Brotwerkstatt in der Prignitz - Vom Dirigenten zum Brotbäcker

Fr 21.02.25 | 12:06 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Lam Trần Đình holt die frischen Brote aus seinem Holzbackofen. (Foto: rbb/Haase-Wendt)
Audio: Antenne Brandenburg | 21.02.2025 | Björn Haase-Wendt | Bild: rbb/Haase-Wendt

Einen guten Bäcker zu finden ist schwer, einen echten Handwerksbäcker noch schwieriger. In der Prignitz hat sich ein renommierter Dirigent umorientiert und seine eigene Brotwerkstatt eröffnet. Von Björn Haase-Wendt

Der Holzbackofen draußen vor der alten Laubenpieperkneipe am Pritzwalker Stadtrand (Landkreis Prignitz) bullert bei frostigen Minusgraden. Drinnen knetet Lam Trần Đình den Teig für sein Vollkornmischbrot: "Das sind 60 Prozent Roggenvollkorn, 40 Prozent Weizenvollkorn, ist ein ziemlich klebriger Teig. Er hat also einen hohen Wasseranteil und das macht ihn schön saftig." Seine Brote halten über eine Woche, verspricht der 42-Jährige. Die Liebe zum Brot hat er erst vor drei Jahren entdeckt.

Frisches Roggen-Vollkornbrot aus dem Holzbackofen namens Jacques Ofenback. (Foto: rbb/Haase-Wendt)
Frisches Roggen-Vollkornbrot aus dem Holzbackofen namens "Jacques Ofenback" | Bild: rbb/Haase-Wendt

Erst Opernchordirektor in Kiel – dann Bäckerausbildung in Berlin-Moabit

Eigentlich ist er ein renommierter Dirigent, hatte sieben Jahre lang als Opernchordirektor am Theater in Kiel gearbeitet, zahlreiche Preise gewonnen. "Ich wollte was Handwerkliches machen, eine neue Perspektive haben", erzählt Lam Trần Đình, der vor sechs Jahren mit seinem Partner nach Giesensdorf in die Prignitz gezogen ist.

Er probierte sich auch am Hausbau, um herauszufinden, was ihm liegen könnte: "Mir hat das alles Spaß gemacht, aber wobei mir am wenigsten schnell langweilig wird, ist irgendwas mit backen oder kochen – aber die Gastronomie selbst ist mir zu anstrengend, auch wegen des Drucks." In Pritzwalk absolvierte er ein Praktikum bei einem lokalen Bäcker und fand Gefallen. Ab 2022 lernte er in einer Bäckerei in Berlin-Moabit das Sauerteig-Backhandwerk.

Improvisation in der Pritzwalker Brotwerkstatt

Im September vergangenen Jahres eröffnete er dann am Pritzwalker Stadtrand seine kleine Brotwerkstatt in der alten Laubenpieperkneipe "Zur Wühlmaus". Dort geht es bis heute noch recht rudimentär zu. Der Holzbackofen steht draußen unter dem Vordach, drinnen fehlte zu Beginn Strom, Heizung und Co. – teils noch bis heute.

"Ich kämpfe jetzt gerade hier beim richtigen Winter mit einem Propangasheizstrahler, einer kleinen Infrarotheizung und Terrariumheizmatten, um irgendwie über 15 Grad zu kommen. Die Teige möchten aufgearbeitet gerne mal 25 Grad haben", sagt Lam Trần Đình.

Ab Ostern soll sich die Situation bessern. Dann wird in der Laubenpieperkneipe ein großer Elektrobackofen eingebaut, der auch für ausreichend Wärme sorgen soll. Damit könne er auch mehr Brote backen, denn momentan ist er in der Produktion eingeschränkt.

Aus der alten Laubenpieperkneipe wird eine Brotwerkstatt. (Foto: rbb/Haase-Wendt) Aus der alten Laubenpieperkneipe wird eine Brotwerkstatt

Zwei Tage die Woche wirft er in Pritzwalk morgens seinen Holzbackofen an, schafft am Tag maximal 45 Brote. Nach einem festen Produktionsplan bäckt er seine drei Brotsorten, Sauerteig-Brezeln und den Butter-Zucker-Kuchen.

"Zwischendurch muss ich immer wieder nachheizen, kann aber nicht mehr eingreifen, wenn die Brote im Ofen sind", sagt der noch frische Bäcker, der von seinem alten Job so ganz doch noch nicht loskommt. Seinen Holzbackofen nennt er liebevoll Jacques Ofenback, in Anlehnung an den berühmten deutsch-französischen Komponisten Jacques Offenbach und auch aus dem kleinen Radio in der Backstube läuft das Klarinettentrio. "Ich probe auch nebenher noch mit einem Orchester in Berlin, aber das ist jetzt eher mein professionelles Hobby."

