Post vom Finanzamt - Neue Grundsteuer bringt viele Berliner Eigentümer in Nöte

Do 07.11.24 | 16:28 Uhr | Von Jan Menzel und Leonie Schwarzer
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Häuserfassade in Berlin (Quelle: dpa/Schoening)
dpa/Schoening
Audio: rbb24 Inforadio | 06.11.2024 | Jan Menzel | Bild: dpa/Schoening

Viele Eigentümer in Berlin haben in den letzten Tagen Post vom Finanzamt bekommen. Während für einige teils hunderte Euro mehr Grundsteuer anstehen, kommen andere deutlich günstiger weg. Eigentümerverbände kündigen Widerstand an. Von Jan Menzel und Leonie Schwarzer

Das weiße Haus von Wolfgang Hebenstreit und seiner Frau Beate ist umgeben von einem Wildgarten mit Lavendel, Sonnenblumen und Rosen, die jetzt im Herbst noch blühen. Vor 20 Jahren haben sich die Hebenstreits im Mahlsdorfer Siedlungsgebiet ihr kleines Paradies gebaut. Kein Luxus, ein schönes, aber schlichtes Einfamilienhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche. Doch dafür muss das Ehepaar künftig sehr viel tiefer in die Tasche greifen.

Waren bisher 227 Euro Grundsteuer pro Jahr für das Haus in zweiter Reihe fällig, müssen ab Januar 782 Euro ans Finanzamt überwiesen werden. So steht es im Bescheid des Finanzamtes Marzahn-Hellersdorf, den Wolfgang Hebenstreit in den Händen hält. "Für einen Schwerverdiener ist das kein großer Betrag, aber für Rentner ist das ein wesentlicher Betrag", sagt er.

Was Hebenstreit absolut nicht nachvollziehen könne, ist die Berechnungsgrundlage, die der Steuererhöhung zugrunde liegt. Der Wert ihres gepachteten 564 Quadratmeter großen Grundstückes ist demnach regelrecht explodiert. "Die Grundstücke haben alle unterschiedliche Werte", gibt er zu bedenken. "Aber das ist hier alles pauschal festgesetzt worden. Ich weiß nicht, wie man auf über eine halbe Million für dieses Grundstück kommt."

"Warum haben wir 30 Jahre zu viel gezahlt?"

Tatsächlich wird die Grundsteuer in Berlin aus einer ganzen Reihe von Daten ermittelt. Dazu gehören beispielsweise der Bodenrichtwert, Grundstücksfläche, Wohnfläche, aber auch das Mietniveau. Ein wesentlicher Faktor in der Berechnung ist zudem der Hebesatz, den die Kommune festsetzt. Der Senat hat diese Größe im Zuge der Reform von 810 auf 470 Prozent fast halbiert.

Für die Hebenstreits in Mahlsdorf heißt es im Ergebnis, dass sie dennoch drei Mal mehr als bisher zahlen sollen. Bei anderen Eigentümern wie Markus Oegel gibt es dagegen genau den umgekehrten Effekt. Oegel, der auch CDU-Bezirkspolitiker in Neukölln ist, und seine Frau wohnen in einer rot-verklinkerten Doppelhaushälfte im Ortsteil Rudow. Und beide freuen sich, dass nun nur noch 306 statt 720 Euro auf ihrem Steuerbescheid stehen.

"Aus Sicht des Laien finde ich es durchaus fairer, weil es eben auf das gesamte Berliner Gebiet verteilt wird. Jetzt kann ich mir eher die Frage stellen: Warum haben wir 30 Jahre zu viel gezahlt? Aber das wollen wir jetzt nicht." Worauf Oegel anspielt, ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018.

Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass der Staat, dass das Land Berlin sich mit dieser Reform nicht bereichern wird.

Stefan Evers (CDU), Finanzsenator von Berlin

Berechnungsgrundlage aus dem Jahr 1935

Darin hatten die Richter die bisherige Ermittlung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie auf Basis völlig unterschiedlicher und veralteter Zahlen zum Wert der Grundstücke kalkuliert wurde. So wurden für Häuser im Westen Deutschlands und damit auch im Westteil Berlins die sogenannten Einheitswerte aus dem Jahr 1964 herangezogen. Im Osten waren es dagegen Zahlen von 1935. Das Bundesverfassungsgericht sah darin eine klare Ungleichbehandlung.

