Hertha BSC unter Zeitdruck - Nur 70 Tage für den harten Weg in die Zweitliga-Realität

So 21.05.23 | 08:55 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Ein Banner mit der Aufschrift "Die Zukunft ..." und der Hertha-Fahne hängt im Olympiastadion (Quelle: imago images/Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.05.2023 | Jakob Rüger | Bild: imago images/Matthias Koch

Was sich lange andeutete, ist nun Gewissheit: Hertha BSC muss den Gang in die 2. Liga antreten. Die Berliner stehen vor mehreren Fragezeichen was Kader, Trainerpersonalie und Wirtschaftlichkeit angeht - und die Zeit rennt. Von Marc Schwitzky

Das Wochenende vom 28. bis 30. Juli hat für Hertha BSC von einem Tag auf den anderen immens an Bedeutung gewonnen, weil es das Ende einer Frist markiert. Für jenes Wochenende hat die DFL den ersten Spieltag der neuen Zweitliga-Saison terminiert. Bis dahin - in knapp 70 Tagen - muss Hertha etliche Fragen beantworten und ein stabiles Fundament für die neue Spielzeit, ja womöglich sogar den direkten Wiederaufstieg legen. Und das in einem Umfeld, in dem Unterklassigkeit für die "alte Dame" wieder spürbare Realität ist.

"Wilde Jahre in Westend"

Wilde Jahre in Westend: Der Abstieg von Hertha BSC
IMAGO | Collage rbb

Am Sonntagabend (20:15 Uhr) läuft im rbb Fernsehen der Film 'Wilde Jahre in Westend: Der Abstieg von Hertha BSC'. Er zeichnet Herthas komplizierte letzte Jahre und den Weg zum Abstieg nach - inklusive der Winhorst-Saga, dem Klinsmann-Wirbel sowie Interviews mit Präsident Kay Bernstein und Ex-Manager Michael Preetz.

Was schon erreicht ist - und wo es hakt

Mit Präsident Kay Bernstein, Geschäftsführer Thomas Herrich, Sportdirektor Benjamin Weber und Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich Andreas "Zecke" Neuendorf hat Hertha vor Monaten - zumindest in weiten Teilen der Führungsetage - schonmal für klare Verhältnisse und Perspektive gesorgt. Die Trennung von Fredi Bobic Ende Januar durfte als deutlicher Fingerzeig interpretiert werden, dass der Hauptstadtklub ab jenem Zeitpunkt zweigleisig für Liga eins und zwei plante.

Weniger klar ist, ob Hertha von der DFL überhaupt die Lizenz für die 2. Liga erhalten wird. Geschäftsführer Herrich hatte auf der der jüngsten Mitgliederversammlung bestätigt, dass die Lizenz in Gefahr sein könnte. Laut Medienberichten soll die DFL ernsthafte Zweifel an der Liquidität des Vereins haben. Ebenso wie an der Einhaltung der 50+1-Regelung im Vertrag zwischen Hertha BSC und Investor 777 Partners. Jener Vorschrift, die verhindern soll, dass Investoren eine Stimmmehrheit bei den Kapitalgesellschaften bekommen, in die viele Fußballklubs - wie auch die Berliner - ihre Profiabteilungen ausgegliedert haben. "Wir sind mit Hochdruck dran und zuversichtlich, dass wir die Lizenz erhalten werden", so Herrich. Bis zum 7. Juni hat der Klub Zeit. Dann muss das Verfahren abgeschlossen sein.

Personalkosten sparen, Transfererlöse erzielen

Sollte Hertha gegenüber der DFL nachweisen können, dass die Vereinbarung mit Geldgeber 777 komplett konform mit 50+1-Regel ist, würden die 100 Millionen Euro des US-Unternehmens wie geplant fließen und die Finanzierung der Saison 2023/24 sicherstellen. Ein Zwangsabstieg in die dritte oder gar die Regionalliga als Schreckensszenario wäre somit abgewendet. Über jene Hürde hinaus wird Hertha weiterhin im großen Stile Personalkosten einsparen und Transfererlöse erzielen müssen, um die wirtschaftlichen Vorgaben zu erfüllen. Rund ein Drittel der Mitarbeitenden auf der Geschäftsstelle wird wohl gehen müssen.

Die Hanns-Braun-Straße ist schon lange Großbaustelle, nun muss gleich ein komplett neues Fundament gegossen werden.