In der Prignitz gibt es jetzt Brot als Abo

Das Backen schätzt er aber umso mehr, auch weil er es selbst in der Hand hat. "Ich bin nicht drauf angewiesen, ob mich jemand engagiert, und es sind auch weniger menschliche Krisen dazwischen – es geht nur um den Teig und mich."

Seine Brote produziert er zum großen Teil auf Vorbestellung – mit einem solidarischen Abomodell. Das ermögliche ihm eine bessere Planung über das Jahr und er könne damit sicher seine Fixkosten abdecken. "Die Leute bekommen dafür im Gegenzug die Brote günstiger. Aber man kann auch einfach hierherkommen und schauen, ob noch Brote übrig sind."

Ab 14 Uhr öffnet er seine Backstube für die Kunden. Die erste, die heute ihre Brote holt, ist Sarah Schütte aus Marienfließ. Sie hat mit ihrer Familie ein Brotabo abgeschlossen.

"Es hat schon seinen ganz eigenen Geschmack und es hält sich so lange frisch", sagt die Prignitzerin, die bei einem Regionalmarkt auf die Brotwerkstatt gestoßen ist. Wenig später steht Axel Fischer aus Pritzwalk in der Tür, holt seine zwei Brote ab. "Das hat eine schöne feste Kruste, bleibt länger frisch. Außer man hat richtig Hunger, dann schafft man schon ein Brot am Abend", sagt er lachend.

Groß Werbung braucht Lam Trần Đình nicht. Vor allem die Mundpropaganda bringt ihm immer wieder neue Kunden. Allerdings muss er sie aktuell oftmals vertrösten, da das Produktionslimit erreicht ist. "Auch heute habe ich nur noch fünf Brote, die ich so verkaufen kann." Nach Ostern soll sich das ändern – mit dem neuen Elektro-Ofen und dann drei statt bisher zwei Produktionstagen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.02.2025, 15:12 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

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5 Kommentare

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  1. 5.

    Eine wunderbare Wochenendgeschichte! Von Machern, die wirklich durchstarten! Und die in der Tat bereit sind, am Beginn kl. Brötchen zu backen. Ich wünsche dem Klassik-Bäcker mit seinem 'Ofenback' alles Gute u. zufriedene Kunden. Wenn er dort in seiner Umbgebung solche Wertschätzung erfährt - dann sollten sich Freunde finden, die ihm ein bisschen Unterstützung bieten ! Es wirklich ganz toll, was da Herr Dinh leistet, zumal er ja offensichtlich ganz allein seine Brotbäckerei betreibt. Durch die Begleitung zweier sehr junger Menschen aus Fernost im Rahmen der Einstiegsqualifizierung zur Vorbereitung auf die Ausbildung im Bachkhandwerk weiß ich, dass das keine einfache Arbeit ist. Aber Tatkraft plus eigene Organisiertheit und Organsisation in der Vorbereitung des Teiges, alles entscheidend. --- Herr Dinh wird es schaffen.

  2. 4.

    Das ist wirklich mal ein Perspektivwechsel. Sehr interessant.

    Ich verstehe auch nicht, wieso sich Leute mit Massenware aus dem Supermarkt zufrieden geben können.

  3. 3.

    Es ist toll, wenn Menschen auch gutes Brot zu schätzen wissen. Es ist unglaublich schade, dass es immer weniger Bäcker gibt. Die aufgeblasenen Supermarkt Brote und Brötchen sind doch ein Albtraum. Ich wünsche dem frischgebackenem Bäcker alles Gute für die Zukunft.

  4. 2.

    "solidarischen Abomodell" Das ist doch mal eine echt originelle Idee von jemandem der aktiv seine Gedanken umsetzt und damit Erfolg hat! Gutes Beispiel dafür, was man erreichen kann wenn man sich seiner Stärken / Möglichkeiten bewußt wird und handelt statt jammernd der Politik die Schuld für alles Mögliche gibt.
    Zugleich ist das Produkt sehr gesund und sieht auch noch gut aus!

  5. 1.

    Auch ich backe mein Brot selber. Herzlichen Glückwunsch für deine Entscheidung. Sauerteigbrot als Mischvollkornbrot ist schon eine backtechnische Herausforderung.