Großangelegte Kampagne - Brandenburger Bildungsministerium wirbt bei Lehrersuche auch um Ruheständler

Mi 22.05.24 | 06:22 Uhr | Von Christoph Hölscher
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Lehrer im Unterricht mit Schueler und Schuelerinnen
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 21.05.2024 | Carsten Krippahl | Bild: picture alliance | Thomas Imo

Rund 1.000 Lehrerstellen sind in Brandenburg unbesetzt. Jetzt will das Bildungsministerium dem Mangel mit einer großangelegten Werbekampagne begegnen. Auf Plakaten, in Anzeigen, Radiospots und sozialen Medien. Kann das funktionieren? Von Christoph Hölscher

  • Derzeit gibt es nach Ministeriumsangaben rund 1.000 offene Stellen, allein 930 davon zum kommenden Schuljahr
  • Kosten der Kampagne: zwei Millionen Euro jährlich
  • Bildungsgewerkschaft GEW fordert bessere Arbeitsbedingungen

"Du willst zurück zu den Wurzeln? Werde Mathelehrkraft!", "Wir bieten viel Grün. Auch hinter den Ohren" oder "Tu was für Pisa, komm nach Ziesar": Das Brandenburger Bildungsministerium wirbt von Dienstag an mit einer neuen Kampagne für mehr Lehrkräfte. Zwei Millionen Euro pro Jahr lässt sich das Ministerium die Kampagne unter dem Motto "Lehren.Leben.Brandenburg" kosten.

Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) betont, dass es nicht darum gehe, Lehrkräfte aus anderen Ländern abzuwerben: "Wir haben zu wenige Menschen, die Lehrerin und Lehrer sind oder werden wollen", so der Minister. Und: "Wir müssen zeigen, dass Brandenburg ein liebenswertes und lebenswertes Land und ein guter Arbeitgeber ist."

Kampagne wirbt auch um Ruheständler

Eine Berliner Werbeagentur, vom Bildungsministerium mit der Umsetzung der Kampagne beauftragt, setzt dabei auf "Botschaften mit einem Augenzwinkern".

Aber es gibt auch ganz ironiefrei-plakative Schlagzeilen: "Top Gehalt, niedrige Mieten, Job mit Sinn." Sprüche, die auf Plakaten im Radio oder in Zeitungsanzeigen, aber auch auf Facebook oder Instagram ihre Zielgruppe finden sollen: Ausgebildete Lehrkräfte, die nicht oder nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, aber auch Studierende, Referendarinnen oder potentielle Seiteneinsteiger.

Unis decken Bedarf an Lehrkräften nicht

Tatsächlich ist die Situation unverändert ernst: Gut 1.000 unbesetzte Lehrerstellen gibt es derzeit nach Angaben des Ministeriums, davon 930 fürs kommende Schuljahr. Die Unis können den Bedarf nicht decken: Zwar gibt es inzwischen 1.000 Lehramts-Studienplätze an der Uni Potsdam – künftig ergänzt durch 120 zusätzliche Plätze an der BTU Cottbus-Senftenberg.

Allerdings sind längst nicht alle Plätze besetzt und viele Lehramtsstudierende brechen ab: Nur rund 400 Absolventinnen und Absolventen gehen jedes Jahr neu in den Schuldienst - viel zu wenige, um die Ruheständler zu ersetzen. Die Werbekampagne soll nach Auskunft des Bildungsministers dazu beitragen, dass zumindest die in Brandenburg ausgebildeten Lehrkräfte auch im Land bleiben.

Bildungsminister Steffen Freiberg präsentiert die neue Kampagne für mehr Lehrkräfte in Brandenburg (Quelle: rbb/Christoph Hölscher)
Mit einer neuen Kampagne wirbt Minister Freiberg für mehr Lehrkräfte in Brandenburg | Bild: rbb/Christoph Hölscher

Maßnahmenpaket gegen Lehrkräftemangel

Auch über Stipendien für Studierende, die ihr Praxissemester oder Referendariat in Brandenburg machen, in dem Bundesland gehalten werden. Sie bekommen dann 600 Euro im Monat, die Zahl der "Landlehrer"-Stipendien wurde zum Sommersemester 2024 von 20 auf 25 aufgestockt. Ältere Lehrkräfte sollen mit Zulagen von bis zu 900 Euro im Monat dazu motiviert werden, über den Ruhestand hinaus im Schuldienst zu bleiben.

Außerdem will das Ministerium insgesamt bis zu 100.000 Euro im Jahr für "Headhunter" ausgeben, die fehlende Berufsschullehrer finden sollen. Und jetzt kommt noch die Werbekampagne für zwei Millionen Euro dazu – ist das gut angelegtes Geld?