Sollte Hertha den Konflikt mit der DFL lösen können, werden sich bis dahin überaus viele Prozesse im sportlichen Bereich angestaut haben. Es bleibt also noch weniger Zeit für Sportdirektor Weber und sein Team, die Weichen für die neue Spielzeit zu stellen. Der größte Umbruch seit langer Zeit steht an - und das will bei Hertha etwas heißen. Die Hanns-Braun-Straße ist schon lange Großbaustelle, nun muss gleich ein komplett neues Fundament gegossen werden. Eine Herkulesaufgabe für Weber, der zum ersten Mal einen Transfersommer bei den Profis betreuen muss.

Kaderkosten müssen signifikant sinken

Wie bei einem Abstieg üblich werden viele Spieler den Verein allein aufgrund ihrer eigenen sportlichen Ambitionen verlassen wollen. Darüber hinaus wird Hertha aus wirtschaftlichen Gründen wenigen Profis Steine in den Weg legen können und wollen. "Wir wollen 30 Prozent der Kaderkosten reduzieren und dann immer noch bundesligatauglich oder - wenn es so kommt - zweitligatauglich sein", gab Herrich bei der Mitgliederversammlung als Zielvorgabe aus.

Dodi Lukebakio, Lucas Tousart, Suat Serdar sind Beispiele für Spieler, die sowohl aus finanziellen als auch sportlichen Aspekten heraus nicht zu halten sein werden. Immerhin besitzen sämtliche Profis Verträge für die zweite Liga, sodass Hertha Ablösen erzielen kann - wenn auch nur schmerzhaft geringe.

Es haben zudem so viele Neuzugänge der jüngeren Zeit enttäuscht, dass sich Hertha abseits wirtschaftlicher Faktoren von ihnen trennen wollen wird: Wilfried Kanga, Jean-Paul Boetius oder Ivan Sunjic sind beispielhaft zu nennen. Sunjic und Chidera Ejuke werden den Klub aufgrund ihrer auslaufenden Leihverträge verlassen. Darüber hinaus laufen die Arbeitspapiere von Kevin-Prince Boateng (Karriereende), Peter Pekarik, Marvin Plattenhardt und Stevan Jovetic aus - sie werden Hertha wohl allesamt verlassen.

Der "Berliner Weg" soll mit Leben gefüllt werden

Abstiege sind oftmals mit der Hoffnung auf eine "reinigende" Wirkung verbunden: die Chance, sich von Altlasten zu trennen und neu anzufangen. Ob jene Reinigung tatsächlich so von statten geht, ist fraglich, doch wie der Neuanfang aussehen kann, skizzieren die Verantwortlichen von Hertha bereits seit längerem: Der "Berliner Weg" soll die mittel- bis langfristige Planung auf sportlicher Ebene sein.

Hertha will wieder mehr auf eigene Talente setzen und die renommierte Akademie in den Mittelpunkt rücken. Darüber hinaus soll bei externen Transfers wieder vermehrt darauf geachtet werden, dass die Spieler für die Aufgabe "brennen" und Hertha als Chance und nicht als gemütliche Endstation betrachten. "Es geht um den Willen, sich zu verbessern. Und wenn man Spieler kauft, schadet es nicht, wenn neben dem Namen noch steht: Phantasie und Entwicklungspotenzial", erklärte Trainer Pal Dardai.

Die zweite Liga als etwas niveauschwächeres Pflaster könnte die Integrierung der Talente vereinfachen.

Die Neusortierung innerhalb des Kaders soll die Eigengewächse stärken. Marton Dardai, Jessic Ngankam und Derry Scherhant haben sich bereits bei den Profis etabliert und sollen zusammen mit Talenten wie Linus Gechter, Pascal Klemens, Julian Eitschberger, Veit Stange oder Neu-Profi Ibrahim Maza das Gerüst für die Zukunft bilden. Die zweite Liga als etwas niveauschwächeres Pflaster könnte die Integrierung der Talente vereinfachen. Daneben wird Hertha Spieler wie Oliver Christensen, Tolga Cigerci oder Marco Richter, die sich als Nicht-Berliner dennoch mit dem Verein identifizieren, halten und entwicklungshungrige wie mental starke Spieler für einen guten Mix verpflichten müssen.

Hertha muss die Trainerfrage klären - bleibt Dardai?

Maßgeblich entscheidend für die Kadergestaltung ist die Trainerpersonalie. Bleibt Pal Dardai, der Mitte April für Sandro Schwarz übernommen hatte, an der Seitenlinie oder entscheidet sich Hertha für einen neuen Weg?

