Eva Christine Poeschel erinnert sich - "Es kam mir vor, als ob er angeleuchtet wurde"
Eva-Christine Poeschel war 15 damals, 1964. Sie hatte Mark Twain gelesen und Haper Lees "Wer die Nachtigall stört". Sie wollte ihn unbedingt sehen: Martin Luther King. Darum war sie auch pünktlich an der Marienkirche. Doch dann musste sie doch wieder los...
Nein, hier in der Marienkirche war ich nicht dabei, ich war in der Sophienkirche. Damals war ich 15 und ich kam hierher, zur Marienkirche, und alles war voller Menschen. Vor dem Eingang standen viele Leute, alles war voll. Etwa 80 würde ich sagen. Und dann kam einer mit der Flüstertüte.
Der verkündete dann, dass Martin Luther King auch in der Sophienkirche, in der Großen Hamburger Straße, spricht. Und alle rannten los. Es war ja so viel zerstört, man konnte hier wirklich weit gucken, es waren überall Lücken. Ich konnte aber nicht rennen, es ging nicht. Ich trug Stöckelschuhe…
Aber ich habe es dann doch geschafft. Ich stand im Gang, die Reihen waren alle voll besetzt. Es hat schon eine Weile gedauert, bis er kam, daran kann ich mich erinnern. Aber in der Zwischenzeit? - Nee, da kann ich mich eigentlich nicht mehr erinnern. Ob da vielleicht gesungen wurde? Ich konnte irgendwie auch nicht alles so richtig übersehen.
Aber dann, plötzlich stand er da. Es kam mir vor, als ob er angeleuchtet wurde. Ich fand: Er war so gutaussehend, charismatisch. Ich habe auch alles verstanden, ja. Obwohl ich nur ein sehr rudimentäres Englisch habe.
Ich glaube es wurde auch applaudiert, oder haben wir 'We Shall Overcome' gesungen? – Hm.
Ich hatte natürlich von ihm gehört, von Martin Luther King, ja klar. Wie so viele haben auch wir SFB gehört, und RIAS. Da war er Thema, ja. Und in den Kirche war er sowieso Thema.
Ich habe Mark Twain gelesen, Harper Lees "Wer die Nachtigall stört", all das. Und in den Parteimedien hier ging es bei Berichten über Amerika fast immer um den Kampf der Schwarzen.
Ich bin damals noch zur Schule gegangen in Mitte, zur Erweiterten Oberschule, 2. EOS Berlin-Mitte. Martin Luther King - Kampf der Schwarzen – das konnte man in Englisch dort schon thematisieren, aber dieser Besuch, seine Rede in der Kirche? – Nein.
Aber in Rüstzeiten, ja in Rüstzeiten haben wir über Martin Luther King und was er will schon gesprochen. Mir war dann schon bewusst, dass das was ganz besonderes war.
Meine Eltern hatten mich darauf gebracht, haben darauf geachtet, dass ich das auch mitbekam. Ich war auch bei Niemöller, habe ihn reden gehört. Aber die Erinnerung an diese Rede, diesen Auftritt von Martin Luther King, die kam mir erst so richtig wieder vor ein paar Jahren. Das war, als hier die Kinderführungen in der Kirche eingeführt wurden. Da hatten die hier in der Kirche ein Mikrofon, in das er damals gesprochen haben soll.