Kommentar | Gescheiterter Klima-Volksentscheid - Die Debatte wird bleiben
Der Berliner Volksentscheid für ein klimaneutrales Berlin im Jahr 2030 ist gescheitert. Kann sich der künftige Senat nun entspannt zurücklehnen? Ganz und gar nicht, kommentiert Angela Ulrich.
Gescheitert! Sechs! Setzen! Womöglich sogar: Klappe halten?
Nein, so sehen es die Macher des Klimavolksentscheids nicht, ganz und gar nicht. Nach ein paar Tränen und ein bisschen Enttäuschung, dass die nötigen Ja-Stimmen so klar verfehlt wurden, sagen sie umso entschiedener: Jetzt erst recht!
Und damit haben sie recht. Denn da sind einerseits die Fakten: Die Erderwärmung macht nicht erst einmal Pause, nur weil Berlin die Daumenschrauben beim Klimaschutz zunächst in der Schublade lässt. Es wird weiter heißer und trockener in der Stadt, unwirtlicher, weniger lebenswert.
Wer diese Stadt besser funktionieren lassen will, der muss nicht nur die Verwaltung reformieren. Der muss es auch schaffen, dass Berlin grüner und schneller abgas- und emissionsfrei wird. Dass Klimaschutz kein wolkiges Ziel, sondern noch mehr konkrete Aktion wird.
Ein Drittel bewegt das Klima
Denn – andererseits – ist da ja auch die Emotion. Gut ein Drittel aller Wahlberechtigten ist zur Abstimmung gegangen, obwohl es um nichts anderes ging – um keine Bundestags- oder Landtagswahl. Das zeigt: Das Thema Klima geht vielen eben nicht am Allerwertesten vorbei. Ein Drittel des Volkes bewegt das Klima.
Klar – es sind erstaunlich viele Nein-Stimmen gewesen. Alles Klimaschutz-Gegner? Das glaube ich nicht. Denn wer sich wirklich nicht für Klimaschutz interessiert, hätte den Volksentscheid auch elegant ignorieren können.
Dass so viele kamen, zeigt zweierlei: Einmal, dass es eine Menge Berlinerinnen und Berliner gibt, die eine lebenswertere Stadt wollen – die besser gerüstet ist gegen Hitzewellen und Dauerstau. Die auch bereit sind, persönlich umzusteuern für mehr Klimaschutz, und vehement Tempo einfordern. Gut so!
Und zum Zweiten auch eine Menge Bürgerinnen und Bürger, die sagen: Keine unrealistischen Ziele in Gesetze gießen, die wir eh nicht erreichen können. Eigentlich auch nicht verkehrt, wenn eine Demokratie sich nicht übernimmt.
Nicht unter "Ferner liefen" abzuhandeln
Was der künftige Berliner Senat davon mitnehmen sollte? Sich nicht fälschlich in Sicherheit zu wiegen, dass man den Klimaschutz flott unter "Ferner liefen" abhandeln könnte. Denn am Ende ist das nicht nur unfair, den Jungen gegenüber. Sondern rechnet sich auch nicht, weil Klimaschäden abzupuffern teurer werden wird, als jetzt für Klimaschutz und Klimatechnologien umzusteuern.
Und hat diese künftige Koalition nicht noch vor anderthalb Wochen lautstark damit angegeben, Klimaschutz ab sofort groß schreiben zu wollen? Dann wollen wir jetzt sehen, dass sie das ernst meint und verstanden hat, was mehr als 440.000 Berlinerinnen und Berliner wollen.
Denn auch wenn die riesigen grünen Kampagnen-Schilder auf den Straßen fix abgebaut werden – die Debatte, die der Klima-Volksentscheid angeregt hat, wird bleiben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.03.2023, 06:20 Uhr