Pro & Contra - Ist Trainer Nenad Bjelica für Union Berlin noch tragbar?
Union-Trainer Nenad Bjelica sorgte mit seiner Tätlichkeit gegen Leroy Sané beim Bundesliga-Spiel in München am Mittwoch für einen Eklat. Till Oppermann und Patrick Richter kommentieren, warum Bjelica für Union Berlin noch tragbar ist - oder auch nicht.
Darum muss Bjelica bleiben
Wert ist größer als Schaden
Nenad Bjelicas Wert für den 1. FC Union ist größer als der Schaden, den der Trainer mit seiner Tätlichkeit gegen Leroy Sané - er griff diesem am Rande einer hitzigen Partie gleich zweimal ins Gesicht - angerichtet hat. Bjelica hat dem 1. FC Union in seiner kurzen Amtszeit genau das gegeben, was der Klub dringend gebraucht hat. Mit ihm holte die Mannschaft sieben ihrer 14 Bundesligapunkte. Bjelica hat die historische Sieglos-Serie gestoppt.
Mindestens genauso wichtig ist die Art und Weise, wie seine Mannschaft spielt: Das Team tritt endlich wieder so auf, wie man Union lange kannte – gut organisiert, körperlich und selbstbewusst. Trotz Bayerns Übermacht am Ball und des Rückstands direkt nach der Pause blieben die Eisernen bis zum Ende im Spiel. Das wäre noch im November undenkbar gewesen.
Glaubwürdigkeit zurückholen
Natürlich war Bjelicas Tätlichkeit gegen Leroy Sané eine dumme Aktion. Sie kostet den Trainer einige Spiele an der Seitenlinie und den Verein öffentliches Ansehen. Viel entscheidender ist eine andere Frage: Wie steht es um Bjelicas Ansehen bei seinen Spielern?
Über die noch zu verhandelnde Sperre durch das Sportgericht hinaus sollte er sich überlegen, wie er sich selbst bestraft (Update: Inzwischen hat der DFB eine Sperre von drei Spielen bekanntgegeben, Anm. d. Red.). Zum Beispiel mit einer saftigen Zahlung an die Mannschaftskasse. Bjelica muss der Mannschaft zeigen: 'Seht her: Was für euch gilt, gilt auch für mich.' Die eigene Undiszipliniertheit macht ihn sonst unglaubwürdig, wenn er von seinen Spielern weiter Disziplin fordert.
"Das ist nicht zu tolerieren, ich werde mich bei meiner Mannschaft entschuldigen", sagte der Trainer noch am Abend und genau in dieser Entschuldigung liegt eine Chance für alle bei Union. Fehler machen nahbar. Und Nähe ist im Abstiegskampf nicht zu unterschätzen.
Darum muss Bjelica zwingend gehen
So eine Tätlichkeit ist nicht tolerierbar
Schlagen, ins Gesicht greifen oder eine "Watschn" verpassen - wie immer man es nennen möchte, was sich Nenad Bjelica gegen Leroy Sané leistete: Keine dieser sprachlichen Variationen entlastet den Trainer. Er hat das verraten, wofür er stand. Auf der Antritts-Pressekonferenz im November hatte der Kroate deutlich gemacht, was für ihn zählt: Disziplin. Immer wieder forderte Bjelica diese von seinen Spielern ein. In der 74. Minute des Nachholspiels in München hat Bjelica nun seine Glaubwürdigkeit verspielt.
Wie sollen die Spieler noch einem Trainer folgen, der eiserne Disziplin einfordert, seine Emotionen aber nicht im Griff hat? Und sich dafür nicht einmal richtig entschuldigt. Selbst wenn die Aktion noch tolerierbar wäre, ist es die Reaktion darauf nicht. Eine Entschuldigung gab es nur an seine Mannschaft, nicht aber an Sané. Reue für seine Tat? Fehlanzeige. Der Bayern-Star habe ihn schließlich provoziert. Eine Verdrehung der Täter-Opfer-Rolle, wildes Schimpfen noch von der Tribüne und nur wenig Einsicht in den Interviews nach dem Spiel - das ist nicht nur eines Bundesliga-Trainers unwürdig, sondern auch eines Vereins wie Union Berlin.
Bjelica ist nicht kontrollierbar
Hinzu kommen die sportlichen Auswirkungen. Für eine Tätlichkeit gibt der DFB eine Strafandrohung von bis zu sechs Monaten vor. Ein Verein, der so tief im Abstiegskampf steckt, kann und darf sich keinen Trainer leisten, der - durch so ein Fehlverhalten - an entscheidenden Spieltagen fehlt.
Auf eine Sache können sich wahrscheinlich alle einigen: Ex-Union-Trainer Urs Fischer wäre das nicht passiert. Er wusste: Niemand steht über dem Verein. Ein Motto, das bei Union Berlin so gelebt wird wie bei wenigen anderen Vereinen. Bjelica hatte sich bei der erwähnten Antritts-PK noch als "Soldat des Vereins" bezeichnet. Nun hat er bewiesen, dass er dieses Motto nicht respektiert oder respektieren kann.
Mit diesem Verhalten hat er klar gezeigt, dass er für Union Berlin nicht mehr tragbar ist – menschlich und sportlich.
Sendung: DER TAG, 25.01.2024, 18 Uhr
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