Kommentar | Lehrermangel in Brandenburg - Das Ende aller Ausreden

Do 16.02.23 | 15:38 Uhr | Von Markus Woller
  67
Archivbild:Britta Ernst(SPD), Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg am 12.10.2022.(Quelle:dpa/B.Settnik)
Audio: rbb24 Inforadio | 16.02.2023 | Markus Woller | Bild: dpa/B.Settnik

Brandenburg prüft drastische Maßnahmen, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Weil man keine Pädagogen findet, sollen Assistenten eingestellt und Klassen vergrößert werden. Das Papier ist ein Scheitern mit einem Jahrzehnt Anlauf, kommentiert Markus Woller.

Viel zu spät kommt das Brandenburger Bildungsministerium ins Rollen. Realitäten anerkennen, Lösungen suchen, das erwarten Eltern und Lehrervertreter seit vielen Jahren. Bisher gab es fast nur Beschwichtigungen und Ausreden. Mit immer höheren Seiteneinsteigerquoten und geschönten Statistiken zum Unterrichtsausfall hatten Britta Ernst und ihre Vorgänger versucht, das Versagen im Bereich der Lehrer-Gewinnung und -Ausbildung zu kaschieren.

Jetzt aber scheint das Modell Realitätsverweigerung nicht mehr aufzugehen. Es finden sich fürs kommende Schuljahr einfach nicht genug Pädagogen. Offenbar nicht mal genug, um den Mangel noch irgendwie schönreden zu können. Dabei ist der Anspruch an den Begriff "Pädagoge" in den vergangenen Jahren schon auf ein Minimum abgesenkt worden.

"Gut gelernt" in der Pandemie?

Natürlich gehen die Versuche, das Versagen zu kaschieren, auch bei dem nun vorgestellten Maßnahmenkatalog weiter: Die Prüfung von sogenannten "Selbstlernzeiten" für ältere Schüler wird da angekündigt. Mit klaren Worten heißt das: Die Schüler bekommen Aufgaben, der Lehrer unterrichtet woanders. Wenn das so käme, dann natürlich nur stundenweise, sagt die Ministerin. Wer das glaubt, wird selig. An einigen Schulen in anderen Bundesländern wird schon in diesem Schuljahr nur noch an vier Tagen in Präsenz unterrichtet.

Das Selbstlernen, so Britta Ernst, sei während der Pandemie doch "gut gelernt" worden. Für viele Eltern und Lehrer ist diese Aussage eine blanke Provokation. Denn fragt man in den Oberschulen und bei Elternvertretern nach, was "gut gelernt" denn heißen könnte, winken die kopfschüttelnd ab. Gelernt haben die meisten Schüler in dieser Zeit wenig.

Wir Eltern müssen uns endgültig schmerzhaft eingestehen: Wir können uns bei der Bildung unserer Kinder auf das staatliche Schulsystem nicht mehr verlassen.

Strukturelles Versagen seit mehr als zehn Jahren

Bei der Schuldfrage könnte man sich es nun leicht machen. Man sollte dabei aber durchaus den Blick weiten. Denn das Versagen ist strukturell und beginnt vor mindestens einer Dekade. Damals verließ man sich viel zu lange auf völlig falsche Bevölkerungsprognosen. Schulen wurden geschlossen und Lehrern der Einstieg in den Beruf schwer gemacht.

Doch bis heute wird das Thema nicht ernst genug genommen – trotz aller Dramatik. Praktische Lösungen werden weiter verhindert. Noch werden zum Beispiel Lehramtsanwärter weiter vergrault, wenn sie beim Studium genau dasselbe wie Mathematik- und Chemie-Studenten lernen müssen, um später den Schülern dann das Einmaleins und das Bohrsche Atommodell näher zu bringen.

Die Vorschläge des Bildungsministeriums, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind Ausdruck von zehn Jahren Staatsversagen. Nicht nur, aber auch in Brandenburg. Wir Eltern müssen uns endgültig schmerzhaft eingestehen: Wir können uns bei der Bildung unserer Kinder auf das staatliche Schulsystem nicht mehr verlassen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.02.2023, 10 Uhr

Beitrag von Markus Woller

67 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 67.

    ... und wenn sie dann zurücktritt ? Glauben Sie tatsächlich, dass es besser wird ??? Wie blauäugig. In Berlin herrscht das gleiche Chaos seit Jaaahren.

  2. 66.

