Kampagne der Landesregierung - Brandenburg geht mit Motzen, Protzen und Kotzen auf Werbetour

Mi 06.09.23 | 06:34 Uhr | Von Michael Schon
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Ortseingangsschild von Kotzen, Gemeinde im Landkreis Havelland, Brandenburg. (Quelle: dpa/Zoonar.com/Stefan Ziese)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.09.2023 | Gespräch mit Thomas Braune | Bild: dpa/Zoonar.com/Stefan Ziese

Einen Monat lang will Brandenburg mit kuriosen Ortsnamen auf sich aufmerksam machen. Die Kampagne setzt selbstironisch auf kleine Gemeinden mit ausgefallenen Namen. Werden Dörfer wie Ranzig, Knoblauch oder Sauen jetzt zum Marketingrenner? Von Michael Schon

"Schönheit", so steht es im Online-Lexikon Wikipedia, "ist ein Attribut individuellen menschlichen Wohlgefallens, das zum Beispiel in Naturerscheinungen, bei Kunstgegenständen und in Alltagserlebnissen auftritt."

An schönen Alltagserlebnissen fehlt es nicht in Brandenburg. Jeder weiß das, der einmal in Wassersuppe, Sargleben oder Kuhbier vorbeigekommen ist - und den ein Schauer eben dieses individuellen Wohlgefallens durchfahren hat. Sei es nun als Schmunzeln oder Schenkelklopfer. Ranzig! Kotzen! Ohnewitz! Wo man nicht überall vorbeikommt in Brandenburg.

Der amtliche Brandenburg-Slogan "Es kann so einfach sein" war also gestern. Jetzt behauptet das Landesmarketing: "Schöne Orte brauchen keine schönen Namen".

Hölle und Elend liegen nicht in Brandenburg

Das ist natürlich gemein, denn Schönheit lässt sich a) nicht verallgemeinern und b) haben schöne Orte auch in Brandenburg schöne Namen: Philadelphia. Afrika. Orion. Man kommt rum in der Mark. Zumindest klingen diese Namen nicht nach "vermeintlicher Provinz", wie es in der Mitteilung der Staatskanzlei zur Kampagne heißt. Was dort auch steht: "Kompakt und auf gewohnt humorvolle Weise" wolle man "die Vorzüge des zuzugstärksten Bundeslandes" präsentieren, natürlich selbstbewusst.

Die Frage ist daher nicht, ob zu diesen Vorzügen auch so schöne Namen wie Rambow und Müllrose gehören. Sondern viel mehr: Hat das zuzugstarke Brandenburg auch die zugstärksten Namen?

Da kann man geteilter Meinung sein. Bei den Schmähungen zumindest ist Brandenburg nicht mal Mittelfeld. Killer, Deppenhausen, Eiterberg oder auch Mackendorf, Mückenloch und Katzenhirn – alles anderswo. Drogen? Hölle? Elend? Sorge? Jedenfalls nicht in Brandenburg.

Die achtsame und romantische Mark

Im Ranking des prä-, post- und hochpubertären Publikums dürfte Bayern ganz weit vorne liegen: Oberkotzau, Pups, Petting, Feucht, Sack, Tuntenhausen. Alles weiß-blau. Sexau liegt in Baden-Wüttemberg. Fickingen im Saarland. Wixhausen, Rammelburg, Möse – man ahnt es, die Liste ließe sich endlos fortsetzen (der Ortsschilder-Klau vermutlich auch) und das brave Busendorf in Potsdam-Mittelmark wirkt plötzlich ganz blass bei all der Schamesröte.

Die Mark ist einfach achtsamer, romantischer: Wo so schön benannte Orte wie Herzberg, Herzsprung oder Himmelpfort liegen, braucht sich niemand zu verstecken vor Konkurrenz. Nicht vor Süßen, Zarten, Küssaberg (alle in Baden-Württemberg) – und auch nicht vor Amorbach und Venusberg (beide Bayern).

Ob das zündet?

Auffallen kann man damit nicht. Das Landesmarketing hat daher die offensichtlich ganz harten Fälle rausgepickt: Protzen, Motzen, Kackrow, Pitschen-Pickel. Orte, in denen es sich gewiss wunderbar lebt und deren "vermeintlich kuriose Namen" nun zum Wohle Brandenburgs ins Netz gezerrt werden.

Die Landesregierung verspricht einen "Maßnahmen- und Medienmix". Sie hofft auf eine Flut von Likes, Memes und dem, was einmal retweeten hieß. In langweiligen Orten wie Köln, München, Hamburg und Stuttgart werden sogar Radiospots geschaltet. Ob das zündet? Man ist versucht, mit Siehdichum darauf zu antworten (Wartenberg liegt ja in Berlin). Aber ob es wirklich so einfach sein kann?