Unstrittig ist seit dem Urteil, dass die Grundsteuer reformiert werden muss. Und bei dieser Ausgangslage war auch klar, dass eine Neujustierung unterschiedliche Auswirkungen haben würde. Zumal Finanzsenator Stefan Evers (CDU), der das Thema von seinen Amtsvorgängern praktisch geerbt hat, von Anfang an betonte, dass er am Ziel der Aufkommensneutralität festhalten wolle.

"Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass der Staat, dass das Land Berlin sich mit dieser Reform nicht bereichern wird", bekräftigt der CDU-Politiker, nachdem der Eigentümerverband "Haus und Grund" die versprochene Aufkommensneutralität öffentlich in Zweifel gezogen hat.

Im Schnitt stellen wir eine Steigerung um 73 Prozent bei der Grundsteuererhebung fest.

Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes "Haus und Grund"

900.000 Bescheide bereits verschickt

Der Verband veröffentlichte Zahlen, die er zuvor in allen Berliner Bezirken erhoben hatte. Darin wurde die bisherige Höhe der Grundsteuer mit den neuen ab 1. Januar fälligen Beträgen verglichen. "Wir können nur sagen, im Schnitt stellen wir eine Steigerung um 73 Prozent bei der Grundsteuererhebung fest. Das ist nicht aufkommensneutral", kritisiert der Präsident von "Haus und Grund", Kai Warnecke.

Allerdings hat sein Verband in einer Stichprobe auch nur 200 seiner Mitglieder befragt. Bei rund 900.000 Bescheiden, die schon von den Finanzämtern verschickt wurden oder noch verschickt werden, dürfte die Aussagekraft damit begrenzt sein. Gleichwohl sieht Warnecke das zentrale Problem darin, dass Berlin eine Regelung anwendet, die den Wert der Grundstücke einberechnet. Niedersachen, Hessen und Bayern hätten dagegen einen anderen, besseren Weg gewählt.

"Diese Bundesländer fokussieren sich auf die Grundstücksgröße und/oder die Größe der jeweiligen Wohnung, so dass man knapp sagen kann: Wer in einem großen Haus wohnt, bezahlt mehr als derjenige, der in einer kleinen Wohnung wohnt", sagt Warnecke und kündigt an, dass "Haus und Grund" die "ungerechte" Reform in Berlin vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen werde.

Widersprüche und Härtefälle

Auch die Hebenstreits in Mahlsdorf wollen sich nicht so einfach mit der Verdreifachung der Grundsteuer für ihr Haus im Grünen abfinden und Widerspruch einlegen. Was die Ehepartner besonders bedrückt, ist dabei der Blick in die Zukunft. "Wenn ich zum Beispiel früher mein Seemannsgrab in Anspruch nehme und meine Frau allein ist, kann sie es nicht mehr halten", sagt Wolfgang Hebenstreit. "Ich habe nur eine Mini-Rente", ergänzt seine Frau Beate.

Fürs Erste aber müssen sie wie alle anderen Eigentümer die Grundsteuer, so wie sie im Steuerbescheid steht, überweisen. Lediglich für Härtefälle stellt der Finanzsenator individuelle Regelungen wie die Stundung von Zahlungen in Aussicht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.11.2024, 13:50 Uhr

Beitrag von Jan Menzel und Leonie Schwarzer

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38 Kommentare

  1. 38.

    Sorry, meine Mieter zahlen ca 5€ im Monat mehr. Das erschreckt sie garantiert nicht. Ehr die Heizkosten!!! In 2022 Nachzahlung für eine Mieterin in Höhe von 2000€ ;)

  2. 37.

    Ein paar hundert Euro im Jahr ist eine schleichende Enteignung? Nein ist ist überhaupt nicht!! Das deutsche Mietrecht ist eine schleichende Enteignung für Vermieter von Eigentumswohnungen!!

  3. 35.

    Naja... bei mir in Pankow von 363 Euro auf 851 Euro... Widerspruch ist schon eingelegt.

  4. 34.

    Nee, da liegen Sie nun aber mal völlig daneben. Arbeit ist in Deutschland sowieso schon viel zu stark belastet und Vermögen sind es viel zu wenig. Die Grundsteuer jetzt auch noch auf die Einkommensteuer und dazu noch speziell die Lohnsteuer umzulegen, ginge in die genau falsche Richtung.
    Über Härtefallregelungen bei der Grundsteuer und höhere Progressivität am oberen Ende der Einkommensteuer kann man losgelöst davon natürlich reden.