    Der Lehrerberuf ist aktuell ja auch äußerst unattraktiv. Ohne jede Wertschätzung sich mit äußerst aggressiven und völlig desinteressierten Schülern sowie höchst anspruchsvollen Eltern und Vorgesetzten auseinandersetzen zu müssen bei höchsten Qualifikationsanforderungen ist eben nicht jedermanns Sache. Es ist sicher attraktiver, Richter oder höherer Verwaltungsbeamter zu werden.

  3. 65.

    Auch ich habe eine klare Meinung und fundierte Forderung um unsere Kinder und Jugendlichen in den Schulen und Kinderheimen zu schützen: Werte Ministerin Britta Ernst (SPD): Geben Sie bitte auf und treten endlich zurück. Lehrerin mit Herz aus Neuruppin

  4. 63.

    "7 Stunden arbeiten" heißt wahrscheinlich, 7 Stunden am Stück unterrichten. Dazu kommen Pausenaufsichten oder auch zur Vorbereitung gehörende Dinge wie Organisatorisches etc. In dieser Zeit ist die Anspannung immer am Limit. Dazu muss man immer freundlich, kommunikativ,gerecht usw. sein. Im Anschluss wartet zuhause die Unterrichtsnach- und vorbereitung, wozu ich jetzt keine Korrekturen zähle. Ja, es gibt auch andere harte Jobs. Aber dieser zählt durchaus dazu und es fehlt zu oft an Respekt

  5. 62.

    Sehr geehrte Frau Ernst.
    Nach 39 Dienstjahren wage ich es, zu behaupten: unter Ihrer Führung ist der Absturz unseres ehemals gut laufenden "Bildungswesens" derart rasant verlaufen, dass es seinesgleichen sucht. VERSAGEN PUR
    Bitte machen Sie Platz für Ehrlichlkeit, für sinnvolle Erneuerungen, für eine Handhabe für uns Lehrer, für Reduktion dieses aufgeblasenen Apparates, für das Schaffen sinnhafter Tätigkeiten in den Schulämtern und Ministerien, gegen diesen Wahnsinn an resourcenverschlingenden "Neuerungen", gegen die Sinnlosigkeit der Arbeit der Schulleitungen.
    Ich halte diesen Irrsinn nicht länger aus.
    Bitte reagieren Sie wie ein guter Verlierer.
    Bildung und die Arbeit in diesem System sind nicht mehr tragbar.
    Mein Beruf war mir immer wichtig. Aber nun ist der Punkt erreicht, wo sich etwas ändern muss.

  6. 61.

    "Die Lehrerin auf dem Foto sieht echt ganz schön fertig aus."
    Echt jetzt? Das ist unsere Bildungsministerin.
    Oder war das Ironie?

  7. 60.

    Werte Ministerin Britta Ernst [SPD]: Sie verlangen von uns einen professionellen Job. Aber wie sieht es bei Ihnen aus? Es funktioniert nicht, was sie schon aus Ihrer Zeit im Norden Deutschlands deutlich zu spüren bekamen. Sie durften gehen. Gleiches gilt für Brandenburg: Geben Sie bitte auf und treten endlich zurück.

  8. 59.

    P. S.
    Im Kommentarebereich zum Artikel "Schülerrat...." hat Wossi ein paar weitere konkrete Ideen geäußert, die ich auch recht passend finde. Und um meine vorherige Antwort zu konkretisieren: Es muss mehr investiert werden als in 200 Assistenzstellen, Rahmenbedingungen müssen z. B. auch für die angedachte Onlinearbeit stimmen, die sonst einfach wieder zur Zusatzaufgabe und Mehrbelastung wird. Und damit es nicht falsch verstanden wird: Mir persönlich geht es nicht um höhere Lehrergehälter.

  9. 58.

    Im Namen einer Vielzahl von Lehrern schließen wir uns den hier schon zahlreich vertretenden Lehrerkollegen an: Frau Ministerin Britta Ernst (SPD): Treten Sie bitte sofort zurück - es reicht!

    „37.Lehrkörper aus der Prignitz, 17.02.2023 10:04: „Keine Ministerin hat uns so viel zeitlichen und finanziellen Aufwand gekostet wie die MBJS-Ministetrin Britta Ernst der SPD, um ihr begreifbar zu machen, dass sie von Anfang an als gelernte Wohnungswirtschaftlerin dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Wir erkennen keinerlei Selbstreflexion. Selbst ihre Misserfolge und die Mehrfachabwahlen in Hamburg und Schleswig-Holstein will sie nicht wahrhaben. Auch wir fordern den sofortigen Rücktritt!“

  10. 57.

