Bau ohne Ausschreibung - Asylzentrum am BER in Kritik - Bund plant eigenes Gebäude

Di 09.07.24 | 17:38 Uhr
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Archivbild: Ein Banner mit der Aufschrift "Asylrecht - Verschärfung stoppen!" hängt am 01.06.2024 am Protestcamp der Initiative "Abschiebezentrum BER verhindern". (Quelle: dpa-Bildfunk/Paul Zinken)
Video: rbb24 | 09.07.2024 | Dilek Üşük | Bild: dpa-Bildfunk/Paul Zinken

Bund und Brandenburg wollen bis 2026 ein neues Ausreisezentrum für Asylbewerber am Flughafen BER. Weil die Brandenburger Regierung das ganz ohne öffentliche Ausschreibung bauen möchte, gibt es Kritik. Der Bund sieht sich schon woanders um.

  • Privater Investor soll Abschiebezentrum am BER bauen
  • Streit wegen fehlendem öffentlichen Vergabeverfahren
  • Abschiebegebäude des Bundes soll an anderer Stelle entstehen

Die Pläne für den Bau eines Ein- und Ausreisezentrums für Flüchtlinge am Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld (Dahme-Spreewald) lösen neue Kritik aus. Streit gibt es nun wegen des fehlenden öffentlichen Vergabeverfahrens. Die Internet- und Rechercheplattform "Frag den Staat" hatte das öffentlich gemacht, der "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt] berichtete darüber.

Bund und Land wollen die künftige Einrichtung gemeinsam nutzen, um unter anderem Abschiebungen zu beschleunigen.

Ein privater Investor soll das seit langem umstrittene Ein- und Ausreisezentrum in Schönefeld errichten, das Land will es dann mieten. Der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte die fehlende Ausschreibung stets damit begründet, dass der Investor Besitzer der benötigten Grundstücke sei und alternative Flächen fehlten. Die Grundstücke für das Behördenzentrum befänden sich im Eigentum der Firma des Investors - beziehungsweise es bestehe für sie eine Erwerbsoption, sagte der Ministeriumssprecher Martin Burmeister.

Symbolbild: Das Hauptgebäude, Terminal 1, am Flughafen BER aufgenommen am 10.06.2024 in Brandenburg. (Quelle: Picture Alliance/Schoening)
Auf dem Gelände des BER soll das Ein- und Ausreisezentrum in jedem Fall entstehen - auch wenn Brandenburg und der Bund nicht ganz gemeinsame Sache machen. | Bild: Picture Alliance/Schoening

Bund baut eigenes Abschiebegebäude woanders

Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage mit, der Bund wolle in dem geplanten Zentrum am BER Büroflächen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die Bundespolizei anmieten. Geplante Räume für den Rückführungsbereich, in dem die Bundespolizei also sozusagen Abschiebungen abwickelt, würden dort aber nicht untergebracht. "Der operative Teil des Rückführungsbereiches der Bundespolizeidirektion Berlin wird aus polizeifachlichen und einsatztaktischen Erwägungen auf einer Fläche unmittelbar im Sicherheitsbereich des Flughafens Berlin/Brandenburg (BER) verortet", erklärte das Bundesinnenministerium.

Die Entscheidung Brandenburgs zur Deckung des eigenen Bedarfs auf Teilflächen im geplanten Ein- und Ausreisezentrum falle nicht in die Zuständigkeit des Bundes, hieß es auf Anfrage. "Dem BMI liegen keine Informationen vor, welche die vom Land Brandenburg getroffene Entscheidung infrage stellen." Das Bundesinnenministerium betonte aber: "Soweit keine Ausnahme-Tatbestände vorliegen, sind öffentliche Vergaben grundsätzlich auszuschreiben."

Brandenburger Regierung hält öffentliche Ausschreibung für unnötig

Die Internet- und Rechercheplattform "Frag den Staat" und der "Tagesspiegel" berichteten, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Bedenken geäußert habe, weil es kein öffentlich ausgeschriebenes Vergabeverfahren zu dem Millionen-Bauprojekt gab. Auf die Frage, ob eine Ausschreibung notwendig sei, antwortete das Ministerium in Berlin der Deutschen Presse-Agentur: Bei der Suche "nach der bestmöglichen Variante zur Unterbringung" von Bundespolizei und BAMF habe die Immobilien-Bundesanstalt unterschiedliche Unterbringungsoptionen auf verschiedenen Flächen am BER auch vergaberechtlich bewertet.

Im Brandenburger Landeshaushalt sind laut Innenministerium langfristig 315 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigungen für Mieten und Pacht für den gesamten Mietzeitraum von 25 Jahren für das Ein- und Ausreisezentrum vorgesehen. Ob diese Ermächtigungen für die Verpflichtung zu Ausgaben in voller Höhe ausgeschöpft werden, ist bisher unklar. Nach bisherigen Ministeriumsangaben soll das Asylzentrum ab 2026 in Betrieb gehen.

