Umwidmung von Lehrerstellen - Breiter Protest gegen Kürzungspläne für Brandenburger Schulen

Mo 27.02.23 | 18:38 Uhr | Von Lisa Steger
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Symbolbild: Schulkinder in einem Klassenraum (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 27.02.2023 | Stephanie Teistler | Bild: dpa/Patrick Pleul

Mit 200 Assistenzstellen sollen Brandenburgs Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Der Haken: Dafür müssen Stellen umgewidmet werden. Das wird Einsparungen zur Folge haben, gegen die sich großer Widerstand formiert. Von Lisa Steger

Schon nach den Sommerferien könnte in Brandenburgs Bildungsbereich der Rotstift geschwungen werden. Einsparungen drohen nach rbb-Informationen bei Angeboten, die keine Pflicht sind - beispielsweise jahrgangsübergreifender Unterricht, das Lernen in geteilten Klassen mit unterschiedlichen Anforderungen und der Förderunterricht.

Ulrike Mauersberger, Sprecherin des Landeselternrats und zweifache Mutter, hält das für fatal. "Unter Umständen wird die Bildungsschere in den Klassen weiter, das beeinträchtigt die Inklusion", sagt die Wandlitzerin. Sie sei davon überzeugt, dass die Leistungsunterschiede immer größer würden. Damit wachse auch "die Unruhe in den Klassen". Es habe sich bewährt, Kinder, die mehr Unterstützung benötigen, in kleineren Gruppen gezielt zu fördern "und sie dann wieder in die Klasse hineinzugeben, wenn sie es gut verstanden haben", so Mauersberger.

Lehrermangel nimmt zu

Brandenburg muss für das nächste Schuljahr mindestens 1.800 Lehrkräfte einstellen, um freiwerdende Stellen zu besetzen. Es gibt aber zu wenige Bewerberinnen und Bewerber. Vor diesem Hintergrund weist das Bildungsministerium die Kritik an der Kürzung von Lehrerstunden bei den zusätzlichen Angeboten zurück.

Das Ministerium wolle nicht grundsätzlich in die Stundentafel eingreifen, sondern Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben entlasten und gezielter im Unterricht einsetzen, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.

Ziel sei, rund 200 Planstellen für Lehrkräfte für Schulassistenten und -sozialarbeit in Anspruch zu nehmen, sie also umzuwidmen. Dafür seien Spielräume bei der Bedarfsplanung genutzt worden.

GEW befürchtet Nachteile für schwächere Schüler

Der Brandenburger Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, befürchtet, dass die geplanten Kürzungen vor allem die Grund- und Oberschulen treffen. Denn hier gebe es die meisten Kinder, die mehr Hilfe bräuchten, so der GEW-Chef. Außerdem: "Es gibt 800 Schulen, und wenn wir 200 Stellen für Verwaltungstätigkeiten erhalten, wird nicht jede Schule etwas abbekommen", rechnet Fuchs im rbb-Interview vor: "Es geht im Grunde genommen um eine Minusvariante." Für ihn ist der Plan des Ministeriums "eine Lösung zu Lasten der Schulen – zu Lasten der Kinder und der Lehrkräfte."

Der Gewerkschafter ist überzeugt, dass den Schulen besser geholfen wäre, wenn der Trend zur Frühverrentung gestoppt würde. "Wir haben das Ministerium aufgefordert, mit uns zu verhandeln. Es muss attraktiver werden, im System zu bleiben", so Fuchs. Sein Vorschlag: freiwillige Arbeitszeitkonten. "Wenn das gelingt, dann haben wir mehr Lehrerinnen und Lehrer im System und dann müssen diese Kürzungen nicht sein." Ein Arbeitszeitkonto bedeutet, dass ein Mitarbeiter vorübergehend mehr oder weniger arbeiten kann – die Bezahlung bleibt aber gleich.

Linken-Fraktion will Plan verhindern

Katrin Dannenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linken im Landtag, hat ausgerechnet, dass größere Schulen bis zu drei Vollzeit-Lehrerstellen einbüßen könnten: "Aber die Kinder sind ja da, sie müssen unterrichtet werden." Kinder, die Nachholbedarf hätten, beispielsweise die deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen, "das sind die, die hinten runterfallen".