  5. 33.

    In Pankow (Karow) hat sich der Wert ver 4-facht! Es werden Bodenrichtwerte angenommen die keiner bezahlen würde und für die Eigennutzung Mieten angesetzt, die man aber nicht bekommt. Selbst für die Garage auf dem hinteren Ende des eigenen Grundstücks.
    Ach und an alle Mieter die hier ne große Klappe haben, die hohe Grundsteuer zahlt am Ende auch ihr, weil diese voll auf die Nebenkosten umgelegt wird. Wer profitiert also am Ende? Der Staat und die großen Wohnungsbaugesellschaften, nicht die Eigenheimbesitzer die mit normalem Einkommen oder geringer Rente auch noch hohe Grundsteuern bezahlen müssen.

  6. 32.

    Was macht gängigerweise den Wert eines Grundstücks aus? Lage, Lage, Lage. Eine Immobilie in Berlin ist halt etwas anderes als eine in Sachsen-Anhalt, zumal jedes Land die Bewertungsmethode, die Meßzahlen und dann jede Kommune über den Hebesatz unterschiedliche Faktoren selbst festlegen kann. Nach meiner Erinnerung wollte man aber auch in Sachsen-Anhalt wie in Berlin Aufkommensneutralität erreichen, also in Summe nicht mehr einnehmen als nach der alten Regelung.

  7. 31.

    Im Vergleich zu anderen Kosten ist die Grundsteuer doch günstig. Bei mir in Pankow ist sie nur um wenige Euro teurer geworden, völlig ok. Je mehr Fläche jemand von dem « Gemeinschaftseigentum Erde » für sich allein nutzen darf, desto mehr muss er halt zahlen. Finde ich gerecht. Wenn Rentner zuviel Fläche haben und ihnen die Grundsteuer deshalb zu hoch ist, dann sollten sie weitere Personen aufnehmen. Die Grunderwerbssteuer fand ich viel heftiger, vor allem wenn man die wie ich aufgrund einer Trennung doppelt zahlen musste. Aber dafür hab ich bis zur Rente hoffentlich alles abbezahlt.

  8. 30.

    Im Vergleich zu anderen Kosten ist die Grundsteuer doch günstig. Bei mir in Pankow ist sie nur um wenige Euro teurer geworden, völlig ok. Je mehr Fläche jemand von dem « Gemeinschaftseigentum Erde » für sich allein nutzen darf, desto mehr muss er halt zahlen. Finde ich gerecht. Die Grunderwerbssteuer ist viel heftiger, vor allem wenn man die wie ich aufgrund einer Trennung doppelt zahlen musste. Aber dafür hab ich bis zur Rente hoffentlich alles abbezahlt.

  9. 28.

    Ich gebe Ihnen zum Teil recht, zumindest dabei, dass man auf dem Papier reich ist. Unser Grundstück hat sich im Wert in den letzten 15 Jahren auf dem Papier verzehnfacht! Davon habe ich nicht einen Euro mehr in der Tasche. Verkaufen kann man das Grundstück auch nicht zu diesem fiktiven Wert, aber die Steuer wird daran bemessen. Schon mal daran gedacht, dass manche Geringverdiener vielleicht auch ein Haus von den Eltern geerbt haben? Nur weil die Grundstückspreise explodiert sind, werden diese Personen auch nicht mehr verdienen.

  10. 27.

    60 Euro im Monat bei einem Vermögen von über einer halben Million? Wirklich eine übermäßige Enteignung? Das sind etwa 0,01%. Also bitte.
    Für alle Kommunen machen die Einnahmen lt. BMF etwa 15 Mrd. Euro aus. Das kann nicht so einfach entfallen.
    Und die Lohnsteuer ist nur eine Variante, wie die Einkommensteuer von Arbeitnehmer-innen erhoben wird. Aber natürlich kann man diskutieren, ob der Spitzensteuersatz für Bürger-innen, die pro Jahr mehrere hunderttausend Euro einnehmen nicht erhöht werden sollte. Es setzt aber auch den politischen Willen voraus.

  11. 26.

