Richter mit DDR-Studium nicht mehr im Amt - Brandenburger Justizministerin weist Diskriminierungsvorwurf zurück

Di 04.04.23 | 22:17 Uhr
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Susanne Hoffmann (CDU), Ministerin der Justiz (Quelle: dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.04.2023 | Lisa Steger | Bild: dpa

Die Brandenburger Justizministerin Susanne Hoffmann hat einen Richter seines Amtes enthoben, der sein Jura-Studium in der DDR absolviert hatte. Die Linkspartei sieht darin Diskriminierung und fordert ihren Rücktritt. Aber die CDU-Ministerin wehrt sich.

Die Brandenburger Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) hat Vorwürfe zurückgewiesen, sie diskriminiere Richter mit Ostbiographie. Zuvor hatte die Linksfraktion im Brandenburger Landtag Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dazu aufgefordert, die Ministerin zu entlassen, weil sie einem Eberswalder Richter seine DDR-Vergangenheit vorgeworfen habe.

Ministerin hatte Richter mit Ostbiografie des Amtes enthoben

Hintergrund ist die Reform der Arbeitsgerichte im Land Brandenburg. Da das Arbeitsgericht Eberswalde geschlossen wurde, sollten mehrere Arbeitsrichter an andere Gerichte versetzt werden. Einer der Juristen, die der Versetzung widersprachen, ist jüngst durch das Ministerium formal seines Amtes enthoben worden. Eine Versetzung an ein Arbeitsgericht seiner Wahl war nicht möglich. Für die Übertragung eines gleichwertigen Richteramtes außerhalb der Arbeitsgerichte erfülle er nicht die fachlichen Voraussetzungen.

Ministerium sieht DDR-Jurastudium als Problem

Zur Begründung heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an den Richter, das dem rbb vorliegt, er sei 30 Jahre ausschließlich am Arbeitsgericht tätig gewesen und habe Erfahrungen in anderen Rechtsgebieten nicht sammeln können. "Hinzu kommt, dass Sie in der ehemaligen DDR studiert und damit ihre Ausbildung in einer Rechtsordnung absolviert haben, in der Rechtsgrundsätze und Regelungen galten, sie sich erheblich vom heute geltenden Recht unterscheiden."

Linkspartei sieht Justiz beschädigt

Linksfraktionschef Sebastian Walter hatte der Ministerin daraufhin vorgeworfen, sie greife "tief in die ideologische Mottenkiste". Das sei nicht nur dreist, sondern degradiere Ostdeutsche. "Das ist keine Provinzposse mehr, sondern beschädigt die Justiz insgesamt und zeigt den Umgang einer westdeutschen Ministerin mit ostdeutschen Biografien", so Walter.

Ministerin sieht keine Diskrimierung

Gegen den Vorwurf wehrt sich nun die Ministerin. In einer Stellungnahme des Ministeriums heißt es, es sei gesetzlich erforderlich "den jeweiligen Werdegang des Betroffenen unter Einbeziehung der bisherigen beruflichen Erfahrungen in den Blick zu nehmen. Dem wurde Rechnung getragen."

Ministerin Hoffmann erklärte, sie habe sich immer für eine Förderung von Richtern mit ostdeutscher Herkunft stark gemacht. "So wurden in meiner Amtszeit zahlreiche Richter mit Ostbiographie in Führungspositionen gewählt, u. a. erstmals der Präsident eines Landgerichts und der Vizepräsident eines Obergerichts."

Auch die Fraktion BVB/Freie Wähler hatte den Rücktritt der Ministerin gefordert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.04.2023, 14:00 Uhr

81 Kommentare

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  1. 81.

    In Deutschland gab in gibt es das juristische Fachgebiet Arbeistrecht, es gibt eine Abeitsgesetzgebung, und auch Arbeitsgesetzbuch, sogar als Taschenbuch und immer wieder aktualisiert auf den Markt zu bekommen.
    Beispielsweise, im Jahr 2020 erschien bei Beck - Verlag die 96. Auflage.

  2. 80.

    Ich habe mein Leben lang zuerst bei der DR und ab der Wende bei der DB in verantwortlicher Tätigkeit gearbeitet. Mir wurde die weiße Weste bescheinigt. Ich weiß wie sich Diskriminierung anfühlt. Ich hoffe nur, dass die Justizministerium nicht auch noch zusätzlich die Buschzulage erhält.

