Kriegsverbrechen des NS-Regimes - Massaker von Sonnenburg jährt sich zum 80. Mal

Do 30.01.25 | 17:46 Uhr
  16
Fotografien von Opfern des Massakers von Sonnenburg im Martyriumsmuseum im polnischen Słońsk (Quelle: rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 30.01.2025 | Fred Pilarski | Bild: rbb

1945 wurden bei einer geplanten Massenermordung über 800 Gefangene in Sonnenburg getötet. Nur wenige Täter wurden verurteilt. Ein Museum und ein Denkmal erinnern an die Geschichte des Ortes.

Das Massaker von Sonnenburg (Polen) hat sich an diesem Donnerstag zum 80. Mal gejährt. Am 30. Januar 1945 waren bei einem Massaker im Zuchthaus von Sonnenburg, dem heutigen Słońsk, 819 Gefangene kurz vor der Ankunft der Roten Armee von der SS ermordet worden.

Beteiligt waren damals 17 SS-Soldaten und Gestapo-Beamte, die die Menschen aus Luxemburg und Norwegen, Belgien, Tschechien und den Niederlanden innerhalb von etwa fünf Stunden erschossen.

"Wir sind in einer Situation, das muss man sich mal wirklich auch vorstellen, wo der Geschützdonner in Frankfurt zu hören ist, wo der in Sonnenburg zu hören ist, wo die Häftlinge in ihren Zellen sitzen und schon denken 'Na, gleich ist der Krieg zu Ende. Wir kommen jetzt frei.'", sagt der Historiker Konrad Tschäpe, der die Gedenkstätte für die Opfer politischer Gewalt in Frankfurt (Oder) leitet.

Er hat sich intensiv mit dem wohl schwersten Verbrechen auseinandergesetzt, das je von Menschen aus Frankfurt (Oder) begangen wurde. Das Vorgehen der SS-Leute sei nicht nur brutal, sondern auch besonders heimtückisch gewesen, so Tschäpe: "Und natürlich schafft man auch in dem Zuchthaus eine Kulisse, wo man Motoren anstellt. Dass man also diese Schießgeräusche nicht vernehmen kann, als dass die Gefangenen getäuscht werden, auch über das, was ihnen bevorsteht. Also ein planvolles Handeln, ein klassischer Mord."

Nur wenige Täter verurteilt

Die Opfer sind sogenannte "Nacht-und-Nebel-Gefangene", Menschen, die von den Nazis und den besetzten Ländern dem Widerstand zugeordnet wurden. In der Logik der NS-Justiz galten sie als besonders gefährlich. Die Anordnung für die Massenerschießung kam von Herbert Klemm, Staatssekretär im Reichsjustizministerium, NSDAP- und SA-Mitglied.

Man habe versucht zu ermitteln, wer denn verantwortlich war, so Tschäpe "Und hat dann eben auch von diesen SS-Leuten Menschen vor Gericht gestellt. Aber wie das eben häufig so ist, auch dann in skandalöser Weise und blamabel für eine Demokratie, einfach nicht verurteilt."

Zwei Hauptverantwortliche, die Gestapo-Leute Nickel und Richter, wurden 1970 in Schleswig-Holstein wegen Beihilfe zum Totschlag wegen Verjährung freigesprochen. Herbert Klemm wurde im Dezember 1947 in Nürnberg vom Militärgericht unter anderem auch wegen der Vorgänge im Zuchthaus Sonnenburg zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

"Nazizeit nicht hinreichend erforscht"

In Słońsk erinnert ein Museum an das Massaker. Auf dem Gelände des nach dem zweiten Weltkrieg abgerissenen Zuchthauses befindet sich heute eine Gedenkstätte und das "Martyriumsmuseum Sonnenburg". Im Frankfurter Viadrina-Hauptgebäude, damals Gestapo-Zentrale, wo der Massenmord geplant wurde, erinnert daran nichts.

