Hertha-Präsident Fabian Drescher - "Bock auf Mittelmaß in der zweiten Liga hat doch am Ende keiner"
Mit satten 81,7 Prozent wurde Fabian Drescher am Sonntag zum Präsidenten von Hertha BSC gewählt. Im Interview spricht er über die sportlichen Ambitionen, die finanziellen Probleme und das Erbe Kay Bernsteins.
rbb|24: Fabian Drescher, nach dem plötzlichen Tod Kay Bernsteins im Januar waren sie kommissarischer Präsident von Hertha BSC. Die Mitgliederversammlung hat Ihnen nun ein vollumfängliches Mandat für die kommenden vier Jahre gegeben. Was sind Ihre ganz konkreten Ziele für den Verein?
Fabian Drescher: Die wirtschaftliche Konsolidierung muss weitergehen, wird weitergehen. Wir haben die Anleihe vor der Brust. Das ist ein Thema, welches gelöst werden muss. Und zweitens: Sportlich wollen wir natürlich wieder nach oben. Jetzt kannst du immer sagen, in Berlin ist das Glas immer halb leer. Das haben wir gestern (auf der Mitgliederversammlung, Anm. d. Red.) gehört: Elfter Platz und wieder unteres Mittelfeld der zweiten Bundesliga. Aber wenn wir jetzt mal auf die Tabelle gucken: Ja, elfter Platz, aber auch mit nur vier Punkten Rückstand auf Platz zwei. Also man kann das Glas auch als halb voll ansehen und sagen: Wir sind in Schlagdistanz.
Der Wiederaufstieg wäre das beste Mittel, um auch die Finanzen in den Griff zu kriegen. Trotzdem haben Sie sich sehr klar davon distanziert, dass er alternativlos wäre. Warum diese Vorsicht?
Weil wir in den letzten Jahren gesehen haben, dass auch Bundesliga und viel Geld nicht unbedingt bedeuten, dass man damit wirtschaftlich gesund arbeitet. Unser Ziel muss es sein, aufsteigen zu wollen. Wenn nicht diese Saison, dann vielleicht nächste. Aber wir wollen uns dabei nicht verheben und wir müssen der Realität ins Auge blicken. Der Aufstieg ist nicht alternativlos im Sinne von: Er ist überlebenswichtig. Aber Bock auf die zweite Liga und Mittelmaß in der zweiten Liga hat doch am Ende keiner.
Kay Bernstein hat den Präsidentenjob so ausgefüllt, dass er extrem präsent war auf der Geschäftsstelle, fast wie eine Art CEO. Manche sagen, dass zum Beispiel der Kollege Dirk Zingler bei Union das ganz ähnlich macht. Wie werden Sie diese Rolle interpretieren?
Vielleicht nicht in dem Maße, wie es Kay getan hat, aber auch ich werde mehrmals die Woche da sein. Aber wir haben auch eine andere Struktur als zum Beispiel die Kollegen aus Köpenick. Der 1. FC Union ist ein kompletter, eingetragener Verein. Hertha hat eine ausgegliederte Profiabteilung, wo die Hauptverantwortung bei der Geschäftsführung liegt. Weswegen es keinen CEO in der Form eines Präsidenten geben muss. Aber, und auch das haben wir die letzten Wochen und Monate gemacht, auch die letzten Jahre mit Kay zusammen: Geschäftsführung und Präsidium arbeiten eng zusammen, telefonieren täglich. Und trotzdem ist es die Geschäftsführung, die am Ende die Führung der Profiabteilung übernimmt. Zusammen mit der sportlichen Leitung. Während der Präsident in erster Linie der Präsident des eingetragenen Vereins ist. Und gleichzeitig mit der engste Mitarbeiter der Geschäftsführung.
Sie sind ja selbstständiger Anwalt. Glauben Sie, dass Sie Ihren Hauptberuf in der Form noch weiterführen können?