Gewerkschaft fordert bessere Arbeitsbedingungen

Die Bildungsgewerkschaft GEW bezweifelt das. "Die Kampagne bringt ja nicht mehr Lehrkräfte an den Arbeitsmarkt", kritisiert der Brandenburger GEW-Vorsitzende Günther Fuchs. Es würde das Geld lieber in bessere Arbeitsbedingungen und eine Aufwertung des Lehrerberufs investieren: Etwa in kleinere Klassen, ein attraktiveres Studium oder in die bessere Qualifizierung der sogenannten "Seiteneinsteiger" – Lehrkräfte ohne entsprechenden Studienabschluss, die mittlerweile fast 20 Prozent in den Kollegien ausmachen.

Fuchs ist überzeugt, dass guter Unterricht am Ende überzeugender als jede Werbekampagne wäre: "Wenn die Schülerinnen und Schüler merken, wie schön dieser Beruf ist und dass man nicht permanent überlastet ist, dann hat man die beste Werbung."

Bildungsminister gegen "Überbietungswettbewerb"

Bildungsminister Freiberg betont, dass die Werbekampagne nur eine von vielen Maßnahmen sei, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung für Lehrkräfte in Brandenburg seien im Ländervergleich jetzt schon sehr gut. So winkt in der Mark - anders als in Berlin - die Verbeamtung, unter bestimmten Umständen auch für Seiteneinsteiger. Höhere Gehälter würden den Mangel nach Überzeugung des Ministers nicht beheben, sondern nur zu einem "Überbietungswettbewerb" der Bundesländer führen.

Stattdessen setzt er nun auf die Reize Brandenburgs und die Vorzüge des Lehrerberufs – etwa durch Plakate mit einem idyllischen Brandenburger See und dem Spruch: "Tolle Aussichten – auch beruflich". Freiberg hofft, dass die Kampagne schon kurzfristig hilft, den Bedarf an Lehrkräften für das kommende Schuljahr zu decken. Wie viele Menschen sich durch Plakate, Radiospots oder Instagram-Posts wirklich zum Wechsel ihres Berufs oder Wohnorts animieren lassen, wird sich letztlich aber wohl nicht messen lassen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.05.2024, 19:00 Uhr

Beitrag von Christoph Hölscher

12 Kommentare

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  1. 12.

    Also sooo groß kann der Mangel nicht, da ich schon von mehren Ingenieuren gehört, die sofort abgelehnt wurden, trotz Einser Diplom und Berufserfahrung. Mir flatterte auch direkt die Absage ins Haus, obwohl ich schon als Lehrkraft tätig war.

  2. 11.

    Das ist nur Gerede. Mein Sohn wartet ein halbes Jahr auf Antwort. Er wollte Lehramt studieren, hat sich dann auch für ein duales Studium beworben. Er bekam eine mündliche Zusage und seit dem nichts. Jetzt schlägt er ein anderen Weg ein.
    Wenn ein Lehrermangel bestehen würde, warum lässt man sich soviel Zeit.
    Fachkräftemangel? Warum werden dann Stellen abgebaut Bsp Siemens etc

  3. 10.

    Es entsteht wieder der Eindruck das selbst nichts gemacht wird. Dafür „lässt man machen“. In diesem Fall eine Werbekampagne für viel Geld. ich werbe darum, dass endlich selbst gearbeitet wird: Z.B. ein Digitalkonzept vorlegen, mit Administratorstellen, dass praxistauglich ist, einheitlichen digitalen Lehrmitteleinkauf und Verhandlungen mit den Verlagen. Eine „Digitalpakt“ ist nicht, den Schulleitern Konzepte abzufordern, was für Hardware die sich wünschen. Ohne die eigene Kreativität der Schulen und Lehrer dort (mit eigenen Geräten) würde es gar nichts geben. Die wollen aber unterrichten. Und wie verändern sich Lehrinhalte und Abverlangtes in Zeiten von KI?

  4. 9.

    Es gibt massiv Handlungsbedarf, es gibt seit längerem harsche Kritik am Lehrermangel, es.... muss Einiges verbessert werden. Zügig. Mancher wettert über Lehrer oder Erzieher. Die versuchen wiederum aus den jetzigen Gegebenheiten das Beste zu machen. Ich kenne keinen einzigen in diesen Berufen Tätigen, der das überheblich oder lax oder überbezahlt vernachlässigt. Die psychische Belastung noch gar nicht erwähnt. Quereinsteiger haben es oft nicht leicht. Verschiedene Gründe trotz großer Motivation. Respekt für ihren Mut. Sehr junge Lehrer/innen haben es ebenfalls nicht leicht.

  5. 8.

    Ich denke auch, die beste Aussicht nutzt nichts, wenn die Arbeitsbedingungen nicht hinhauen.
    Man verschleppt eine grundlegende Reform des Bildungssystems einfach. Ob das Studium wirklich auf den Beruf vorbereitet, wage ich nach wie vor zu bezweifeln.
    Solange die flankierenden Maßnahmen nicht publiziert werden und letztlich greifen, wird eine Kampagne wenig bringen.
    Schule lebt von einem guten Kollegium und Schulleitung. Schüler und Eltern sind immer da. Der Umgang miteinander ist wichtig.

  6. 7.