Für Dardai sprechen gleich mehrere Punkte. Aufgrund des Abstiegs wird großer medial-öffentlicher Druck auf Hertha liegen. Druck, den Dardai seit jeher kennt und mit seiner besonderen Art gut moderieren kann. Zudem steht kaum ein Zweiter so sehr für den angestrebten "Berliner Weg" wie Dardai. Er kennt den Verein und seine Jugend bestens, schon immer hat der Ungar den Eigengewächsen viel Vertrauen und Einsatzzeiten entgegengebracht. Dardai hat zudem bewiesen, mit genügend Zeit Mannschaften mit einer guten Struktur und starkem Teamgeist entwickeln zu können - genau das, was Hertha nun braucht. Fraglich ist, wie der eher defensiv geprägte Spielstil Dardais mit der Favoritenrolle in Liga zwei zusammenpassen würde.

70 Tage sind wenig Zeit, besonders für einen neuen Trainer. Dardai kennt Stadt, Verein und den aktuellen Kader, sodass er sofort ansetzen könnte - ein großer Vorteil. Sportdirektor Weber lässt die Trainerfrage noch offen. Und auch Dardai lässt sich nicht in die Karten schauen: "Ich glaube, das muss die Führung entscheiden - und meine Frau." Frau Monika hatte Ehemann Pal bereits im April den Job erlaubt. Schön, wenn sich in diesen chaotischen Zeiten nicht alles ändern würde.

Sendung: rbb24, 21.05.2023, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

58 Kommentare

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  1. 58.

    Ach Nils, schöner ist es doch, wenn die gar keine Brötchen backen. Zisch, wisch, pfiff - einfach weg.

  2. 57.

    Sie und Stephan h. können sich hier ausheulen solange sie wollen
    Es ist gut und richtig das Hertha nicht mehr in der Bundesliga spielt
    Hoffentlich bekommt Hertha die Lizenz entzogen, dann kann die Hertha ganz kleine Brötchen backen

  3. 56.

    Zitat: "Rot Weiß im Olympiastadion, kann nur gegen Borussia Mönchengladbach gewesen sein, Fanfreundschaft, daß müsstet ihr ja kennen, wenn eure süßen Freunde aus Baden bei uns spielten, mit Euch im Block!"

    Und dabei vom nahezu gesamten Gästeblock immer wieder mal irgendwelche Hertha Sprechchöre abgegrölt wurden.

  4. 55.

    Bei aller berechtigten Schadenfreude und geplatzen Kragen. Allein der Blick auf die unzähligen Defizite der Vergangenheit bringt keine Lösungen. Für Fans und Sport in dieser Stadt ist das alles nur traurig. Sollten Gerüchte stimmen, wonach man von (Sponsoring-)Partnern schon Vorabzahlungen auf künftige Leistungen erbitten will, um die Lizenzauflagen heute zu erfüllen, ist es allenfalls ein 'weiter so', anstatt ein so dringend nötiger Neubeginn. Ein echter Neubeginn müsste auch den Mut besitzen, alle Altlasten über Bord zu werfen, damit diese einen nicht in zwei oder drei Jahren wieder einholen. Einen besseren Moment, um tatsächlich mal mit dem Stahlbesen durchzukehren, könnte es nicht geben. Selbst wenn unter zahlreich abzutragenden Schichten Liga vier hervorschaut.

  5. 54.

    Hertha heißt Alte Dame, weil der am 25. Juli 1892 gegründete Verein einer der ältesten Fußballklubs überhaupt in Deutschland ist. Übrigens, Google mal nach Juve ;-)))

  6. 53.

    Und Du schreibst ganz viel zu Hertha, mehrere Kommentare. Interessiert Dich also. Wie dumm ist das denn?

  7. 52.

    Na heutzutage heißen aufstrebende Clubs doch eher 'Tigers' oder so. Wie wärs mit die 'Bestie'. Muß man sich aber auch so suf dem Platz verhalten.

  8. 51.

    Nun, eine der weltallgrößten Mannschaft Berlins hat ihren Plan, in der Belanglosigkeit zu landen, erfolgreich abgeschlossen. Gratulation.
    Nach dem sich die Hauptstatpresse, besonders der RBB, sich so erfolglos ins Zeug legten und die Bürger alleine in der letzten Woche mit über 14 Berichten, 2 Sondersendungen im TV, mit Ansichten und Aussichten, langweilen, bangen die BCC777 befreundeten Literaten um ihren Job. Lohnen sich Berichte über Magdeburg, über Rostock über das Jammern und Betteln um ein neues Stadion aud Dauer?
    Der BCC777 steigt ab, Lizenz fraglich, "Spieler" müssen verkauft werden = Dardais Resterampe.

  9. 50.

