#Wiegehtesuns | Sexpositiv feiern - "Es gibt Sex-Partys? Da will ich auch hin!"
Lange fühlt sich Martina unwohl in ihrem Körper. Im Sommer ist sie zum ersten Mal auf einer Sexparty in Berlin. Für die italienische Studentin wird das Erlebnis auch zu einem Befreiungsschlag. Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Martina ist 26 Jahre alt und schreibt ihre Masterarbeit über mittelalterliche Kunst. Sie kommt aus Italien und lebt seit sieben Jahren in Berlin. Diesen Sommer war sie zum ersten Mal auf einer sexpositiven Party. So geht es Martina:
Ich bin mit 19 aus Norditalien nach Berlin gezogen. Die ersten Jahre in Berlin habe ich mich sehr auf die Uni konzentriert und nicht so viel gefeiert. Berlin ist viel freier als Italien. Die Leute sind ganz anders – irgendwie wusste ich das nicht. Allerdings wusste ich schon sehr lange, dass ich queer bin, dass ich auf Frauen stehe. Dann kamen eine Beziehung und die Pandemie. Ich fühlte mich wie in einem Käfig und wollte raus. Im Januar habe ich dann Schluss gemacht.
Ich hatte lange eine schlechte Beziehung zu meinem Körper. Ich war mit mir selbst nicht so zufrieden. Doch dann hatte ich Lust, meinen Körper zu entdecken. Ich hatte immer ein sehr positives Verhältnis zu Sex, und so wollte ich mehr entdecken, mehr ausprobieren. Deswegen kam ich irgendwann auf die Idee: "Es gibt Sex-Partys? Da will ich auch hin!"
Für das erste Mal habe ich mir eine sexpositive Party mit einer kleinen familiären Atmosphäre ausgesucht. Ich wollte nicht gleich mit einem riesigen Club anfangen. Es ist nicht üblich, dass man irgendwo hingeht, wo man andere Leute beim Sex sieht. Also habe ich mich vorher informiert, wie man auf einer sexpositiven Party respektvoll miteinander umgeht. Dafür gibt es Regeln.
Hinzu kommt, dass lesbischer Sex von Männern leider oft als eine Art Porno angesehen wird. Deswegen war es mir wichtig, dass es eine queere Party ist, weil ich mich dort wohl fühle. Das sind Safer Spaces, wo ich ich selbst sein kann. Ich hätte mehr Angst gehabt vor einem Besuch in einem normalen Club, wo ich von irgendeinem Mann blöd angemacht werde.
Ich bin mit Freunden zur ersten Sex Party gegangen. Wir waren dort fast komplett nackt. Es war eine tolle Erfahrung, weil es unsere Beziehung ein bisschen gestärkt hat. Wir haben uns einander näher gefühlt: Okay, wir sind jetzt nackig und wir tanzen Ellbogen an Ellbogen – das war schön. Und es ist toll, in unseren Körpern frei zu sein, alle zusammen, ohne Vorurteile.
Bei der Party war ich schon sehr entspannt. Ich habe nicht viel gemacht, nur geschaut. Das war alles neu für mich, und ich musste das erst mal für mich verstehen. Fühle ich mich gut? Ist alles in Ordnung? Was will ich jetzt machen? Ehrlich gesagt hatte ich danach schon ein bisschen Lust, einen Darkroom auszuprobieren.
Ich habe mich spontan entschieden, ein paar Wochen später mit Freunden von Freunden auszugehen. Die kannte ich gar nicht. Aber es war auf jeden Fall geil. Die Leute, die da waren, sind alle schon ein bisschen in der BDSM-Szene unterwegs. Es war spannend, sich darüber zu unterhalten. Einer hat mir ein paar Spielzeuge gezeigt. Der hatte zum Beispiel so ein Paddel dabei, also ein Lederding mit glatten Metallteilen drauf. Und dann haben wir gedacht, ja, dann schlagen wir uns mal damit. Am Anfang leicht, dann stärker, er wollte ein Zeichen haben, wann er aufhören soll. Das war interessant, weil es sehr freundschaftlich war. Man denkt vorher: Sexpositive Party, was ist das? Sind jetzt alle nackt und alle machen rum. Es ist aber eine ganz normale Party. Es sind nur Körper, die entweder tanzen oder Sex haben.
Es gab Leute, die haben nur getanzt - das war völlig in Ordnung - und wenn Leute im Darkroom Sex hatten, war das auch völlig in Ordnung. Man muss ein bisschen in Stimmung sein, vor ein paar Monaten hätte ich das nie gemacht. Aber das hat sich so gut angefühlt und hat mich befreit von diesen Schamgefühlen, die ich wegen meines Körpers hatte.
Gesprächsprotokoll: Marie Villetelle
Sendung: F*ck Berlin, ARD-Mediathek