  3. 79.

    Das Grundgesetz wurde 1948 von 65 Menschen erstellt, und nun ist einer dabei der Alles in Frage stellt?
    Nach 1945 hat sich niemand zu seiner Vergangenheit bekannt, es waren Wendehälse.

    Genauso nach dem Fall des eisernen Vorhangs, konnte man die aktiven Diener des Regimes mit der Lupe suchen, nicht nur in der DDR. Eine bekannte Masche, über Nacht zum Demokraten mutierten und an eigener beruflichen Laufbahn "basteln".

  4. 78.

    Als Wessi bin ich auch verdutzt, wie jemand 30 Jahre lang Richter der BRD sein kann und jetzt plötzlich wird ihm seine DDR-Ausbildung vorgeworfen? In 30 Jahren kann sich ein Richter, der halbwegs helle ist, auch an das Rechtssystem der BRD anpassen. Das hat er ja sicherlich auch getan, es werden ihm anscheinend keine neueren Verfahrensfehler vorgeworfen. Oder bekommen wir in dem Bericht nur die Hälfte zu lesen?

    Das hat ansonsten ein Geschmäckle von Orban, Kaczinski, Trump oder Nethanjahu. Die verquicken auch gerne Exekutive, Judikative und Legislative.

  5. 77.

    Es wird zeit dass die DDR aus den Gerichten verschwindet.

  6. 76.

    Einer der Väter unseres Grundgesetzes ist der Nazi Paul Binder. An der fachlichen Kompetenz fehlte es ihm nicht. Oder wie sie sagen würden, der Lehrstoff muss wohl ausgereicht haben.

  7. 75.

    Zu diesem Fauxpas müsste eigentlich MP Woidke Stellung beziehen und der Westberliner Ministerin wenigstens eine Ermahnung geben. Vorrangig ist Sie doch Politikerin und ihr Vorgesetzter ist der MP.
    Trapattoni sagte einst „Was erlauben …“.

  8. 74.

    Nochmal wir haben in Deutschland Gewaltenteilung und ein Richter kann daher überhaupt kein Beamter sein.
    Deswegen bezweifle ich, dass die Vorgehensweise der Justizministerin überhaupt gerichtsfest ist.

  9. 73.

    Ok, ich versuche es nochmal zum anfassen. Was glauben sie wieviele Nazi-Juristen in der BRD Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, generell beschäftigt im Justizministerium waren??
    Ihre juristische Kompetenz war ganz sicher nicht das Problem der 68-iger Bewegung.
    Also warum sollen nun gut ausgebildete Juristen aus der DDR mit der hiesigen Rechtssprechung irgendein Problem haben, zumal man im Gegensatz zur Nachkriegszeit ja die Beschäftigung im öffentlichen Dienst bei entsprechender Vergangenheit von vornherein ausschließt.
    Sie glauben ernsthaft das nur Juristen in der deutschen Rechtssprechung Kompetenz besitzen, wenn sie beispielsweise an der FU Berlin studiert haben??
    Nicht wirklich ihr Ernst oder?? Aber typisch für Deutschland.

  10. 72.

    Ich bezweifle, daß das Arbeitsrecht der DDR und der BRD 100% identisch sind. Wo gibt's den heute noch Arbeitnehmer die von der Lehre bis zur Rente die gleiche Tätigkeit ausüben ? Weiterbildung ist angesagt.

  11. 71.

    Wenn das so klar ist, das ein Beamter da zu arbeiten hat wo der Dienstherr das wünscht, dann frage ich mich warum noch so viele Beamte auf Staatskosten von Bonn nach Berlin pendeln müssen.

  12. 70.

    Es gibt in der BRD kein Arbeitsgesetzbuch. Das gab es in der DDR. Es war so geschrieben, das es auch Nichtjuristen verstehen konnten. Heutige Gesetze sind geschrieben von Juristen für Juristen. Die Anwaltschaft braucht schließlich immer neue Mandanten. Man hätte dem Mann eine Forbildung anbieten können oder einen Posten als Beisitzer in einem anderen Rechtszweig. Ich bezweifle das man mit einem Richter mit BRD Ausbildung so verfahren wäre, wenn er nur Erfahrung in einem Rechtszweig gehabt hätte.

  13. 69.

