#Wiegehtesuns? | Uckermärker über Berliner Zuzug - "Als Einheimischer hat man nur wenig Chance, an ein Haus im Dorf ranzukommen"
Lukas Stemwedel ist in der Uckermark geboren und aufgewachsen. In seinem Dorf leben inzwischen auch viele Berliner, die teils nur am Wochenende da sind. Was bedeutet das für das Zusammenleben?
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Lukas Stemwedel ist 25 Jahre alt und von Beruf Notfallsanitäter im Landkreis Uckermark. Er lebt in Klaushagen im Boitzenburger Land. Lukas Stemwedel ist in Brandenburg geboren und aufgewachsen. Er ist Ortswehrführer der dortigen freiwilligen Feuerwehr.
Wenn ich an meine Kinder- und Jugendzeit in Klaushagen denke, dann waren da noch sehr viel mehr ältere Einwohner präsent. Die haben viel mitbewirkt im Dorf. Dadurch war damals die ganze Vereinsarbeit deutlich ausgeprägter.
Insgesamt hatten die Menschen mehr miteinander zu tun. Das wurde über die Jahre immer weniger. Die alten Leute kamen ins Heim oder starben weg. Als ihre Häuser frei wurden, kamen viele Berliner. Einige von ihnen sind sesshaft geworden, es gibt aber auch viele, die nur am Wochenende da sind. Das macht sich im Dorfleben schon bemerkbar. Die Vereinsarbeit ist zunehmend schwieriger geworden - obwohl ein Großteil der Zugezogenen die Vereine als Mitglieder unterstützt. Die meisten davon sind aber nicht aktiv – und auch nur am Wochenende da. Das ist dann mehr eine Art finanzielle Unterstützung – was natürlich auch nicht verkehrt ist.
Was die Entwicklung aber auch noch mit sich bringt, ist, dass man als Einheimischer nur wenige Chancen hat, an ein Haus im Dorf ranzukommen, wenn eines frei wird. Wohnraum ist ja sehr teuer geworden – und für die Häuser bei uns im Dorf werden dann Summen aufgerufen, die kaum einer finanzieren kann. Aber dann kommt ein Berliner und kauft das Haus. Ich denke, das Verhältnis von Berlinern zu Einheimischen bei uns im Dorf könnte schon ungefähr bei 50:50 liegen. Es sind in den letzten Jahren erheblich mehr geworden.
Unterhalb der Woche ist allerdings tagsüber wirklich nicht viel los. Da läuft mal eine Katze über den Fußweg und das war's. Denn von den Alten, die mal Spazieren gegangen sind, gibt es ja auch nicht mehr viele. Und von den Einheimischen ist der Großteil der Bewohner auswärts arbeiten. Bei uns im Dorf gibt es so gut wie keine Arbeit.
Am Wochenende sieht das schon anders aus. Wenn die Einheimischen und die Berliner alle da sind. Das merkt man dann schon. Da gibt’s dann einfach solche und solche. Das gilt für Berliner und Einheimische. Manche Uckermärker haben schon auch komische Allüren.
Am Wochenende stehen dann deutlich mehr Autos mit B-Kennzeichen im Dorf. Die stehen dann mitunter auch mal extravagant mehr oder weniger mitten auf der Straße - zur Verkehrsberuhigung. Das gab es alles schon. Aber auch deswegen muss man nicht anecken. Denn es ist ja wichtig, dass wir versuchen, alle an einen Tisch zu kriegen. So sehen das auch unsere Vereine. Aber es ist manchmal schwierig. Denn es ist sicher etwas anderes, wenn man aus einer Großstadt wie Berlin auf so ein kleines Dorf auf dem Land kommt. Da hat man ja doch ganz unterschiedliche Gewohnheiten und Lebensweisen.
Insgesamt ist das Thema Nachwuchs aber eben ein schwieriges Thema im Dorf. Als ich im Kinder- und Jugendalter war, waren wir sechs bis acht Kinder im gleichen Alter. Mittlerweile gibt es kaum noch Kinder. Von den Berliner Familien sind dann am Wochenende schon welche da. Hier im Dorf gibt es die Feuerwehr, einen Sportverein, den Heimatbund und einen Angler-Verein. Aber da sieht es überall ähnlich aus. Hinzu kommt: Wer in einem Verein ist, ist in so gut wie allen anderen auch. Wir haben alle ungefähr den gleichen Altersschnitt der Mitglieder. Und da kommen kaum Aktive nach. Das geht dann jetzt vielleicht noch ein paar Jahre gut – aber da ist ein Ende abzusehen.
Damit wir im Dorf gut klarkommen, wäre es von Vorteil, nicht zwischen "Klaushagenern" und "Berlinern" zu differenzieren. Aber so ist es zur Zeit noch größtenteils. Wir sollten ein Dorf sein. Egal, ob einer aus Berlin oder Timbuktu kommt. Es gibt aber beispielsweise eine Chatgruppe für das Dorf, die "Nudeln und Buletten" heißt. Die Buletten sind die Berliner, die Nudeln die Uckermärker. Aber wenn man vernünftig klarkommen und ein Dorfleben miteinander realisieren will, halte ich das für keine gute Idee. Wenn man sich so voneinander abgrenzt, ist das schwierig.
Aber es ist eben die Aufgabe eines jeden selbst, sich da einzubringen. Da wäre Eigeninitiative gefragt. Man kann ja niemanden zwingen. Und das gilt für Berliner und für Einheimische.
Gesprächsprotokoll: Sabine Priess
Die Geschichte von Lukas Stemwedel ist Teil des rbb-Podcasts "Uckermarck Uncovered" [ardaudiothek.de], in dem es um Wunsch und Wirklichkeit auf dem Dorf geht. Die beiden Hosts Gesa Ufer und Holger Siemann erzählen in dem Podcast als Zugezogene, wie das Leben für ehemalige Großstädter in der Uckermark ist und erfahren von Nachbarn in Klaushagen, wie sie den Zuzug erleben.
Sendung: Antenne Brandenburg, 09.09.2023, 12:45