Die verbleibenden Lehrkräfte müssten demnächst entsprechend härter arbeiten, prophezeit Dannenberg, selbst studierte Lehrerin. "Es ist ein Unterschied, ob ich sechs Stunden am Tag mit 27 Kindern in einer Klasse unterrichte, oder ob ich zwischendurch mal kleinere Lerngruppen ermöglichen kann", sagt sie. "Wenn da jetzt noch mehr gekürzt wird, dann können wir damit rechnen, dass viele krank werden, aufgeben oder resignieren." Die Linken-Fraktion hat eine Sondersitzung des Bildungsausschusses im Landtag beantragt. Ihr Ziel: den Plan zu stoppen.

Dauerbrenner Pädagogenmangel

Nach Angaben der Gewerkschaft GEW werden in den nächsten zehn Jahren rund 12.500 Lehrkräfte in Brandenburg in den Ruhestand gehen, das wären 60 Prozent des derzeitigen Personals. Mitte Februar hatte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) deshalb angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen. Lehrer, die mit 63 vorzeitig in den Ruhestand gehen wollen – das sind derzeit 70 Prozent – sollen wenigstens einige Stunden pro Woche weiter unterrichten.

Mit den Gewerkschaften will Ernst besprechen, wie der hohe Anteil von Teilzeitkräften - derzeit 27 Prozent - gesenkt werden kann. Finanzielle Anreize sollen die Arbeit für pensionierte Lehrkräfte attraktiv machen. Und: Ältere Schüler sollen sich mehr Lernstoff zuhause aneignen.

Bereits jetzt kann der Schulbetrieb nur mit zahlreichen Seiteneinsteigern aufrechterhalten werden. In diesem Schuljahr machten sie 30 Prozent der neu eingestellten Lehrer aus.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

21 Kommentare

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  1. 21.

    Bisher nicht klar benannt, weil vielen der Einblick in die Organisation von Schulbetrieb in Brandenburg fehlt:
    Durch die Umwidmung von Förderstunden in Unterrichtsstunden nimmt das Bildungsministerium den Schulen die Vertretungsreserve. Bisher werden im Schulalltag zunächst Förderstunden gestrichen, um Vertretung absichern zu können.
    Wenn Lehrer aber keine Förderstunden mehr haben und nur noch ausschließlich Klassenunterricht geben, dann können sie auch nicht mehr für Vertretungsunterricht eingesetzt werden. Mehr als 100 Prozent kann man eben nicht arbeiten.
    Wie das konkret umgesetzt werden soll, ist mir zumal in Grundschule schleierhaft. Grundschulkinder kann man nicht sich selbst überlassen (Stillunterricht) oder nach Hause schicken.
    Von meinen Förderstunden sind in diesem Schuljahr drei Viertel für Vertretungsstunden eingesetzt worden. Wenn ich keine Förderstunden mehr habe, kann ich auch nicht mehr vertreten. Die Kinder sind aber aufgrund der Schulpflicht in der Schule ...

  2. 20.
    Antwort auf [bürger33] vom 28.02.2023 um 17:14

    Selbst beim Thema Lehrkräftemangel findet mancher Gelegenheit, seine Xenophobie auszuleben. Es gibt Leute, für die muss man sich einfach schämen!

  3. 19.

    Lieber Josef,

    ich bin zwar nicht Maria, kann aber für die hübsche Dame antworten.

    Zur Eignung der Ministerin möchte ich mich nicht weiter äußern. Nein, ich halte sie nicht für "exzellent" qualifizert. Bildung und Immobilien bilden doch ein unterschiedliches Anforderungsfeld. Ich akzeptiere jedoch Ihre abweichende Ansicht, wenn es Sie beruhigt.

    Zur Lösung: Sie haben Recht, dass wir im Grunde viel zu wenige Studienberechtigte (in D) haben, um kurz- oder mittelfristig den Lehrkräftemangel zu bewältigen. Genau da liegt die langfristige Lösung: Eine Schulreform, die mehr Jugendliche zum Abitur führt. Kurzfristig sind "Erschwernisse" für die Lehrkräfte nicht zu umgehen. Sie würden aber akzeptiert, wenn es eine langfristige Lösung gäbe. Diese liefert die Ministerin nicht (Stichwort: Eignung), das ist das Problem.

  4. 18.

