European Games in Krakau - Berliner Zwillingsbrüder spielen im Siebener-Rugby um Ticket für die Olympischen Spiele
Erst die "Mini-Olympiade" in Krakau, dann die richtigen Sommerspiele in Paris? Die Berliner Zwillinge Anton und Philip Gleitze wollen sich bei den European Games im Rugby für die Olympischen Spiele 2024 qualifizieren. Von Anton Fahl
Geteilte Freude ist doppelte Freude: auch in der Familie Gleitze. Die 23-jährigen Zwillinge Anton und Philip spielen Rugby, seitdem sie sechs Jahre alt sind und bereiten sich noch bis Freitag am Olympiastützpunkt in Heidelberg auf ein sportliches Highlight vor: Sie werden mit der deutschen Siebener-Rugby-Nationalmannschaft bei den European Games in Krakau an den Start gehen. "Die Vorfreude ist riesig. Wir haben eine einmalige Chance, uns für Olympia zu qualifizieren und auch erstmalig an diesem Turnier teilzunehmen, das ein Format hat, das für uns noch ziemlich neu ist: Zusammen mit vielen verschiedenen Sportarten in einem Turnier zu spielen", sagt Anton Gleitze im Gespräch mit rbb|24.
Bei der abgewandelten Form des Rugby dauern die Spiele nur zwei Mal sieben Minuten. "Das hört sich erstmal sehr kurz an. Da läuft man aber sehr viel, man deckt das gleiche Feld, die gleiche Größe wie beim Fünfzehner-Rugby ab – nur mit sieben statt 15 Leuten. Das ist natürlich deutlich anstrengender. Da ist man ganz schön platt nach einem Spiel", hält Anton fest.
Die Sportart wurde 2016 in das Programm der Olympischen Spiele aufgenommen. Nun ist sie erstmals Teil der European Games, einem europäischen Multi-Sport-Event, bei dem vom 21. Juni bis 2. Juli über 6.500 Athletinnen und Athleten in 26 Disziplinen ihre Wettkämpfe austragen und um Europameistertitel sowie Startplätze für die Olympischen Spiele 2024 konkurrieren werden.
Das 'Rugby-Ei' vom Vater in die Wiege gelegt
Auch im Siebener-Rugby wird in Krakau um ein Ticket für Paris gespielt. "Eine Olympia-Teilnahme ist für so gut wie jeden Sportler das oberste Ziel. Das ist für uns das Größte, was es gibt", sagt Anton Gleitze, während sein Bruder betont, dass die Chance auf einen Turniersieg durchaus als realistisch einzuschätzen sei. "Die Konkurrenz ist sehr stark. Bisher hat sich aus dem europäischen Raum nur Frankreich für Olympia qualifiziert. Das heißt: Länder wie Irland, Großbritannien, Spanien sind alle noch im Rennen und werden bei diesem Turnier selbstverständlich alles geben", sagt Philip Gleitze. Um selbstbewusst anzufügen: "Wir haben gegen jeden Gegner schon gewonnen. Unser Ziel sollte es auf jeden Fall sein, ins Finale zu kommen und eigentlich auch das Ding zu gewinnen."
Neben der Vorfreude auf den sportlichen Wettkampf schwingt bei den Gleitze-Zwillingen noch ein anderer Aspekt mit. Sie seien gespannt darauf, im Rahmen dieser "Mini-Olympiade", wie Anton es formuliert, auch mal andere Sportarten näher kennenzulernen – und einmal mehr besondere, gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. "Es ist super cool, weil man sich schon seit der Geburt kennt. Und es ist auch nochmal etwas Besonderes, mit seinem Zwillingsbruder zusammen zu spielen. Das ist ein unfassbar cooles Gefühl", sagt Philip mit einem Strahlen in den Augen.
Das Rugby-Ei wurde den beiden Berlinern von ihrem Vater in die Wiege gelegt, der einst selbst Nationalspieler war. "Wir kommen ja ursprünglich aus Berlin, haben beim Berliner Rugby Club angefangen und unsere ganze Jugend dort verbracht", sagt Anton. "Wir sind auch immer noch Mitglieder und haben dem Verein einiges zu verdanken, was unsere sportliche Karriere angeht."
"Da spürt man schon den ein oder anderen Muskel"
Ab den späten Teenagerjahren fokussierten sich beide dann, vom klassischen Rugby-Spiel mit 15 Mann kommend, immer mehr auf die Siebener-Variante, "weil es mir mehr Spaß macht", wie Philip stellvertretend für beide Zwillinge sagt. "Man braucht ein bisschen mehr Athletik, muss ein bisschen fitter sein, tendenziell ein bisschen schneller. Ansonsten ist es beim Fünfzehner-Rugby eher so, dass jeder eine spezifische Position mit einer spezifischen Aufgabe hat, während man beim Siebener-Rugby auf allen Positionen alles ein bisschen machen kann", so Philip weiter.
Gerade auch das Programm, vor dem die beiden Gleitze-Brüder und die deutsche Nationalmannschaft in Krakau stehen, hat es in sich: Gespielt wird an drei Tagen, vom 25. bis 27. Juni. Am ersten Spieltag stehen zwei Gruppenpaarungen an, am zweiten wird die Gruppenphase bereits beendet und die Teams starten direkt in die K.O.- und Platzierungsspiele. "Nach so einem Turnier ist man ganz schön fertig. Auch am zweiten und dritten Turniertag spürt man schon den ein oder anderen Muskel. Da geht es dann darum, durchzubeißen und sich das nicht anmerken zu lassen", gesteht Anton Gleitze.
Dem Ziel – einer Teilnahme an den Sommerspielen in Paris 2024 – wird alles untergeordnet. Soll der Schmerz noch so groß sein. Wenigstens gilt dann: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Umso größer wäre die Freude im Erfolgsfall.
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.06.2023, 10:15 Uhr