Migrationspolitik - "Sicherheit ist für unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie wichtig"

Di 22.10.24 | 11:17 Uhr | Von Olaf Sundermeyer und René Althammer
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Unerlaubt eingereiste Migranten werden von einem Beamten der Bundespolizei nahe der deutsch-polnischen Grenze in Forst (Lausitz) bewacht. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
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Berlins Polizeipräsidentin Slowik fordert einen neuen Umgang mit zugewanderten Gewalttätern. Der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs kritisiert Aktivistennetzwerke, die gezielt vor Abschiebeflügen warnen. Von Olaf Sundermeyer und René Althammer, rbb24 Recherche

  • Slowik fordert geschlossene Unterbringungsmöglichkeiten für zugewanderte jugendliche Intensivtäter
  • 207 Personen wurden in diesem Jahr aus Brandenburg abgeschoben, 526 Ausreisepflichtige haben das Land freiwillig verlassen

Seit Jahren ist die Gegend rund um den Fernsehturm ein beliebter Treffpunkt junger Männer, die in den vergangenen Jahren als Zuwanderer nach Berlin kamen. Der Platz gilt unter Zugewanderten als einer der Treffpunkte in der Stadt. Für die Polizei hingegen gilt er seit Jahren als kriminalitätsbelasteter Ort. Die Antwort darauf war die Einrichtung der Alex-Wache im Dezember 2017. Die Präsenz der Polizei soll das zu Teilen verloren gegangene Sicherheitsgefühl der Berlinerinnen und Berliner wieder herstellen und Straftaten verhindern.

Für Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik geht es dabei nicht nur um Kriminalitätsbekämpfung, sondern um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der Gewaltkriminalität, die von Zugewanderten ausgeht, zu begegnen. Die Menschen in Deutschland müssen sich sicher fühlen. "Das ist für unseren Rechtsstaat und damit für unsere Demokratie wichtig", sagt die Polizeipräsidentin im rbb-Interview. Dazu gehöre auch, dass die Zugewanderten von Anfang an auf ihrem Weg "in ein demokratisches Wertesystem, in Kindertagesstätten, in Schulen und in Jugendeinrichtungen" begleitet werden.

Mit Blick auf die Gewaltkriminalität und so genannte Messerstraftaten bereiten Slowik vor allem die psychisch auffälligen Menschen unter den Zugewanderten Sorgen. Für sie gäbe es nach ihrer Einschätzung keine ausreichende Betreuung in der Hauptstadt.

Wilke: Unsicherheitgefühl gewachsen

Was für die Berliner der Alexanderplatz, das ist für René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), der Pablo-Neruda-Block im Stadtzentrum. Dort wurde Anfang September ein 15-jähriger Syrer festgenommen, der verdächtigt wird, an den Planungen zum vereitelten Anschlag auf ein Taylor-Swift Konzert in Wien im Sommer dieses Jahres beteiligt gewesen zu sein.

Wilke weiß, Einheimische wie Migranten fühlen sich unsicher in der Nähe der Gruppen junger Männer, die sich dann und wann auch gegenseitig bekämpfen. Das Unsicherheitsgefühl sei gewachsen. Im Sommer hat er sich hilfesuchend in einem offenen Brief an die Polizei gewendet, die Sicherheit in der Stadt sei nicht mehr gewährleistet. Jetzt soll es mehr Streifen geben. Ein Anfang.

Anspruch auf Schutz nicht für alle

Wilke ist kein Scharfmacher, als Merkel "Wir schaffen das" sagte, war er noch nicht im Amt. Sein Fazit: Zu viele Zuwanderer seien zu schnell nach Deutschland gekommen und hätten die deutsche Gesellschaft an die Grenze der Aufnahmefähigkeit gebracht.

"Es war falsch", sagt Wilke im Interview mit dem rbb, "davon auszugehen, dass jemand in ein anderes Land kommt und sich nach ein paar Wochen so weit angepasst hat, dass er sagt, ich mache das jetzt alles so, wie die das hier machen". Die Zuwanderung sei "unkontrolliert" erfolgt, war "zu wenig bearbeitbar", so dass der Eindruck von Kontrollverlust entstanden sei.

Seit dem Kanzlerinnen-Satz "Wir schaffen das" wurden knapp 2,62 Millionen Asylanträge in Deutschland gestellt. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind zusätzlich 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ins Land gekommen. Sie alle müssen verpflegt werden, brauchen ein Bett und Schulplätze für die Kinder. Syrer, Türken, Afghanen, Kongolesen - die Menschen kommen aus unterschiedlichen Kulturen und verändern das Zusammenleben in Deutschland. Und nicht alle haben Anspruch auf Schutz.