    Natürlich gibt es in Brandenburg auch Brennpunktschulen, weil es dort auch in zunehmender Zahl soziale Brennpunkte gibt.
    https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/an-der-seite-der-lehrer-7104970.html
    Da die konkrete Ausgestaltung Ländersache ist, sind manche Regelungen von Brennpunktschulen in Berlin und Brandenburg unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen, dass es dort einen hohen zusätzlichen Personalbedarf neben den eigentlichen Lehrern gibt. Brandenburg will das Problem durch Umwidmung lösen, Da der Schuletat insgesamt gleich bleibt, hat die Linken Politikerin Katrin Dannenberg hat ausgerechnet, dass größere Schulen bis zu drei Vollzeit-Lehrerstellen einbüßen könnten

  5. 17.

    Liebe Maria,
    Sie reduzieren in Ihrem Posting eine erfahrene Ministerin auf einen Teil ihres Werdeganges und insinuieren, dass sie fachfremd und damit nicht geeignet sei. Das ist indiskutabel! Zum einen gibt es in Deutschland in dem Sinne keine Berufspolitikerausbildung, zum anderen unterschlagen Sie die sehr wohl relevanten Studienabschlüsse (Volkswirtschaft) und einschlägige vieljährige Politikerfahrung. Damit ist die Ministerin wohl exzellent qualifiziert und in der Materie. - Mit Verlaub, Sie suchen einen Sündenbock für ein großes demographischen Problem: Die Baby-Boomer gehen in Rente, damit es genug Lehrer gäbe, müsste in Brandenburg jeder zweite Abiturient Lehrer werden wollen. Aber auch überall sonst fehlen Fachkräfte. Das kann die Ministerin wohl schlecht allein lösen. Das ist eine riesige gesellschaftliche Aufgabe. Statt zu meckern, denken Sie lieber mit. Was wären denn Ihre konstruktiven Lösungsvorsvhläge?

  6. 16.

    Es sollte auch eigentlich nicht an Sie als Antwort gesendet werden.
    Ich bin da sicher verrutscht.
    Entschuldigung

  7. 15.

    Ich danke für Ihre Antwort, aber ganz sicher wäre Immobilienkauffrau Ernst die bessere Adressatin für Ihre völlig berechtigte Kritik als ich.

  8. 14.

    Die GEW befürchtet Nachteile für die Schwächeren. Ich sehe auch Nachteile für die Starken und Guten. Keine Spitzenförderung, die das Niveau einer ganzen Klasse "nach oben ziehen" können. Im Gegenteil, die Klasse wird "nach unten gezogen". Das ist eine riesen Benachteiligung von Brandenburger Abschlüssen. Wenn diese keinen Wert haben bzw. belächelt anderswo abgewertet werden, dann ist dies eine Benachteiligung, die die Bildungsverwaltungen zu verantworten haben. Das haben unsere Kinder nicht verdient!

  9. 13.

    Stundentafel kürzen, Schule ohne Räume, Blockunterricht der den Namen nicht verdient.
    Eine ,,ganz tolle Idee,, geistert durch die Schulen.
    Ein Fach wird in einem Schuljahr einfach nicht unterrichtet. Dafür im nächsten Schuljahr. Vielleicht, falls Lehrer vor Ort sind, oder Quereinsteiger.
    Wie wäre es mit BILDUNGSFERNSEHEN?
    Die lieben Schüler brauchen keine Schulgebäude und keine Lehrer.
    Nur einen Fernseher. Einmal im Monat wird eine Sammelmappe ins Ministerium geschickt. Fertig ist die wahrhaft billigste Lösung. Wer nicht mitkommt oder etwas anderes macht, hat eben Pech.
    Das ist dann eben so. Es sollte jedem im Ministerium klar sein,
    Bildung gibt es nicht zum Nulltarif.
    Die Schülerzahlen steigen, Lehrerstellen werden nicht besetzt, da Lehrer schlicht nicht vorhanden sind. Dann die unbesetzten Stellen einfach umbenennen und statt Lehrer dann Sozialarbeiter in die Schulen zu schicken, ist eine Rechnung die nicht aufgeht.

  10. 12.

