Kommentar | Lehrermangel in Brandenburg - Das Ende aller Ausreden
Brandenburg prüft drastische Maßnahmen, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Weil man keine Pädagogen findet, sollen Assistenten eingestellt und Klassen vergrößert werden. Das Papier ist ein Scheitern mit einem Jahrzehnt Anlauf, kommentiert Markus Woller.
Viel zu spät kommt das Brandenburger Bildungsministerium ins Rollen. Realitäten anerkennen, Lösungen suchen, das erwarten Eltern und Lehrervertreter seit vielen Jahren. Bisher gab es fast nur Beschwichtigungen und Ausreden. Mit immer höheren Seiteneinsteigerquoten und geschönten Statistiken zum Unterrichtsausfall hatten Britta Ernst und ihre Vorgänger versucht, das Versagen im Bereich der Lehrer-Gewinnung und -Ausbildung zu kaschieren.
Jetzt aber scheint das Modell Realitätsverweigerung nicht mehr aufzugehen. Es finden sich fürs kommende Schuljahr einfach nicht genug Pädagogen. Offenbar nicht mal genug, um den Mangel noch irgendwie schönreden zu können. Dabei ist der Anspruch an den Begriff "Pädagoge" in den vergangenen Jahren schon auf ein Minimum abgesenkt worden.
"Gut gelernt" in der Pandemie?
Natürlich gehen die Versuche, das Versagen zu kaschieren, auch bei dem nun vorgestellten Maßnahmenkatalog weiter: Die Prüfung von sogenannten "Selbstlernzeiten" für ältere Schüler wird da angekündigt. Mit klaren Worten heißt das: Die Schüler bekommen Aufgaben, der Lehrer unterrichtet woanders. Wenn das so käme, dann natürlich nur stundenweise, sagt die Ministerin. Wer das glaubt, wird selig. An einigen Schulen in anderen Bundesländern wird schon in diesem Schuljahr nur noch an vier Tagen in Präsenz unterrichtet.
Das Selbstlernen, so Britta Ernst, sei während der Pandemie doch "gut gelernt" worden. Für viele Eltern und Lehrer ist diese Aussage eine blanke Provokation. Denn fragt man in den Oberschulen und bei Elternvertretern nach, was "gut gelernt" denn heißen könnte, winken die kopfschüttelnd ab. Gelernt haben die meisten Schüler in dieser Zeit wenig.
Strukturelles Versagen seit mehr als zehn Jahren
Bei der Schuldfrage könnte man sich es nun leicht machen. Man sollte dabei aber durchaus den Blick weiten. Denn das Versagen ist strukturell und beginnt vor mindestens einer Dekade. Damals verließ man sich viel zu lange auf völlig falsche Bevölkerungsprognosen. Schulen wurden geschlossen und Lehrern der Einstieg in den Beruf schwer gemacht.
Doch bis heute wird das Thema nicht ernst genug genommen – trotz aller Dramatik. Praktische Lösungen werden weiter verhindert. Noch werden zum Beispiel Lehramtsanwärter weiter vergrault, wenn sie beim Studium genau dasselbe wie Mathematik- und Chemie-Studenten lernen müssen, um später den Schülern dann das Einmaleins und das Bohrsche Atommodell näher zu bringen.
Die Vorschläge des Bildungsministeriums, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind Ausdruck von zehn Jahren Staatsversagen. Nicht nur, aber auch in Brandenburg. Wir Eltern müssen uns endgültig schmerzhaft eingestehen: Wir können uns bei der Bildung unserer Kinder auf das staatliche Schulsystem nicht mehr verlassen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 16.02.2023, 10 Uhr