"Es gibt eine ganze Reihe von Verantwortlichkeiten, die in der Nazizeit eine wichtige Rolle gespielt haben. Eine Schwierigkeit, die ich sehe, ist dass die Geschichte der Stadt in der Nazizeit nicht hinreichend erforscht ist und die des Unihauptgebäudes und der Topografie der Gewalt erst recht nicht," sagte Tschäpe.

Das Zuchthaus in Słońsk wurde von 1933 bis 1934 als staatliches Konzentrationslager der Berliner Polizei genutzt. 1934 wurde es wieder in ein Zuchthaus umgewandelt und fortan Straftäter und politische Gefangene, später auch Deserteure und Zwangsarbeiter interniert, sowie ab 1941 Häftlinge aus Westeuropa, die nach dem "Nacht-und-Nebel-Erlass" in das Deutsche Reich deportiert wurden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.01.2025, 16:30 Uhr

Nächster Artikel

16 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 16.

    Na also! Da gehen tausende Menschen auf die Straße, um Ihre Angst und Wut zum Ausdruck zu bringen! Die Mehrheit der Vernunft, ist im deutschen Volk seit dem 2. Weltkrieg, tief verwurzelt! Mein Glückwunsch und Dank!

  2. 15.

    Warum ist es ,,selbstgefällig'' auf Demos gegen Rechts zu gehen? gehts noch? Oder sprechen Sie uns den Protest gegen den Rechtsextremismus in unserem Land, genauer gegen diese AfD, ab? Wenn Sie nicht gegen Rechts demonstrieren wollen, ist das allein Ihre verantwortung, Ihr Problem. Es ist erforderlich, gegen diese Bedrohung für unsere Gesellschaft, zu demonstrieren! ich gehe heute in Angermünde demonstrieren!

  3. 14.

    "Seit gestern gehören auch die Wähler der cDU dazu." - Genau diese Pauschalisierungen sind die beste Wahlwerbung für die AfD! Wenn wir uns für die besseren Menschen halten, weil wir auf Demos gegen Rechts gehen, ist das selbstgefällig und kreuzgefährlich. Ich demonstriere auch gegen Rechts, u.a. weil ich seit Jahrzehnten keine Renten mehr für ehemalige SS-Verbrecher im In - und Ausland zahlen müssen will.

  4. 13.

    "... Mit Verlaub ...", solch eine Überheblichkeit ist absolut unangebracht. Und wenn man seinen Besuch einer oder mehrerer KZ-Gedenkstätten in dieser Art hervorheben muss, hat man den Sinn dieser wichtigen Mahnmale überhaupt nicht verstanden.
    Millionen Bürgerinnen und Bürger haben die Gedenkstätten von Ravensbrück, Buchenwald, Ausschwitz... mit sehr nachhaltiger, lebenslanger Wirkung besucht. Sie haben es aber nicht nötig, sich damit hier oder auf X zu präsentieren.

  5. 12.

    Danke, genauso ist es.
    (Die Menschen wurden in Auschwitz ermordet, denn zu dieser Zeit war der Ort von den Deutschen belagert.)
    Nebenbei: Meine Mutter ist 1932 in Stettin geboren. Wenn wir aber heute ihre Geburtstadt besuchen, fahren wir nach Szczecin. Die Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg verloren - zu unser aller Glück!

  6. 11.

    Sehr guter Hinweis! Überall werden die mittlerweile veralteten damaligen deutschen Ortsnamen auf Wegweisern verwendet. Obwohl man auf aktuellen Landkart diese Ortsnamen nicht mehr findet.

  7. 10.

    Die Mehrheit, die eben nicht weiß, dass sich hinter Oswiecim Auschwitz verbirgt,macht mir weniger Angst als die Wähler die uns erneut in die Katastrophe schicken wollen.

    Seit gestern gehören auch die Wähler der cDU dazu.