Ja, selbstverständlich kann ich den weiterführen. Also vielleicht verstehen wir uns da ein bisschen miss. Ich denke nicht, dass es ein Fulltime-Job ist. Es ist ein zeitintensiver Job. Es ist aber vor allem eine Aufgabe, die ich mit Leidenschaft füllen will. Ich stehe in der Verantwortung, für Hertha BSC da zu sein. Hertha BSC ist meine Leidenschaft, da brenne ich für. Und das mache ich auch gerne und das als Ehrenamt. Und mein Job ist mein Job, für den brenne ich genauso, weil ich habe ihn mir ausgesucht. Ich bin selbstständig und habe damit auch die Möglichkeit, mir meine Zeit einzuteilen. Aber meine Mandanten sollen da auf gar keinen Fall zu kurz kommen. Und ich habe ein ganz, ganz, ganz tolles Kanzleiteam, was sich darum kümmert und mir auch ganz stark hilft, meine Termine gut zu koordinieren.
Sie sind bei Hertha BSC schon seit 2013 ehrenamtlich engagiert, seit 2016 im Präsidium. Sie haben die Wendungen der vergangenen Jahre ganz nah miterlebt. Über die viele Leute sagen: Es wurde wahnsinnig viel Geld verbrannt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und Ihre Rolle als Präsidiums-Mitglied reflektiert?
Das habe ich auch gestern auf der Mitgliederversammlung ganz klar gesagt: Auch ich habe Fehler gemacht, auch ich würde Dinge heute anders machen.
Zum Beispiel?
Ich hätte vielleicht ein bisschen kritischer bei einigen Entscheidungen sein können, vielleicht mal ein bisschen offensiver sagen können: Nein, das können wir so nicht machen. Aber ich war damals in meiner ersten Amtsperiode. Das war die Zeit, in der Windhorst eingestiegen ist. Da musste ich mich auch ein bisschen erst reinfuchsen. Da musste man auch erst mal lernen, sich in so einem funktionierenden System einzuordnen. Und wir haben ja unsere Lehren daraus gezogen. Wir wissen ja, wie man es nicht machen sollte. Und ich hoffe, das trägt auch ein bisschen zur weiteren Beruhigung bei Hertha BSC bei. Und wenn das vielleicht ein bisschen langweilig ist, tut mir das leid, aber ich glaube, Hertha BSC tut es gut.
Müssen Sie sich zu einem gewissen Grad von der Figur Kay Bernstein emanzipieren?
Das muss ich nicht, weil ich muss ihn nicht kopieren und ich will ihn gar nicht kopieren. Wir haben eine gemeinsame Vision gehabt. Wir haben eine Vision für Hertha BSC gehabt, den Berliner Weg. Den haben wir alle im Verein getragen, über die Gremien, über die Geschäftsführung, das Präsidium, die Aufsichtsräte und vor allem auch die Mitglieder, die diesen Weg mitgehen wollen. Und ich werde diesen Weg auf meine Art weitergehen. Ich muss nicht aus seinem Schatten heraustreten. Kay war einzigartig, eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Ich bin ich und ich werde den Weg auf meine Art und Weise weitergehen. Und ich glaube, die Mitglieder haben gestern gesehen und mir gezeigt, dass sie mir das auch abnehmen und mir vertrauen, dass das auch genauso passieren wird.
Wo sehen Sie Hertha BSC in vier Jahren?
Hoffentlich wieder als etablierter Erstligist, gespickt mit einem Gerüst aus Spielern, die aus unserem eigenen Nachwuchs stammen. Ich sehe uns in einer entspannten finanziellen Situation, in der wir uns nicht mehr jedes Mal Sorgen machen müssen, wie geht es mit der Lizenz weiter, wo drückt der Schuh. Und ich sehe uns als der Klub der Hauptstadt, der weiterhin verbindend ist zu seinen Mitgliedern, der nahbar ist, der greifbar ist und der einfach für Jede und Jeden der Verein ist, mit dem man sich identifizieren kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview ist eine leicht gekürzte und redigierte Fassung eines Gesprächs im rbb|24 Inforadio. Es wurde geführt von Dirk H. Walsdorff.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.11.2024, 19:15 Uhr