Grüne fordern Stopp des Projektes

Die Brandenburger Grünen fordern einen Stopp des Projektes und beklagen "fragwürdige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen". Die Linksfraktion hält eine Prüfung des Landesrechnungshofes für nötig. Ein Sprecher der Behörde sagte der dpa: "Der Rechnungshof beschäftigt sich damit, wie wir mit der Angelegenheit umgehen." Es sei aber noch nicht klar, ob der Fall geprüft werde. Die Fragen seien sehr komplex.

Im vergangenen Jahr hieß es, dass Räume für die Justiz, ein Ausreisegewahrsam und ein Unterkunfts- und Transitgebäude für Menschen eingerichtet werden sollen, deren Einreise verweigert wurde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll auch Nutzer sein. Innenminister Stübgen hatte sich bereits 2021 mit dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf ein von Bund und Land gemeinsam genutztes Einreise- und Ausreisezentrum geeinigt.

Vergaberechtliche Ungereimtheiten?

Die Internetplattform "Frag den Staat" erhielt nach eigenen Angaben über das Informationsfreiheitsgesetz Tausende Seiten E-Mails, Protokolle und Gutachten aus dem Bundesinnenministerium und berichtete von vergaberechtlichen Ungereimtheiten. Nach erweiterten Planungen bis 2022 und einer Vergrößerung der Fläche befänden sich nicht alle vorgesehenen Grundstücksflächen im Besitz des einen Investors, hieß es. Das Fehlen einer öffentlichen Ausschreibung hätte somit überprüft werden müssen, meinte Julian Brummer von der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International im Bericht von "Frag den Staat" [fragdenstaat.de].

Das Innenministerium in Potsdam teilte auf Anfrage mit: "Nach unseren Informationen wurde die Abkehr der Bundespolizei von dem Rückführungsgebäude mit den erforderlichen Standortvoraussetzungen begründet." Auch an der Argumentation für die fehlende Ausschreibung ändert sich laut Ministerium nichts: "Die Grundstücke für das Behördenzentrum befinden sich im Eigentum der Fa. Harder bzw. es besteht für sie eine Erwerbsoption."

Sendung: rbb24, 09.07.2024, 16:00 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Leider informiert uns der rbb nicht wer der Inhaber der Fa. Harder ist. Gegen Harder wurde 2013 wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Bestechung im geschäftlichen Verkehr und Beihilfe zur Untreue ein Haftbefehl erlassen. Auch damals ging es um Gelände an einem Flughafen.

    https://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article118188894/Verzweigt-vernetzt-verzettelt.html

    Was sagt denn das Innenministerium in Potsdam dazu?

  2. 17.

    Berlin übernimmt für nen symbolischen Euro Ruanda der Briten ! Das wirkt !

    Abflug oder gemeinnützige Arbeit... dann halbieren sich auch die Zahlen ! (ja, das sind alles Menschen)

    ich sehe hier nirgendwo die Forderung, die Sozialisierung der auf die Bürger losgelassenen Neubürger als Primat auszurufen !

  3. 16.

    Grenzkontrollen sind doch nur Augenwischerei. Die können ohnehin nur einen kleinen Teil der unberechtigt Einreisenden abfangen und im besten Fall fahren die Bundespolizisten die Antragsteller direkt ins nächste Aufnahmezentrum, statt sie zurückzuweisen. Das eigentliche Problem liegt in der Verwaltung bzw. deren Vorschriften, dass auch über sichere Drittländer eingereiste Menschen dort Asyl beantragen können und nicht direkt abgewiesen werden. Solange das so ist, werden Asylsuchende immer jeden Weg probieren, um deutschen Boden zu erreichen. Das ist menschlich nachvollziehbar, weil diese Menschen hier die besten Chancen für sich sehen, aber es widerspricht nun mal Artikel 16 unseres Grundgesetzes und damit dem ursprünglichen Sinn des Asyls. Das Asylgesetz erlaubt dieses aber explizit, was dann auch nicht dem Grundgesetz widerspricht, weil es keine Rechte einschränkt sondern zusätzliche einräumt.

  4. 15.

    Das geplante Ein- und Ausreisezentrum am BER ist alternativlos. Hoffentlich kommt es sehr bald.

  5. 14.

    Ein FDP-"Sondervermögen" mehr oder weniger, hier halt mal in Form von Souveränität und Kontrollen zum Schutze des Volkes, steht auch im GG.

  6. 12.

