rbb-Krise - Wie Ministerpräsident Woidke versucht, auf die Intendantenwahl Einfluss zu nehmen
Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke schreibt dem rbb und gibt dem Verwaltungsrat Empfehlungen - und das kurz vor der Neubesetzung des Intendant:innen-Postens. Medienpolitiker sehen einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit. Von René Althammer (rbb24 Recherche) und Marcus Engert (NDR)
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat den Brief mit acht Zeilen an den Verwaltungsrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) selbst unterzeichnet. In dem Schreiben heißt es, er wäre den Verwaltungsräten "dankbar", wenn diese bei der "anstehenden Neubesetzung" der Intendant:innen-Stelle Hinweise der Rechnungshöfe "prüfen und berücksichtigen" würden - und zwar Hinweise zur Deckelung des Gehalts. Zur Erklärung schreibt Woidke weiter, die Länder Berlin und Brandenburg hätten vor, bei der Reform des Staatsvertrags den Vorschlag der Rechnungshöfe zu berücksichtigen, wonach Intendant:innen beim rbb zukünftig um die 177.000 Euro jährlich erhalten sollen.
Der Brief, der rbb24 Recherche und dem NDR vorliegt, ist handschriftlich auf den 8. Juni datiert, er ging an diesem Tag am Nachmittag im rbb ein. Zu dieser Zeit tagte der Rundfunkrat und hörte sich die Bewerbungsreden der vier Kandidat:innen an.
Eingriff in die Rundfunkfreiheit?
Rundfunkratsmitglied Christian Goiny, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kritisierte Woidke scharf. Für Goiny ist dies ein Eingriff in die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Verwaltungsrat ist das Gremium, dass den Vertrag mit dem Intendanten oder der Intendantin abschließt und die Bedingungen aushandelt.
Der Brief Woidkes sei "geeignet, das Vertrauen in die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beschädigen", so Goiny auf rbb24-Anfrage. Auch wenn das Schreiben als "Bitte" formuliert sei, ginge aus ihm doch hervor, dass der Ministerpräsident erwarte, dass dieser Bitte entsprochen werde, so Goiny weiter: "Überspitzt kann man sagen, Ministerpräsident Woidke weist den Verwaltungsrat per Dekret an, wie er sich bei der aktuellen Intendant:innenwahl verhalten soll. Dieses Vorgehen ist nicht durch den Rundfunkstaatsvertrag gedeckt."
Sabine Jauer, Mitglied der Findungskommission und Vorsitzende des rbb-Personalrats, hält das Schreiben für "dreist" und einen eindeutigen "Verstoß gegen die Unabhängigkeit des rbb und das Gebot der Staatsferne". Mit dem Verweis auf die Empfehlungen der Rechnungshöfe umgehe Woidke zudem "die politische Debatte in den Parlamenten von Brandenburg und Berlin", die letztlich über eine Änderung im Staatsvertrag entscheiden müssen.
Und die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Melanie Kühnemann-Grunow - zugleich medienpolitische Sprecherin der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus - fordert, die "Unabhängigkeit der Organe des rbb" unbedingt zu respektieren. Das laufende Auswahlverfahren für die Besetzung der Intendanz habe "absoluten Vorrang" und es gelte, "politisch keinen Einfluss zu nehmen".
Staats- und Senatskanzlei verweisen auf Staatsvertrag
Der Brandenburger Regierungssprecher Florian Engels wies die Kritik an dem Brief am Dienstag zurück. Woidke habe sich mehrfach für eine Begrenzung des Intendantengehalts eingesetzt. Das solle auch in der künftigen Neuregelung des Staatsvertrags berücksichtigt werden. Das Schreiben stelle nach seiner Ansicht "entgegen anderslautender Behauptungen (...) keine Einmischung in die Rundfunkfreiheit" dar. "Ein Auseinanderfallen des jetzt zu vereinbarenden Gehalts mit der beabsichtigten Neuregelung im Staatsvertrag, dürfte in der Öffentlichkeit auf wenig Verständnis stoßen."
Die Berliner Senatskanzlei äußerte sich bislang nicht direkt zu Woidkes Schreiben. Allerdings verwies die Pressestelle darauf, dass man für starke Gremien und eine zügige Novellierung des Staatsvertrags eintrete. Dabei sollen die Hinweise der Rechnungshöfe zu den Gehaltsfragen beachtet und die parlamentarischen Gremien einbezogen werden – in enger Abstimmung mit Brandenburg.