    Die Bemessungsgrundlagen waren in Ost und West stark unterschiedlich. Hat da jemand gejammert, das er zuwenig zahlt? Ich denke nicht. Die geforderte Gleichbehandlung endet nicht an der Geldbörse. Allerdings könnte für den im Bericht geschilderten Fall, stellvertretend für gleichartige Fälle, evtl. eine Härtefallregelung geschaffen werden.
    Es wird ja auch über vermeindliche Ungerechtigkeiten dahingehen gesprochen, das in einer Straße unterschiedliche Beträge fällig werden. Die eine Seite ist "mittlere Wohnlage, die Andere "einfache Wohnlage", es bestehen unterschiedliche Bemessungszahlen - ursächlich ist ein Gewerbegebiet, ein paar Meter und eine Lärmbelästigung lt. behördlichen Unterlagen. Die Einen zahlen mehr Steuer und könnten einen höheren Wiederverkaufswert erzielen, die Anderen wohnen preiswerter. Wo bitte ist das Problem?

  12. 25.

    Nachfragen kann mindestens jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses zu den Einnahmen des Landes Berlin aus der Grundsteuer. Dann kann man die jährlichen Einnahmen bis 2024 auf Basis der Einheitsbewertung mit den Einnahmen ab 2025 auf Basis der neuen verkehrswertorientierten Bemessungsgrundlage vergleichen. Allerdings muss man dafür etwas warten. Denn 2025 kommt ja erst noch und wird ja auch dauern ;-) ... also: keine Skepsis bitte.

  13. 24.

    Wir müssen aufpassen, dass die Grundsteuer sozialverträglich bleibt. Wenn ich z.B. von Zehlendorfern höre, die bei zwei, dreitausend Quadratmeter Grundstück und vierhundert Quadratmetern Wohnfläche jetzt teilweise bis zu mehreren dutzend Euro jährlich mehr zahlen müssen, mache ich mir große Sorgen um den sozialen Zusammenhalt. Als Bürger und auch einfach als Mensch. Es ist essentiell, dass gerade in diesen schweren, turbulenten Zeiten die Leistungsträger deutlich entlastet werden, die ja schon seit Jahren die Hauptlasten der vielen Krisen schultern, welche unsere Gesellschaft in ungekannter Weise erschüttern. Es ist bitter, zu sehen, wie viele solcher Menschen an diesen Krisen zugrundegehen, weil sie von der Politik im Stich gelassen werden. Und das in der schwersten Wohnungskrise des Jahrhunderts. Letztes Jahr René Benko, nun auch Christoph Gröner. Es ist Zeit, zusammenzustehen, als Gesellschaft, uns nicht spalten zu lassen, und solidarisch zu bleiben! #DasIstUnserHaus

  14. 22.

    Na ja. Warten Sie mal ab wie lustig Sie das finden, wenn u. U. Ihre Nebenkostenabrechnung einflattert. Je nach Wohnlage werden Sie bisher wohl um 20 - 30 Cent pro QM Grundsteuer bezahlen. Vielleicht sogar mehr. Sie können davon ausgehen das diese Summe, je nach Lage, sich locker vervielfacht.

  15. 21.

    in den meisten Fällen werden die Preise für Eigentumsimmobilien sinken, da ansonsten die teuren Buden unverkäuflich bleiben.

  16. 20.

    Warum irritiert? Es ist ganz einfach, das Ehepaar hat den Grundstücksteil im einem kleinen Siedlungsgebiet vor 20 Jahren erworben haben. Damals hat das Grundstück vermutlich noch einen schmalen Taler von 50.000-100.000 EUR gekostet, das Haus obendrauf vielleicht auch noch einmal so viel. Da aber die Umgebung vermutlich mit neuen "Deluxe"-Häusern bebaut wurde und nun vor Ort der Grundstückswert an sich gestiegen ist, wird aus dem schlichten Einfamilienhaus auf kleiner Parzelle ein Luxusgut.

    Gegenbeispiel aus Sachsen-Anhalt: Dort wurde für die Doppelhaushälfte meiner Eltern ein für Sachsen-Anhalt üblicher geringer Grundstückspreis kalkuliert. Folge ist, dass dort die Grundsteuer fast halbiert wurde.

  17. 19.

    Niemand stellt diese Steuer in Frage. Es kann eine schleichende Enteignung sein. Der bürokratische Aufwand und die Rechtmäßigkeit hätten auch eine Abschaffung dieser kommunalen Finanzierung gerechtfertigt. Stattdessen gibt es eine viel bessere, gerechtere, einfachere, billigere Möglichkeit mit gleicher Wirkung: Die Lohnsteuer.

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