Abzuschiebende werden von Aktivisten gewarnt

Im Sommer zählte die Zentrale Ausländerbehörde in Brandenburg gut 4.500 ausreisepflichtige Personen. Bis Mitte Oktober haben 779 das Land verlassen, die meisten gingen freiwillig, 207 Menschen wurden abgeschoben.

Olaf Jansen leitet die Zentrale Ausländerbehörde. Seine Mitarbeiter:innen sind es, die Menschen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, abschieben – wenn sie nicht freiwillig gehen. Doch immer wieder scheitern Abschiebungen an bürokratischen Hürden. Viele reizen den Rechtsweg bis zum Ende aus. "Es ist ein Riesenproblem, dass Abschiebungen extremst erschwert werden und davon profitieren die falschen Menschen", sagt Jansen im Interview mit dem rbb. Auch wenn die Verfahren inzwischen beschleunigt wurden, dauere es immer noch rund zwei Jahre, bis jemand mit seinem Asylantrag rechtskräftig abgelehnt werde. In dieser Zeit würden aber oft die Pässe ablaufen, erklärt Jansen weiter. Ohne gültigen Pass kann aber nicht abgeschoben werden. Also sei man auf die Kooperation der Heimatländer angewiesen, die genau dies verweigern. Dazu gehört auch Russland, was die Abschiebung von zahlreichen Tschetschenen äußerst schwierig macht.

Hinzu käme, so Jansen, dass abzuschiebende Personen inzwischen von einem professionellen Aktivistennetzwerk systematisch gewarnt würden. Die Aktivisten würden gezielt nach Charterfügen für Abschiebungen suchen und die Betroffenen warnen, die dann untertauchen.

Sendung: rbb24 Reportage – Grenzen der Zuwanderung, 22.10.2024, 20:15 Uhr

Beitrag von Olaf Sundermeyer und René Althammer

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6 Kommentare

  1. 6.

    Vielleicht verrät uns der Senat auch mal präventiv wann Berlin mal STOP sagt bei der Aufnahme von Migranten? Zahlen gibt es nicht. Wenn Berlin 6 Mio Einwohner hat?
    Wohnraum/Schule/Kita/Jobs usw wachsen nicht wirklich nach für uns.

  2. 5.

    Da kann ich nur den Kopfschütteln wie unser Staat sich die eigene schlinge um den Hals dreht. Handlungsfähig...... beschämend nur noch beschämend.

  3. 4.

    Für Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik geht es dabei nicht nur um Kriminalitätsbekämpfung, sondern um den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
    Der Beginn eines Absatzes.
    Sehr geehrte Frau Slowik,
    so sehr ich Ihnen zustimmen, dass das ein Punkt ist, einer von vielen. Zu den anderen Punkten gehören die finanziellen Belastungen, und das Bewusste umgehen von Steuern und Abgaben, durch wenige, mit einer erheblichen Schadenshöhe. Dazu gehören auch die Akteure in Berlin, an der Spree, die laut rufen, aber die Komplexität der Volkswirtschaftslehre nicht im Ansatz verstehen. "Einfach mal machen", sind dann so Slogan mit wieviel Inhalt. Die anderen Inhalts - leeren Worte, möchte ich bewußt nicht wiederholen
    Nun sehr geehrte Frau Slowik,
    es richtig dass Sie sich im Amt äußern und positionieren. Einer von vielen Schritten.

  4. 3.

    Wer Hilfe braucht, soll sie bekommen. Wer jedoch das geltende Recht in diesem Lande mit Füssen tritt, sollte auch ohne Ansehen der persönlichen Folgen schnellstmöglich wieder in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Es ist mit Sicherheit nicht die Mehrzahl der Hilfesuchenden, die hier "unangenehm auffallen". Es sind wenige, dafür fallen diese aber umso heftiger auf und schaden somit auch ihren vernünftigen Landsleuten. Schwund gibt es immer ist vll. für manchen etwas zu hart ausgedrückt, aber schnellstmöglich die Spreu vom Weizen trennen würde schon viel Druck aus dem Kessel lassen. Für das halbwegs normale Zusammenleben sind die einfachsten Regeln auch ohne tiefschürfende Integrationspolitk einhaltbar, Meins/Deins, nicht besch..ummeln, zum Boxen reicht ein Sandsack, Drogenverkauf ist keine Erwerbstätigkeit, Frauen sind in dieser Gesellschaft nicht Menschen zweiter Klasse ... nur als Beispiel. Auch wäre das "Brot, Bett, Seife Programm" bis zur Klärung des Verfahrens völlig ausreichend

  5. 2.

    Es wird alles immer schlimmer.

  6. 1.

    Jetzt beginnt schon solangsam der Wahlkampf. Man will offensichtlich von der AfD stimmen haben. Und nach der Wahl wird dann wieder alles wie immer.

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