    Das macht Sie sehr skeptisch – und versetzt mich ins Lebensgefühl der letzten DDR-Jahre. Hier ist so viel im Argen und unterm Teppich. Auffallend auch, wie der allerkleinste Gerade-noch-so-Koalitionspartner überall federführend ist.

  7. 11.

    Rechtswidrig ist die Gewährung von Asyl, wenn Menschen bereits in Polen, Tschechien, Österreich, Frankreich usw. Sicherheit gefunden haben.
    Grenzkontrollen sind nicht rechtswidrig.
    Daher finden diese ja aktuell auch schon statt.
    Aber wenn wir jeden reinlassen, leiten unsere Nachbarländer diese Menschen mindestens passiv wenn nicht manchmal sogar aktiv weiter zu uns.
    Dies kann nicht so weiterlaufen.
    Und trifft auch nur noch bei einer Minderheit der Bürger auf Verständnis.

  8. 10.

    Dauerhaft? Nö, aber wie es immer heißt, aus gegebenem Anlass. Nämlich hohe illegale Einwanderung. Solange diese besteht, dürften Grenzkontrollen verhältnismäßig und notwendig sein. Das ist wie bei anderen Straftaten. Da wird dann auch eine erhöhte Gegenwehr des Staates erforderlich.

  9. 9.

    Was ist denn noch so alles rechtswidrig ? Da kommt doch eine ganze Menge zusammen. Das alles nennt sich dann Rechtsstaat, der so großen Wert auf die Einhaltung seiner Gesetze legt, aber leider nur theoretisch. Auch die Verfassung wurde schon mehrmals massiv und knackig gebrochen. Auch hier keine Reaktion ! Kein Aufschrei, keine Massen-Hysterie, keine Demos, keine Konzerte, also nichts von der schweigenden Gesellschaft und ihren Werten. Noch nicht mal ein bisschen Wut oder Zorn !

  10. 8.

    Schengenraum hin oder her, seit den EM Kontrollen sind über 600 Haftbefehle erteilt worden oder die Täter damit gefunden. Es sind ja nicht stationäre, aber es werden nur bestimmte Autos rausgesucht und so finde ich das Konzept in Ordnung und muss bleiben bis die EU Außengrenzen funktionieren. Bei denen die dort Sitzblockaden machen, wie verdienen die eigentlich Geld, das sind keine Steuerzahler oder? Was Grüne in BRB noch wollen, da sage ich erstmal die Wahlen abwarten, es geht gerade die Wirtschaft den Bach runter.

  11. 7.

    Schon einmal was vom Schengen Raum gehört? Dauehrhafte Grenzkontrollen sind nicht vorgesehen, sogar rechtswidrig.

  12. 6.

    Auf der Fläche könnte man besser Solarzellen bauen

  13. 5.

    "Die Brandenburger Grünen fordern..."
    Ja mein Gott, diese Einrichtung wird gebraucht.
    Es muß endlich Realitätssinn einkehren. Mit Projektionen auf Einwanderer kommen wii in eine gesellschaftliche Sackgasse.

  14. 4.

    Danke für diesen Artikel. Ich habe mir daraufhin den Link zu 'Frag den Staat' durchgelesen und der macht mich nicht gerade weniger skeptisch.

  15. 3.

    Wie wäre es mal mit festen Grenzkontrollen?
    Wer bereits in Polen, Tschechien, Österreich und Frankreich ist, hat hier kein Anrecht auf Asyl.

  16. 2.

    Nachdem ich sehr skeptisch war, als ich mir diesen Artikel durchlesen habe, habe ich mir gleich noch den Bericht von 'Frag den Staat' durchgelesen. Dort tauchen dann so viele Fragezeichen für mich auf, dass ich mich frage, wie so eine Vergabe funktionieren kann u.a.:
    "- Das brandenburgische Innenministerium hat das Abschiebezentrum am damaligen Linken Finanzminister vorbei geplant. Er bezeichnet das Projekt als „finanzpolitisch verheerend“.
    - Kurz nachdem erste Planungen für das Abschiebezentrum begonnen hatten, kaufte ein Unternehmer Grundstücke, auf denen das Projekt später entstehen sollte – und sicherte sich so den lukrativen Großauftrag.
    - Der Unternehmer, der das Abschiebezentrum bauen soll, ist nicht nur wegen Schmiergeldzahlungen vorbestraft, er hat den Auftrag auch ohne öffentliches Vergabeverfahren erteilt bekommen.
    - Das Bundesinnenministerium unterstützt das Projekt weiterhin, obwohl es von den vergaberechtlichen Ungereimtheiten weiß."

    Das macht mich sehr skeptisch.

  17. 1.

    Mein Gott, der alte Flughafen Schönefeld ist doch groß genug...

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