    Hat sich damit dann endlich auch die Debatte über einen Stadion-Neubau erledigt?
    Union hat mit seinen Fans gebaut, bei Hertha sieht's da wohl schwierig aus. Die gründe hierfür zählt man wohl lieber nicht auf. Am Ende zahlt der Steuerzahler. HAHOIIH oder so...

  10. 49.

    Rot Weiß im Olympiastadion, kann nur gegen Borussia Mönchengladbach gewesen sein, Fanfreundschaft, daß müsstet ihr ja kennen, wenn eure süßen Freunde aus Baden bei uns spielten, mit Euch im Block!

  11. 48.

    Oh man, wie dumm muß man sein. Wir haben uns noch nie für Hertha interessiert, sondern nur auf uns geschaut und unsere Leistungen gebracht. Ich habe für die Bertha nur noch Mitleid. Wie kann man 370 Millionen versenken? Es herrscht dort der alte Westberliner Sumpf, verbunden mit der Erwartung, daß doch der Senat uns gefälligst unterstützen muß, denn Wir stehen als Aushängeschild für diese Stadt. Neues Stadion, Schulden, bla bla. Es hat früher geklappt und bitte gefälligst auch weiterhin. Eisern

  12. 47.

    Also, mit einem neuen Stadion wird ja dann sicher alles besser. Natürlich zu 100 % finanziert von Hertha BSC. Ohne einen einzigen Cent Steuergeld.

  13. 46.

    Hallo Bernd
    Hertha ist nun Mal ein Frauenname und mit dem Geburtsjahr 1892 sicherlich kein junger Hüpfer.
    Um sich ein attraktives neues Image zu erarbeiten braucht es Zeit, Willen und zuletzt auch sportlichen Erfolg und keine unqualifizierten Behauptungen oder soll man den Klub umbenennen in Bernd BSC (der alte Herr)

  14. 45.

    Abstieg völlig verdient, aber hier irren, werte Dame! Wen hätten die denn in drei Tagen aus dem Hut zaubern sollen? Ich erinnere auch noch mal kurz an Bobics Ladebalken - Transferlive - event…
    Der Rausschmiss kam zu spät, aber besser eh als nie. Sehen wir doch mal in vier Jahren nach: Wieviele Berliner und Branbenburger spielen denn in der Försterei? Der Berliner Weg scheint mir nach vier Jahren das erste vernünftige Konzeptgerüst. Ob’s klappt - keine Ahnung! Aber lieber mit einem wirklich regionalen Team mitfiebern… Sonst kannste ja gleich zu Bayern jehn… Und vielleicht in möglichst kurzer Zeit wieder Derbys… So long!

  15. 44.

    Daumen hoch, mehr gibt es nicht zu sagen.
    Wir fangen wieder bei 0 an und kämpfen um die 40 pkt.
    Hertha eine Etage tiefer u. Wenn beide erfolgreich sind iss gut für Berlin u. Das Oly.

  16. 43.

    Was für eine Heulerei hier. Hertha hat die Saison über schlecht gespielt und ist verdient abgestiegen. Es trifft jedes Jahr mindestens zwei Vereine, ni ht vergessen. Und überhaupt. Es ist ein Spiel (!) mit dermaßen überbezahlten Akteuren. Zahlt den doch ein Fixum und eine Leistungsprämie, die den Namen auch verdient. Dann strengen sich die Spieler auch wieder an. Ein Glück, dass wenn auch alter Westberliner mein Herz nicht nur an der alten Dane hängt. So kann ich mich auch für Union freuen.

  17. 42.

    Sorry, aber was Funktionäre sagen können Sie den Fans nicht anlasten. Hier zerfetzen sich die Fans untereinander. Und nebenbei, Preetz war noch nie bei den Herthafans beliebt. Also, es gibt keinen Grund, Fans eines Rivalen dermaßen anzugehen, wie es hier oft zu lesen ist. Oder es ist doch das Ossi Wessi Getue, ist leider auch immer noch vorhanden.

  18. 41.

    Ich verweise auf Äußerungen des Herrn Preetz im Aufstiegsjahr von Union..., kann man aber als Herthaner schon mal vergessen, die Arroganz von damals. Ich verstehe das.

  19. 40.

    Man stelle sich vor, es wäre umgekehrt.
    Da wären wir nicht bei 39 Kommentaren .
    Denken Sie sich den Rest

  20. 39.

    Belege? Ist eine rhetorische Frage. Zum Glück gehen beide Vereine nächste Saison getrennte Wege. Dann ist dieser Hass hoffentlich vorbei. Kann auch sein, dass es immer noch ein OstWestDing ist. Nervt jedenfalls.

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