Beitrag von Michael Schon

45 Kommentare

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  1. 45.

    Es gibt wohl kaum einen Unfug, zu dem meine Regierung nicht bereit ist.
    Wozu soll das gut sein? Hier wird sicher nur Geld verbrannt. Für nix und wieder nix. Keine echten Probleme in Potsdam bekannt? Ich könnte helfen :-)

  2. 44.

    Ich sehe diese Aufmachung als Reißer an. Ob sich dann die Orte mit Autoparkplätzen oder Motorrad"Helden" - Gehabe anfreunden können, ist die nächste Frage.
    Wer Brandenburg mag, kennt die Perlen, und- die meisten liegen -heutzutage GsD - im Verborgenen. Denn oft scheitert es allein mit der nicht(!)motorisierten Anfahrt.
    Ein Mehrtages-Aufenthalt mit "Mond-Preisen", na, holla, dann bleibt man eben zu Hause. Ich habe die Erfahrung, dass man in Bbg denkt, in Berlin wohnen "die Reichen", da darf dann der Kaffee ruhig mal 3,90 EUR kosten. So lange wie Bbg von "diesem hohen Ross nicht runterkommt", sucht man sich andere "Ansehen" - "Ankieken"-Ziele aus.
    Richtig ist, was im Forum benannt wurde, dass Sachsen-Anhalt die meisten Welterbe-(Kultur)Stätten zu bieten hat. - Logisch! aber auch bbg hat 'was abgekriegt.

  3. 43.

    Ich glaube ehrlichgesagt nicht, dass ein Land ALS GANZES für sich unverwechselbar sein kann. Dafür ist jedes Bundesland in sich zu unterschiedlich. Selbst Bayern kennt Gegenden, die flach sind wie ein Handtuch und sei es durch einen Meteoriteneinschlag in der Umgebung von Nördlingen. ;-

    In meinen Augen sind Regionen unverwechselbar, im Brandenburgischen ist die Prignitz anders als das Havelland, Dahme-Spreewald anders als Elbe-Elster, Potsdam-Mittelmark oder die uralte Kapitale Brandenburg an der Havel. Der Kreis Stormarn oder der Kreis Plön in Schleswig-Holstein unterscheiden sich von der Westküste erheblich, so auch in NRW das Ruhrgebiet von den Gebieten nahe der Eifel oder an der oberen Weser.

    Jeder Kunstgriff kommt von daher ausgesprochen künstlich und recht abstrakt daher.

  4. 42.

    Die Region wird dabei von der Empfindung her nicht unbedingt mit dem Bundesland gleichgesetzt. Die älteren Uckermärker dürften von der Empfindung her eher mit dem Brandenburgischen fremdeln, weil sie fast vierzig Jahre lang zu Neubrandenburg gerechnet wurden, was jetzt Teil von Mecklenburg-Vorpommern ist, bei Teilen der Prignitz sieht es nicht anders aus, was den Bezug zu Schwerin anbetrifft.

    Die Herausforderung für Sachsen-Anhalt dürfte dabei am größten sein, weil das Bundesland vor dem Krieg so nicht existierte und nach dem Krieg nur für kurze drei Jahre, bis die heute darin versammelten Regionen verschiedenen Bezirken zugerechnet wurden.

    Fünf Jahre mag für junge Menschen unermesslich lang erscheinen, für Ältere über 60 ist das vglw. kurz. 30 Jahre bedeutet für Ältere noch nicht einmal die Hälfte ihres Lebens, für junge Menschen übersteigt das ihren bisherigen Horizont.

    Selbst in Bayern muss penibel darauf geachtet werden, dass die Franken nicht zu kurz kommen. ;-

  5. 41.

    Nein, ich habe keine Vorurteile, sondern Ansichten auf Basis von Informationen. Für mich passiert zu viel in Brandenburg, das ich persönlich erschreckend finde. Stellvertretend für vieles andere nenne ich mal den Ortsnamen Burg. Für viele ist das alles anscheinend kein Problem, für mich eben schon.

  6. 40.

    >"Der aktuelle Spruch soll abgelöst werden. Lesen hilft echt. "
    Eben weil ich gelesen habe, habe ich auch gelesen... "Die neue Kampagne ergänzt die vor einem Jahr gestartete jwd-Kommunikationsoffensive." Ergänzt! - nicht ERSETZT!
    Nachzulesen auf dieser offiziellen Kommunikationsseite unserer Landesregierung:
    https://www.brandenburg.de/alias/bb1.c.765300.de

  7. 38.