    Warum machen Sie sich die Mühe, auf derlei Unfug zu antworten? Und bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt bitte nicht dem Rechtfertigungs- und Erklärungsreflex erliegen!

  7. 6.

    P.S. Bei so wenig Verantwortung für so viel Geld müsste es im Bildungswesen an Bewerbern nur so wimmeln. Das ist aber nicht so. Wenn alles so leicht ist, dann folgen Sie doch dem Ruf des MBJS. Wenn ich meinen Beruf ernst nehme, und das setze ich natürlich voraus, ist das gute Geld auch ehrlich verdient. Die Frage, ob andere Berufe besser entlohnt werden sollten, weil sie eben auch viel Verantwortung beinhalten, steht auf einem anderen Blatt.

  8. 5.

    Sie möchten doch sicher, dass Ihre Arbeit auch respektiert wird. Und ebenso die anderer Berufsgruppen. Diesen Respekt haben wir unseren Kindern auch anerzogen. Insofern finde ich es anmaßend, dass Sie einer ganzen Berufsgruppe gegenüber so abwertend auftreten. Da ist nichts mit Halbtagesjob, es ist nur so, dass die freie Zeiteinteilung in Arbeitszimmer Zuhause von niemandem gesehen wird. Und wenn ich als Lehrer meiner Verantwortung nicht gerecht würde, bekäme ich es mit den Eltern zu tun.

  9. 4.

    Lehrer sind in Deutschland extrem gut bezahlte Halbtagskräfte. So viel Geld für so wenig Arbeit wird in keinem anderen pädagogischen Bereich gezahlt - und das bei eigentlich keiner Verantwortung. Ein Sozialarbeiter im Jugendamt, der eine Kindeswohlgefährdung falsch einschätzt ist schnell im Knast und seinen Job für ewig lost. Pädagogen in Jugendhilfeeinrichtungen haben oft Schicht - und Wochenenddienst bei max. 30 Urlaubstagen im Jahr.
    Die GEW hat über Jahrzehnte dafür gesorgt, dass der Berufsstand der Lehrkräfte enorm "gepämpert" wird - und das bei oft mangelhafter Leistung (Pisa) und Methoden aus dem lezten Jahrhundert: Siehe mangelnde Kompetenzen im Bereich des Digitalen Lernens was in der Coronazeit zu enormen Schäden führte. Hier haben Lehrkräfte z.T. über Monate keinen Unterricht vollzogen - alles ohne jede Konsequenz. Und der Beamtenstatus führt dazu, dass Leute in den Beruf gehen, die dafür komplett ungeeignet sind. Hier sind grundlegende Veränderungen dringend erforderlich

  10. 3.

    Warum nur will das Bildungsministerium nicht die effektiveren Arbeitsbedingungen verbessern? Wer berät die denn da? Wirkt das nicht auch borniert, wenn das Einfache nicht gesehen wird? (Klassenfahrtbeantragungsaufwendungen zeigen deutlich was man im Ministerium von Lehrerberuf hält).
    Und wenn seit über 34 Jahren die Chancenungleichheit durch die Chancengleichheit ersetzt wird, dann braucht man sich nicht wundern. (Pensionsansprüche, GehaltsEINSTUFUNGEN, Mehrarbeit an Stunden und Nichtbezahltes wie Klassenlehrer, Fachbereichsvorsitzende u.Ä.)
    Und..., es wird das Potential eines schnellen Abschlusses nicht gehoben. Viel zu viele Monate werden „vertrödelt“ und damit dann auch (gewollt?) schlecht bezahlt.
    Und..., dann ist da noch das „wie über Lehrer gesprochen wird“... von Sachbearbeitern?

  11. 2.

    Ich hatte es schon immer vermutet: Die Lehrer beantragen deshalb mit 63 den Ruhestand, weil ihnen das Gehalt zu gering ist. Also nicht etwa wegen der hohen Belastung, die mit zunehmendem Alter immer spürbarer wird.
    Aber Ironie beiseite: Wäre es nicht hilfreicher über großzügigere Altersermäßigungen ältere Kollegen im Schuldienst zu behalten anstelle von Sonderzulagen?

  12. 1.

    Ich wollte Lehrerin werden, hier in Brandenburg in meinem Heimatort. Ich habe es bis zum Ref geschafft und es war eine Katastrophe. Die Belegschaft alt, was an sich nicht schlimm sein sollte, aber wenn Angelika seit 50 Jahren das Lehrerzimmer fest in der Hand hat, gibt es keine Chance für neue Ideen oder Veränderungen. Dazu kommen verrohte SuS mit Eltern, die ich keinem Kind wünsche. Entweder sind ihnen die Kids und das, was sie in der Schule treiben, egal. Oder man bekommt sofort E-Mails mit Drohungen, wenn das Kind nicht die gewünschte Note bekommen hat. Dazwischen gab es immer Mal wieder schöne Momente mit den Kindern und Kollegen - aber alles in allem könnte kein Geld, kein Bonus und keine 3€/m²-Miete der Welt mich in diesen Job bringen.

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