    Was ist denn das für ein Blödsinn. Auch als Arbeitsrichter ist man Volljurist. 30 Jahre lang hat er in der "neuen Gesellschaftsordnung" Recht gesprochen und nun behaupten Sie, er hätte kein Jurastudium? Abgesehen davon dass das Arbeitsrechts als Zweig des Zivilrechts längst nicht so von anderen Rechtsgebieten abweicht, wie manche hier meinen. Also ich bin manchmal unangenehm überrascht, wie wenig Wissen hier aufläuft

  14. 68.

    Hier geht es nicht um Vergleich zweier Systeme, sondern um zwei inhaltlich unterschiedliche Lehrstoffe.
    Beispielsweisw ein in der DDR ausgebildeter Handwerker, Krankenpfleger, Arzt usw hat inhaltlich quasi den selben Lehrstoff.

  15. 67.

    Geschützt ist der Bürger vor der Willkür im Wesentlichen durch die Gewaltenteilung. Auch die DDR hatte eine Verfassung aber keine Gewaltenteilung. Es war die willkürliche Rechtsbeugung, also der Missbrauch des Rechts (Urteile fussend auf fehlenden Beweisen, unter Falschauslegung der Rechtssprechnung, etc.), der aus der DDR einen Unrechtsstaat machte. Das ist auch nochmal zu unterscheiden von den Rassengesetzen des 3. Reichs.
    Denn im 3. Reich herrschte nicht nur Willkür in der Justiz, sondern die Rechtssprechung konnte sich auch völkertrechtswidriger Gesetze bedienen.
    Obwohl natürlich auch die Nazis hervoragende Juristen hatten, die mit der Nachkriegsrechtssprechung nun überhaupt kein Problem hätten.

  16. 66.

    Da haben sie durchaus recht, diese Juristen sind Top, aber in öffentlich-rechtlichen Positionen aufgrund ihrer Vergangenheit nicht zugelassen.
    In der Privatwirtschaft sind die sehr erfolgreich unterwegs (gewesen).

  17. 65.

    Danke Frau Carla K. für Ihre Hinweise auf das tatsächliche unglaubliche Skandalausmaß im Justizministerium in Brandenburg. Hoffentlich wacht der Landtag jetzt auf und schafft Tatsachen!

  18. 64.

    Im "Einigungsvertrag" war ausdrücklich vorgesehen, daß DDR-Richter (nach mehrmaligem "Gaucken" und einem Votum des Richterüberprüfungsausschusses) in die BRD-Justiz übernommen werden konnten. Sonst wäre die Rechtsprechung im "Nahen Osten" zusammengebrochen. Nach über 30 Jahren kann man diesen Menschen keine fehlende Eignung oder Befähigung mehr vorwerfen. Im Gegenteil: sie kennen zwei Rechtssysteme in- und auswendig.

  19. 63.

    PattonMittwoch, 05.04.2023 | 11:26 Uhr
    Antwort auf [Martina] vom 05.04.2023 um 10:40
    "Wo lernt man eigentlich diesen RAF-Duktus?"

    Sie irren. Ist kein "RAF-Duktus"
    - ist das was bestimmte Milieus als "RAF-Duktus" bezeichnen. Und damit unbewusst die RAF ehren und würdigen.

    Denn inhaltlich-sachlich haben Sie offenbar nichts zu entgegnen. Müssen also im trüben fischen gehen. Damit Ihnen Verbündete im Geiste dabei folgen...dass das ansprechen von historisch-gesellschaftlichen Tatsachen irgendwie "RAF" , irgendwie "Kriminell" irgendwie "Terrorismus" sein muss.

    Ist halt der Extremismus des sich selbst als bravgutbürgerlich empfindenen nichtextremistischen Mittelstandes. Der schon so manches Verbrechen, so manchen Verbrecher in einer demokratischen Wahl in ein demokratisches Parlament wählte.
    Aber schuld sind immer die anderen. Man selbst ist ja..."normal"
    Machen Sie doch mal Ihre historischen Hausaufgaben. Wäre sehr hilfreich.

  20. 62.

    Doch, die Einarbeitung in andere Bereiche ist möglich. In der DDR war das Jurastudium schon vergleichbar. Es galt immer das Bürgerliche Gesetzbuch. Anhand dessen ist viel möglich. Juristische Prinzipien sind so in der Ausbildung vermittelt worden, dass eine Anerkennung logisch ist.
    Aber hier geht es Macht....so das die Ausbildung nur als Mittel zum Zweck benutzt wird.

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