    Landesspezifisch regionale Eigenheiten gibts in unserem Bundesländle auch. Für mich z.B. ist die Lausitz und alles da südlich bis Sachsen ran gefühlt unerforschtes Land wie der Mars. ;-)
    Doppelländer wie Sachsen-Anhalt haben immer so ihre Identitätsprobleme insgesamt. Aber zumindest die Leuts in einer Region lieben die Heimat in ihrem Landkreis oder der überlieferten Landschaftsregion.

  8. 37.

    Es kann so einfach sein... ist der allgemeine Landes-Claim hier. Touristische Aussagen oder Werbebotschaften sind andere. Die sind spezialisierter auf bestimmte Kundengruppen und touristische Angebote.

  9. 36.

    „ Der amtliche Brandenburg-Slogan "Es kann so einfach sein" war also gestern. Jetzt behauptet das Landesmarketing: "Schöne Orte brauchen keine schönen Namen".“

    Vielleicht sollte man die Berichte lesen vor dem Kommentieren liebe Leute. Der bisherige Spruch war auch nicht für Touristen. Es geht darum, dem Land einen unverwechselbaren Stempel zu verpassen, wie eben andere Länder auch. Nicht die Orte werden beworben sondern das Land als Ganzes.

  10. 35.

    Dass Sachsen-Anhalt von allen Bundesländern die meisten Weltkulturerbestätten hat, war nur mal am Tag der deutschen Einheit-Präsentation, seinerzeit in Potsdam, Thema. Aber offensichtlich fühlt sich Sachsen-Anhalt immer noch reichlich zusammengewürfelt. Aus drei Jahrzehnten + 3 Jahre als DDR-Bundesland(1949 - 1952)lässt sich offenbar schwer Identität ziehen.

  11. 34.

    Brandenburg kann Selbstironie? Hoppla, wie das? Kann mir nicht vorstellen, dass sich die Kampagne Brandenburger:innen ausgedacht haben. In den aufgezählten "langweiligen" Städten wie Stuttgart, München, Hamburg und Köln ist diese Form des Humors jedenfalls keine Unbekannte.

  12. 33.

    >"das "Land der Frühaufsteher" eher bierernst und anhand bloßer 7 Minuten Unterbieten"
    Zumal dieser Spruch schon ne Weile begraben ist, weil sich selbst in Sachsen-Anhalt mit der nachwachsenden Studenten- und Arbeiter-/Angestelltengeneration das Thema so früh aufstehen im Durchschnitt erledingt hat. Als Claim fürs Land gibts jetzt nur noch nen Hashtag #moderndenken. Zu den Tourismusthemen gibts da keine so richtig filterbaren Kernaussagen bzw. Sprüche.

  13. 32.

    Hab den Artikel schon mit freunden online gelesenen die mit mir schon das ganzes Leben hier im Brandenburg leben, und wir fandes es echt cool das sowas kommen soll, vorallem da ich vor ein paar Jahre selbst nach Motzen gezogen bin.

  14. 31.

    Der Unterschied zwischen Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt dürfte derjenige (gewesen) sein, dass der Sinnspruch "Wir können alles außer hochdeutsch" unleugbar mit einem Augenzwinkern daherkam, das "Land der Frühaufsteher" eher bierernst und anhand bloßer 7 Minuten Unterbieten des bundesdeutschen Durchschnitts. Da flackert dann eher das Bild des Buchhalters mit Ärmelschonern auf. ;-

  15. 29.

    Ein wunderbarer, launiger, humorvoller Beitrag. Das Lesen eines solchen "Stoffes" versüßt den Arbeitstag. Danke schön.
    Rajko Peter Petrow

  16. 28.

    Merkwürdig, dass dann Brandenburger für Brandenburger solche Werbung durchziehen.

  17. 27.

    Brandenburg hat viel zu bieten. Da ist ganz sicher für jeden etwas dabei.
    Bald kommen dann auch die Bikeparks und vielleicht bekommt Brandenburg sogar einen Raketenstart- und (!) Landeplatz.
    Direkt von Kotzen via Kotzen auf den Mond!

  18. 26.

    Vielleicht mal erst informieren? Brandenburg macht auf verschiedensten Themengebieten Tourismuswerbung für unterschiedliche Altersgruppen und Klientels. Da ist Natur, Kulinarik, Aktivurlaub usw. schon immer mit bei.
    Einfach mal auf reiseland-brandenburg.de schauen - das offizielle Tourismusmarketing unseres Landes Brandenburg.

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