vor, Kommentare, die nicht zu einer konstruktiven Diskussion beitragen, nicht freizugeben oder zu löschen. Wir geben keine Auskunft über gelöschte oder nicht freigegebene Kommentare. Mit der Abgabe eines Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regeln und den Kommentarrichtlinien des rbb einverstanden.

16 Kommentare

  1. 16.

    Gibt es eine vorgegebene Ordnerstruktur in der ePA oder kann jeder Patient/Arzt die Dateien beliebig benennen und in beliebigen Ordnern ablegen?
    Gibt es einen Extra-Ordner nur für Medikamente/ Nahrungsergänzungsmittel/Drogenkonsum/Lebensgewohnheiten/Unverträglichkeiten/Patientenverfügungen?

  2. 15.

    Ich habe die ePa schon seit dem sie veröffentlicht wurde. Jeder kann selbst bestimmen wer was liest. Bei mir ist es der Hausarzt und mein KH+Notaufnahme. Aber solange ihr eure Daten nur dem Meta Konzert mitteilt, ist ja alles in Ordnung.

  3. 14.

    1. Frage: " wem dient was?...achso, man will ja nur unser
    "Bestes "...man ist ja so besorgt um das Wohlergehen der Bürger.....vor 2030 funktioniert dieses System eh nicht, wozu sollte nochmal die Gesichtserkennung auf der Gesundheitskarte dienen...?...vor Missbrauch.

  4. 13.

    Der Faktor Zeit spielt bei den übervollen Wartezimmern auch eine Rolle. Mit jedem Patienten ein Frage-Anwort-Spiel zu starten dauert und geht zu Lasten anderer Patienten. Da sind Fachinformationen die schnell und komprimiert vorliegen ein guter Schritt in Richtung Patientenzufriedenheit. Also mir ist das egal, was sie den Tag so über vor haben. Ich bin ja sowieso schon in der Praxis.

  5. 12.

    "Den Zahnarzt, Orthopäden, Internisten etc geht es nichts an unter welcher Krankheit der Patient noch leidet."
    Sicher, der Arzt kann jeden Patienten fragen unter was er sonst noch leidet. Sollte der Pat willens und (noch) in der Lage sein zu antworten, passt das schon irgendwie. Bei "Das-geht-den-gar-nichts-an-Patienten" kann das u.U. aber gesundheitlich problematisch werden. So kann es für den Zahnarzt wichtig sein zu wissen, ob der Pat bspw. eine Suchterkrankung hat. Das ist bei der Wahl eines lokalen Betäubungsmittels hinsichtlich der Menge und auch des verwendeten Medikamentes nicht gerade unwichtig. Orthopäden verschreiben auch Medikamente, da können Kreuzallergien mit anderen Verordneten auftreten. Der Hausarzt schickt sie zum "Durchleuchten", der Facharzt sie wieder weg. Bei Implantatträgern (Hüfte, Knie, Schultern, auch Zahnimplantate u.a.) ist beim MRT Vorsicht geboten. Im Krankenhaus kann das Wissen um Medikamentenunverträglichkeiten lebensrettend sein.

  6. 11.

    wenn ich nen Kilo Kartoffeln kaufe und weiß, dass ich mit nem App-kauf was Perverses unterstütze dann will ich das nicht.

    Allein zur Verhinderung von Mehrfachbehandlungen oder Fehldiagnosen ist digital natürlich toll.

    Analog klarzukommen empfinde ich als Mehrwert für eine Gesellschaft (Kein Strom, was war nochmal 12x8?)

    Wer vorab bezahlt bekommt nie Besuch vom Gerichtsvollzieher und wird nie Fishing-Opfer !

    Digital ist manchmal wie sich selber mitm Hammer aufn Kopp schlagen und sich dann übers Unwohlsein zu wundern ! Und da ist tic toc noch gar nicht mit drin. Uschies die sich den schorf aus den haaren kämmen, oder pickel platzen lassen, wow ! das hat die welt gebraucht !

  7. 10.

    Von dem Pin sagt hier keiner was! Die ePa ist auch nicht plötzlich da und zugänglich. Man muss sie erstmal freischalten. Ich finde die Idee super ,aber die Umsetzung wieder typisch deutsch... Es könnte gerade mit wichtigen Informationen... wie Allergien, Medikamente....transparenter sein. Ich denke jeder möchte vom Rettungsdienst bestmöglich versorgt werden?! Aber da steht wieder der Datenschutz im Weg....

  8. 9.

    Falsch. Es ist doch jedem selbst überlassen, welche Inhalte er für Dritte sichtbar macht. Diese Entscheidung kann ggf. auch (temporär) geändert werden.

  9. 7.

    In dem Jubel-Artikel geflissentlich ausgelassen: ALLE Daten stehen erstmal "für Forschungszwecke" zur Verfügung. Sprich, jedem mal schnell von Anzeigenunternehmen gegründeten "Institut", das eine lauwarme Bedarfs-Begründung formuliert.

    "Aber anonymisiert?" Eben nicht. Pseudonymisiert - womit die Daten mit minimalsten Aufwand die Fritz Müller zuzuordnen sind.

    Dass ein Notarzt erst nach der KK-Karte sucht und eine halbe Stunde Akten liest, bevor er eine Behandlung einleitet - wem will man das erzählen? Auf allergische Reaktionen ist er vorbereitet und kontrolliert sie wenn sie auftreten. Deswegen alle Gesundheitsdaten aller Bürger an die Werbeindustrie und jeden anderen halbgaren Kriminelle verschleudern? Andererseits, die sind gut vernetzt, da gibt es nach-ministerielle Aufsichtsratspöstchen ... ?

  10. 6.

    Endlich! Raus aus der analogen Steinzeit. Schluss mit doppelt und dreifach Untersuchungen, sinnvolle Medikation durch Transparenz. Danke Minister Lauterbach!

  11. 5.

    Das einzige was ich nachschauen werde ist ob Daten von Psychiatern / Psychotherapeuten auch für Zahnärzte, Orthopäden etc zugänglich sind. Das würde ich dann abschalten.

    Genauso wie Zahnärzte keine Befunde vom Hausarzt benötigen.

  12. 4.

    Die Freigabe ohne Zustimmung ist ein No Go gerade in einem so sensiblen Bereich.

  13. 3.

    “ Die Einführung und Freigabe ohne Einverständnis des Patienten ist ein Skandal.“
    Manchmal lernt man auch etwas in Deutschland. Muss man bei sowas (z.B. Organspende) zustimmen haben schon viele Leute keine Lust sich damit zu beschäftigen, wissen nicht wie wo was.
    Was meinen sie denn wo jetzt ihre Daten liegen ? Haben sie der Speicherung auf zig Servern von Ärzten, Krankenhäuser, Krankenkasse usw. zugestimmt ?

  14. 2.

    Volle Zustimmung.
    Den Zahnarzt, Orthopäden, Internisten etc geht es nichts an unter welcher Krankheit der Patient noch leidet.
    Die Einführung und Freigabe ohne Einverständnis des Patienten ist ein Skandal.

  15. 1.

    Bei Psychischen Erkrankungen sollte man der ePa mit Vorsicht entgegentreten. Das Einsehen dieser Infornationen von Ärzten die damit nichts zu tun haben, könnte zum Abwinken führen. Was man (nicht) hat, kann negativ für den Patienten entscheident für den Verlauf und/oder die Annahme bei Arztpraxen sein, nur aufgrund der Einsicht in die ePa.

Nächster Artikel