    Berechtigte Frage und ich möchte nicht rumeiern. Hätte ich eine wirklich praktikable Antwort, würde ich sie ganz laut bekanntgeben.
    Was ich mir wünsche: dass sich die Politik einmal ehrlich macht, anstatt Sinnlosigkeit als Idee zu verkaufen (200 Lehrerstellen werden durch Verwaltungspersonal ERSETZT, bei über 700 Schulen). Dass zur Lösung des Problems an der Basis verhandelt wird, mit den Schulen und Schulleitungen, dass man endlich IN DER PRAXIS vor Ort erfragt, wie geholfen werden kann.

  11. 55.

    Vor über zehn Jahren demonstrierten hunderte (tausende?) Lehrer vor dem Mbjs in Potsdam und machten auf die überalterten Lehrerkollegien aufmerksam. Man hat uns angehört, aber nicht zugehört. Die damals sinkenden Schülerzahlen wurden zur Sparbüchse des Landes, obwohl man sie zur Verbesserung der Bedingungen an den Schulen hätte nutzen können. Dass Geburtenzahlen wieder stiegen, hat man dann schlichtweg verschlafen. Brandenburg hat sich mit dieser Politik selbst in die jetzige Situation gespart.

  12. 54.

    Zum Unterschied zwischen Unterrichts- und Arbeitszeit hat man Ihnen schon passend geantwortet. Aber zur Frage, wie undankbar die Arbeit als Lehrer ist: die Arbeit selbst ist es nicht, sie ist es, was uns täglich motiviert, weil bzw wenn man bei den Schülern etwas erreicht. Undankbar sind einerseits Kommentare von Menschen, die so gaaaanz genau wissen, wie leicht das Lehrerdasein ist. Undankbar ist außerdem die Ignoranz der Bildungspolitik, die Probleme einfach weglächeln, statt sie zu lösen.

  13. 53.

    Sie Posten hier als Einzelperson. Wenn Sie für ein ganzes Kollegium sprechen wollen, machen Sie ne Petition oder wenden Sie sich auf dem Dienstweg an Ihre Vorgesetzte. Diese Stimmungsmache finde ich unerträglich. Frau Ernst ist seit 2017 Ministerin in Brandenburg. Wie soll eine Person verantwortlich für die Probleme des demografischen Wandels sein können? Stellen Sie sich ihrer Verantwortung als Beamte und helfen Sie selbst mit Lösungen zu finden. Frau Ernst unternimmt bereits sehr viel. Eine neue Ministerin kann das demographische Problem auch nicht über Nacht lösen. Wenn alle mit anpacken, kriegen wir das schon hin.

  14. 52.

    Auch wir fordern den Rücktritt der Ministerin Ernst zum 23.02.2023. Bewahren Sie dadurch unsere Kinder, Lehrkräfte und Eltern vor weiteren Schäden. Sie tragen eine Hauptverantwortung an der gegenwärtigen Bildungsmisere! Können Sie überhaupt noch ruhig schlafen?

  15. 51.

    Noch ein "Erfolglosgipfel"?
    Man sieht die Wichtigkeit der Staatskanzlei förmlich an.
    "Wir haben bereits..."; "Ich werde nicht zulassen..."; "Ich werde mich dafür einsetzen..."; "Man muss da nachschärfen..."; könnte "Voreiterrolle..." werden; "Jetzt ist mal der Bund gefordert..."; "WIR müssen da mehr die Eigenverantwortung stärken..."...

  16. 50.

    Bin gespannt, ob Frau Ernst bei einer der demnächst anstehenden Personalversammlungen persönlich erscheinen wird.

  17. 49.

    Als während der Pandemie Probleme im Gesundheitssystem auftraten ist MP Woidke eingeschritten und hat die Zuständigkeit ins Innenministerium verlagert. Warum schweigt der MP jetzt und lässt das Thema Bildung schon seit Jahren gegen die Wand fahren? Man hätte ja auch mal von Sachsen und Bayern lernen können.
    Es wurden während der Pandemie schon genug Fehler bei den Kindern gemacht, es wird Zeit etwas zu verändern.

  18. 48.

    Wann genau nach der Wende ist Brandenburg im Schulbereich falsch abgebogen? Sachsen und Thüringen hatten exakt die gleichen Ausgangsbedingungen und stehen viel besser da!
    Ich befürchte, ein Rücktritt der Ministerin würde nicht viel bewirken, da die 2-3 Ebenen darunter bleiben. Warum begehrt dort niemand auf? Weil sie alle "noch was werden wollen" und bei der nächsten Beförderungsrunde dabei sein möchten?

Nächster Artikel