    Natürlich spielt die Veranlagung eine Rolle, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. ABER. Mittlerweile hängt der Erfolg der Kinder ganz exrtrem davon ab ob Eltern mit ihren Kindern zu Hause viel lernen oder Nachhilfe bezahlen. In den öffentlichen Schulen herrschen Zustände - da kann man gar nicht vernünftig einfach so lernen. So viel Vertretungsunterricht, Unterrichtsausfälle, nicht aufgeholter Coronastoff, Quereinsteiger die in der Grundschule evtl. nicht geeignet sind, ständige Lehrerwechsel. Wir sind z.b. bei meinem Sohn inn der 4 Klasse bei Klassenleitung Nr. 6 angekommen. Kinder haben ein schwieriges Lernumfeld, können sich auf nichts verlassen. Hinzu kommen dann viele ich sage mal schwierige Kinder die für Lärm und ein schlechts Lernumfeld sorgen. Versiffte Toiletten und schlechte Busverbindungen kommen dann als extra noch hinzu.

  11. 11.

    "Bei Brennpunktschulen bekommen die Lehrer eine Erschwerniszulage, ..."

    Das ist aber auch nur der Fall, wenn sich die gesamte Schulgemeinschaft entschließt, geschlossen nach Berlin zu ziehen ...

    In Brandenburg gibt es so etwas nicht.

  12. 9.

    Lieber "Nachtwächter", ich muss Sie korrigieren: Brandenburg war in den Leistungsvergleichen nicht immer am Ende des bundesweiten Rankings zu finden. Noch 2013 standen die Brandenburger Neuntklässler in Mathematik und Biologie bundesweit auf Platz 3, in Chemie und Physik auf Platz 4, die Berliner Schüler rangierten auf den Plätzen 12 bis 15. Dank unserer "hervorragenden" Bildungspolitik haben wir es nun geschafft, uns den Berliner Verhältnissen anzugleichen. Die Ursachen sind vielfältig aber was will man auch von einem Ministerium erwarten, dass völlig überrascht ist vom massenhaften Ausscheiden von Lehrkräften aus dem aktiven Dienst obwohl man die Altersstruktur ja kennen sollte.
    Und nun das: "Das Ministerium wolle nicht grundsätzlich in die Stundentafel eingreifen, sondern Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben entlasten und gezielter im Unterricht einsetzen...". Sollen die Schulen deshalb nun zukünftig die Abituraufgaben an den Schulen selbst drucken???

  13. 7.

    Die 300,- Brennpunktzulage sind sehr sauer verdient, viele Lehrer wollen das nicht. Die Nerven und die Geduld auch des besten Lehrers sind endlich.

  14. 6.

    Bei Brennpunktschulen bekommen die Lehrer eine Erschwerniszulage, und es werden immer mehr Brennpunktschulen. Ausserdem wird dort ein anderer Personalschlüssel verwendet, da sind nur noch die Hälfte reguläre Lehrer, es sind zusätzlich "Assistenten" und diverse "Konfliktlotsen" o.Ä. begleitendes Personal im Einsatz. Das muss alles zusätzlich aus dem Schuletat finanziert werden.

  15. 5.

    Und das Geld der Länder und Kommunen geht für Anderes "drauf"...
    So viel zu "die Kinder sind die Zukunft"...

  16. 4.

    Ich nehme mal Frau Ernst in Schutz. Sie ist darauf angewiesen, was ihre Verwaltung ihr vorschlägt. Das dies jenseits der Verbesserung der Arbeitsbedingungen liegt, müsste sie erkennen können. Das was vorgelegt wird, zieht sich wie ein roter Faden durch die 33jährige Verwaltungseinstellung. Da helfen nur noch ganz grobe eiserne Besen... sehr Grobe!

  17. 3.

    Die "Leistungsunterschiede" in den Klassen liegen am unterschiedlichen Grips der Kinder und nicht an der Inklusion!

  18. 2.

    Wo bitte schön lebt die gute Frau Ernst? Denkt diese Person eigentlich noch mit? Man merkt, sie hat keine eigenen Kinder. Sonst könnte ihr so ein "Blödsinn" gar nicht einfallen.

  19. 1.

    Die Bildungspolitik ist ein vollständiges Versagen der SPD Politik. Ich halte Frau Ernst auch für die falsche Frau an dieser von ihr bekleideten Stelle. Seit Jahren dreht sich in der Bildungspolitik alles nur um die quantitativen Ressourcen. Ueber Qualität wird nicht gesprochen. Brandenburg ist immer hinten bei Bildungsvergleichen. Warum kann man nicht einmal von anderen Bundesländern lernen, die bessere Ergebnisse erzielen. Nein, Brandenburg geht immer einen Extraweg und erzielt miserable Er

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