Wer bestimmt, wie hoch das Gehalt sein darf?
Am 8. Juni hatten sich die Bewerber:innen um den höchsten Job im Sender im Rundfunkrat vorgestellt. Vorausgegangen war eine Diskussion, wer überhaupt zur Wahl für die rbb-Intendanz am 16. Juni zugelassen wird. In der ursprünglichen Ausschreibung hatte es zunächst keine Angaben zu einer möglichen Deckelung des Gehalts gegeben. Doch während der Bewerbungsgespräche soll dies zum Thema geworden sein - und der Bewerber Jan Weyrauch war zunächst aus dem Rennen. Dieses Verfahren stieß jedoch auf Kritik und der "aussortierte" Kandidat wurde kurzfristig wieder eingeladen. Damit standen drei Frauen und ein Mann als Bewerber:innen bereit.
Dietmar Woidke hatte indes schon im Januar mitgeteilt, was er sich für die Besetzung des Spitzenjobs wünsche: einen Menschen mit Ost-Hintergrund. Zugleich gilt für die Wahl aber das Prinzip der Besten-Auslese, an das sich die Rundfunkräte bei ihrer Entscheidung halten müssen - solange im Gesetz nichts anderes steht.
Bei seiner schriftlichen "Bitte" stützt sich Woidke nun auf die Rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg, die den rbb seit einigen Monaten prüfen. Sie hatten schon im Mai eine Absenkung der Gehälter für die Spitzenposten im Sender vorgeschlagen. Dies bedarf jedoch einer gesetzlichen Regelung, die es bislang nicht gibt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Dietmar Woidke für seinen Umgang mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisiert wird. Per Brief an die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger hatte er sich Anfang Februar 2022 selbst ins rbb-Studio Cottbus eingeladen. Sein Wahlkreis liegt in der Lausitz, für die das rbb-Studio Cottbus zuständig ist. Woidke soll sich dort unzufrieden darüber geäußert haben, dass die Lausitz zuvor im Programm des Senders zu negativ dargestellt worden sei. In der Redaktionskonferenz am nächsten Tag war vom "Versuch politischer Einflussnahme" die Rede, Teilnehmer berichten von Fassungslosigkeit und Irritation über Woidkes Vorgehen.
Über den "Business Insider" ließ Woidke daraufhin den Versuch der Einflussnahme dementieren, ergänzt durch die Botschaft: "Dass die Staatskanzlei Aufholbedarf sieht, was die Berichterstattung des RBB aus und über Brandenburg betrifft, ist allgemein bekannt."
Weniger Politprominenz in Kontrollgremien?
Benjamin Ehlers, der Vorsitzende des rbb-Verwaltungsrats, kommt auch aus der Lausitz - genauer aus Cottbus. Er ist gut vernetzt in der Brandenburger SPD, gehörte zur Landesschiedskommission. Auf Anfrage verweist Ehlers am Montag darauf, dass einzig der Verwaltungsrat für den Vertragsabschluss mit der zukünftigen Intendantin oder dem Intendanten zuständig sei und "dass weder die Landesparlamente noch die Landesregierungen befugt sind, in diesen Verantwortungsbereich einzugreifen". Gegenüber Woidke soll Ehlers nach Informationen von rbb24 Recherche und NDR noch deutlicher geworden sein: Er habe ihm den "Hinweis" gegebenen, wer laut Rundfunkstaatsvertrag für was zuständig sei. Und er soll Woidke gebeten haben, genau dies zu respektieren.
Geht es nach den Rechnungshöfen, steht auch die Frage im Raum, in welchem Umfang prominente Parteipolitiker zukünftig im Rundfunk- und im Verwaltungsrat vertreten sein sollen. Ob Woidkes Hinweis im aktuellen Schreiben an den rbb-Verwaltungsrat auch darauf abzielt, diesen Vorschlag aufzugreifen im neuen rbb-Staatsvertrag zu verankern, wird sich zeigen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Benjamin Ehlers hätte auch dem Parteitagspräsidium der SPD in Brandenburg angehört. Das trifft nicht zu. Viel mehr gehörte sein Namensvetter Martin Ehlers dem Präsidium an. Wir bitten die Verwechslung zu entschuldigen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.06.2023, 17:00 Uhr