Analyse | Koalitionskrach in Brandenburg - Der rumpelige Jahresauftakt ist erst der Anfang
2023 ist kaum eine Woche alt, und schon gibt es in der Brandenburger Koalition den ersten Streit. Doch der Streit um Maskenpflicht und Co. wird nicht die letzte Konfrontation gewesen - was nicht alle schlecht finden. Von Stephanie Teistler
Der Streit um die Maskenpflicht ist diese Woche so schnell und heftig aufgeflammt, wie er am Freitag auch wieder beigelegt war. Im Kern ging es darum, wann die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen enden soll – möglichst sofort (CDU) oder Mitte Februar (SPD, Grüne). Nun hat man sich auf den 2. Februar geeinigt. Besonders scharf hatte sich dabei die CDU zu Wort gemeldet: Eine Verlängerung bis Mitte Februar sei mit ihr nicht zu machen, der Vorschlag an sich Wahlkampfhilfe für Berlin.
Es blieb nicht der einzige Clinch der ersten Januarwoche: Ein Gesetzentwurf aus dem Innenministerium sorgte beim grünen Koalitionspartner für Unmut. Im Kampf gegen häusliche Gewalt plant CDU-Innenminister Michael Stübgen eine Ausweitung der Polizeibefugnisse – etwa durch den Einsatz von Bodycams. Dafür müsste das Polizeigesetz geändert werden. Ein sensibles Thema in der Koalition, da man sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt hatte, das Polizeigesetz in dieser Legislatur weitgehend in Ruhe zu lassen.
Politik bereits im Endspurt
Ungewöhnlich sind diese Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition nicht. Bemerkenswert aber, dass beide schnell öffentlich geführt wurden. Die Koalitionäre bereiten sich bereits auf weiteren politischen Streit dieser Art vor. "Wir merken, dass das Klima rauer wird", so die Grüne Parteivorsitzende Julia Schmidt. Der Wahlkampf 2024 werfe auch in der Koalition seine Schatten voraus.
Seit 2019 regieren in Brandenburg SPD, CDU und Grüne. Die nächste Landtagswahl steht im Herbst 2024 an. Bis dahin sind es zwar noch mehr als anderthalb Jahre, dennoch: Das Ende ist bereits zu erkennen. Aus Koalitionskreisen heißt es, Koalitionsprojekte, die es bis zum Sommer nicht über die Zielgerade geschafft hätten, würden Schwierigkeiten haben, überhaupt noch umgesetzt zu werden.
Das kann die Ressorts mit offenen Vorhaben unter Druck setzen. Etwa das Innenministerium von Michael Stübgen (CDU), das noch an einem Verfassungsstreue-Check für Beamte arbeitet. Oder aber auch die Grünen, die einen im Koalitionsvertrag verankerten Klimaplan auf den Weg bringen wollen.
Grüne und CDU für fruchtbaren Streit
Alle drei Koalitionspartner erwarten dabei die größten inhaltlichen Auseinandersetzungen zwischen Grünen und CDU. Die Positionen zu Klimaschutz, Verkehr oder Integration liegen teilweise weit auseinander. SPD-Fraktionschef Daniel Keller ruft die Koalitionspartner weiter zur verantwortungsvollen Lösungsfindung auf. Er sieht auch die SPD in der Verantwortung. Als größte Koalitions-Partei haben man die Aufgabe, immer zur Entscheidungsfindung beizutragen. Machtwörter wolle die SPD aber nicht sprechen.
Aus grün-schwarzen Koalitionskreisen zeigt man sich davon wenig beeindruckt. Sich mit der SPD auseinanderzusetzen sei ohnehin schwierig. Denn die Partei gefalle sich in der Rolle der Moderatorin, allerdings in Ermangelung eigener Vorschläge.
Die möglichen Streitpunkte geben Grünen und CDU hingegen die Gelegenheit zu zeigen, wofür sie stehen. CDU-Fraktionschef Jan Redmann bezeichnet die Auseinandersetzungen mit den Grünen als fruchtbar. Auch deren Landeschefin Schmidt finde es richtig, sich "öffentlich hart in der Sache zu streiten". Entscheidend seien zum Schluss gute Lösungen.
Wechsel an CDU-Spitze
Bereits ab dem Sommer können in den Kreisverbände der Parteien die Direktkandidierenden für die Landtagswahl nominiert werden. Für die Landesregierung heißt das: Die Phasen zwischen Wahlkampf und Legislatur verschwimmen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Redmann denkt schon über 2024 hinaus: "Wo soll Brandenburg 2030 beispielsweise stehen? Da werden wir als Partei Ideen entwickeln, die uns von politischen Mitbewerbern unterscheiden."
Dabei werfen die beiden Mitkoalitionäre Redmann mehr Profilbildung als gewöhnlich vor. Denn Redmann befindet sich zurzeit auch in einem parteiinternen Wahlkampf. Im März möchte er sich zum Vorsitzenden der Landes-CDU wählen lassen – Innenminister Stübgen gibt den Posten dann ab. Zwar tritt Redmann ohne Gegenkandidaten an. Doch er stellt sich einer Mitgliederbefragung, muss die Basis für sich gewinnen, wenn er fest im Sattel sitzen will.
Aus Kreisen der Koalitionspartner SPD und Grüne ist die Befürchtung zu hören, dass Redmann deshalb nun jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treiben werde, um sich bekannt zu machen. Das könne der Koalition schaden.
Noch herrscht wohlwollende Kampfeslust
Grünen-Landesvorsitzende Schmidt erwartet, dass die CDU zu einem konstruktiven Modus zurückkomme und den parteiinternen Wahlkampf nicht über die Koalitionsziele stelle. Auch Redmann betont am Ende dieser Woche, dass ihm der konstruktive Diskurs wichtig sei. Die Bewältigung der Energiekrise und offene Reformvorhaben stünden für ihn im Vordergrund.
Doch auch mit dieser Zusicherung wird sich mit seiner Wahl zum Landesvorsitzenden das Machtgefüge innerhalb der Koalition ändern. Innenminister Stübgen könnte es zukünftig schwerer fallen, Kompromisse, die am Kabinettstisch ausgehandelt wurden, auch in seiner Partei durchzusetzen. SPD-Fraktionschef Keller: "Mit Stübgen konnten wir gerade in der Krise rechnen, dass wir gemeinsam in leisen Tönen zu Entscheidungen kommen." Man werde sehen, ob Redmann diesem Anspruch zukünftig auch gerecht werde.
Die Koalition ist mit diesem Jahr in eine neue Phase eingetreten – eine Phase, in der sie der lange Schatten des Landtagswahlkampfs bereits berührt. Die Stimmung ist dabei längst nicht so trüb, wie der Koalitionskrach diese Woche vermuten lässt. Noch herrscht wohlwollende Kampfeslust. Kompromisse werden zwar wohl öfter in der Öffentlichkeit als über eingespielte Wege diskutiert werden. Wirklich ernst wird es aber erst, wenn für die Koalitionspartner wichtige Projekte zu kippen drohen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.01.2023, 18:15 Uhr