  8. 9.

    Das war und ist auch der Anstoß der Polen - seinerzeit zwar seitens der PIS und eher taktisch bedingt, gleichwohl aber berechtigt, was DIESEN Umstand anbelangt.

  9. 8.

    Ich glaube, Sie haben "die Stoßrichtung" meines Beitrages, wenn ich das mal so bezeichnen will, etwas missverstanden. Bei der größten Mehrheit, die eben nicht weiß, dass sich hinter Oswiecim Auschwitz verbirgt, können solche entweder gedankenlosen oder aber völlig bürokratischen Bezeichungen nur eine geringere Betroffenheit auslösen, als wenn in bekannter Sprache "Ross und Reiter" genannt wird.

    Wenn Jemand heutzutage immer nur vom "Gesetz zur Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums" reden würde, ohne weitere Ausführungen, was sich tatsächlich dahinter verbirgt und welche Folgen es gehabt hat, würde ich auch auf Klartext dringen, um die systematische Ausgrenzung von Juden unmissverständlich zu benennen.

    Ich denke, es ist mehrerlei nötig: Auch der Protest gegen die Eingewöhnung der CDU bei schleichend inkaufgenommener und irgendwann systematisch inkaufgenommener AfD-Stimmen gehört dazu, ebenso wie Parteiaustritte.

  10. 7.

    Seht, wohin uns Nationalismus und Faschismus führen...

  11. 6.

    Sie haben völlig recht. Dieses „Oswiecim“ ist gleich doppelt irreführend, denn Viele wissen nicht, dass dies das damalige Auschwitz ist, und es verlagert den Massenmord ins Ausland, macht ihn gewissermaßen zu einer polnischen Angelegenheit.

  12. 5.

    Ist die Schreibweise nicht völlig unwichtig, in Anbetracht dessen dass gerade der Boden für eine neue faschistische Diktatur bereitet wird?

    Zwei Meldungen machen hingegen Mut:

    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/01/berlin-proteste-cdu-parteizentrale-migrationsplaene-afd-bundestag.html

    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundesverdienstkreuz-weinberg-100.html

  13. 4.

    Mit Verlaub, aber das weiß doch inzwischen jeder, das Auschwitz Oswiecim ist! Auch ich war schon da, neben Buchenwald.

  14. 3.

    Es soll natürlich Oswiecim heißen. Pardon für die falsche Schreibweise. Und doch zugleich erinnert genau dieser Umstand daran, dass die Allerwenigsten mit Oswiecim etwas anfangen können, die bürokratische Bezeichung in Form des polnischen Namens genau hier (nicht nur in Bad Kreuznach-Bad Münster) in eine Sackgasse führt.

    Was Slonsk / Sonnenburg angeht, hoffe ich auf eine sinnfälligere Bezeichnung und auf ein Springen über den eigenen Schatten, was bürokratische Regeln angeht.

  15. 2.

    Mit Verlaub, aber das weiß doch inzwischen jeder, das Auschwitz Osciewim ist! Auch ich war schon da, neben Buchenwald.

  16. 1.

    Bei allem, was nachvollziehbar ausgeschildert werden muss: Ich hoffe, es führt nicht zu so einem technisch-bürokratischen Akt wie in Bad Münster, einem Vorort von Bad Kreuznach, wo an einem im KZ umgebrachten Menschen mit der Inschrift zu einem Straßenschild erinnert wird: "Ermordet am ... in Osciewim / Polen."

    Damit ist auf bürokratisch-deutsche Art Auschwitz gemeint. Weil das auf polnischem Gebiet liegt, wurde das unverständlicherweise auf Polnisch bezeichnet, obwohl die Menschen in Polen seinerzeit keinerlei Einfluss darauf hatten und es Nazi-Deutsche waren, die dort Regie führten.

    Genau so eine Ausschilderung wird völlig zu Recht von Polen bemängelt.