Analyse - Union-Trainer Bjelica: Kein Nobody mehr

Do 25.01.24 | 10:32 Uhr | Von Till Oppermann
  53
24.01.2024:Handgreiflichkeit zwischen Leroy Sane und Trainer Nenad Bjelica.(Quelle:imago images/F.Hoermann/S.Simon)
Video: ARD Sportschau | 24.01.2023 | André Siems | Bild: imago images/F.Hoermann/S.Simon

Nenad Bjelica ist nach Unions Auswärtsniederlage beim FC Bayern in aller Munde. Nicht wegen der Leistung seiner Mannschaft, sondern weil er seine Emotionen nicht unter Kontrolle hatte. Immerhin zeigte sein Team einige gute Ansätze. Von Till Oppermann

Als der 1. FC Union im November Nenad Bjelica als neuen Trainer vorstellte, war Lothar Matthäus skeptisch. In der Bundesliga sei der Kroate ein Nobody, sagte er damals. Spätestens nach dem denkwürdigen Nachholspiel in München hat sich das endgültig geändert. Wer Bjelica ist, weiß jetzt jeder im deutschen Fußball. Nur eben leider nicht aus den Gründen, die man sich bei Union gewünscht hätte. Am Rande einer hitzigen Partie gegen den Rekordmeister verlor der Trainer die Nerven und griff Bayerns Leroy Sané gleich zweimal ins Gesicht.

Schiedsrichter Frank Willenborg zeigte dem Hitzkopf für diese Tätlichkeit die rote Karte. Die Bayern-Ordner mussten den aufgebrachten Trainer zu seinem neuen Platz auf die Pressetribüne bringen. "Es ist nicht zu tolerieren, was ich da gemacht habe", sagte Bjelica nach dem Spiel etwas abgekühlt. Vier Tage vor dem wichtigen Duell gegen Darmstadt 98 sieht der Trainer einer langen Strafe entgegen. Das DFB-Sportgericht wird nach diesem Ausbruch wohl eher keine Milde walten lassen.

Bjelica fühlte sich provoziert

Zumal der 52-Jährige sich zwar bei seiner Mannschaft entschuldigen wollte, nicht aber bei Sané. "Er kommt in die Coaching Zone und ich habe mich provoziert gefühlt", so Bjelica, der die Szene auf der Pressekonferenz nach dem Spiel aus seiner Sicht folgendermaßen beschrieb: "Ich war in meinem Bereich, wollte den Ball holen und er wollte schnell spielen." Dann habe Sané ihn geschubst und er habe dann reagiert, "wie ich nicht reagieren sollte mit meiner Hand auf seinem Gesicht. Und die Rote Karte geht auch deshalb in Ordnung". Kapitän Christopher Trimmel ergänzte: "Das gehört zum Fußball dazu, ob man da gleich Rot geben muss, weiß ich nicht."

Man muss, finden die meisten. Und Bjelicas fehlende Reue gegenüber Sané dürfte sich auf das Strafmaß auswirken. Sogar über Bjelicas Zukunft als Bundesligatrainer wurde in den sozialen Netzwerken und der Fachpresse [kicker.de] schon diskutiert. Schließlich habe er seine Vorbildfunktion nicht erfüllt, dem Arbeitgeber mitten im Abstiegskampf geschadet. Urs Fischer wäre das nie passiert, kritisierten viele.

Union wäre trotzdem gut beraten, diese Stimmen zu ignorieren und es bei einer Geldstrafe zu belassen. Denn dass Bjelica so anders ist als sein Vorgänger, war einer der Gründe, warum der Verein ihn wollte. Seine Emotionalität sollte neue Impulse in eine Mannschaft bringen, die nach fünf Jahren unter demselben Trainer müde dem Abstieg entgegenschlitterte. Das ist ihm definitiv gelungen.

Union kann Spiele wieder offen halten

Nicht nur am Rande des Platzes ging es am Mittwoch körperlich zu. Auch auf dem Feld waren die Berliner wieder die Mannschaft, die bis zu dieser Saison für Gegner die unangenehmste in der Liga war. Unions körperliches Spiel nervte die Bayern. Sogar Weltstar Harry Kane ließ sich zu einer Rangelei mit Unions Vogt hinreißen und sah dafür die gelbe Karte. 127,2 Kilometer rannten die Eisernen insgesamt und verlangten den Münchnern damit alles ab.

Immer wieder rauschten sie in die Zweikämpfe und im Zweifel half Frederik Rönnow mit seinen Paraden. Dass die Partie am Ende nur mit 0:1 ausging war bei zehn Schüssen aufs Tor auch ihm zu verdanken. Null Tore und nur ein Punkt aus den ersten zwei Spielen im neuen Jahr klingt nach einer schwachen Ausbeute, sind in Unions Situation aber sehr viel Wert. Denn die Mannschaft ist wieder dazu in der Lage, Fußballspiele bis zum Ende offen zu halten.

Das 0:1, das Union direkt nach dem Wiederanpfiff kassierte, hätte das Spiel noch im Herbst beendet. Nach acht Wochen unter Nenad Bjelica trieb es die Berliner zu einer Leistungssteigerung. Nun spielte seine Mannschaft nach Ballgewinn ruhiger und wartete auf gute vertikale Passoptionen. Co-Trainerin Marie-Louise Eta lobte: "Da waren ein, zwei Situationen, in denen wir es gut gespielt haben." Mit etwas mehr Glück hätte es ein Tor geben können, so Eta.

Positive Erkenntnisse

Eine weitere positive Erkenntnis: Mit Andras Schäfer könnte der beste Neuzugang des Winters jemand sein, der schon seit zwei Jahren für Union spielt. Nach seiner langwierigen Fußverletzung wird er mit Einwechslungen an die Startelf herangefühlt und zeigt dabei, dass er für Union den Unterschied ausmachen kann. Mit und ohne Ball hat er das beste Raumgefühl aller Spieler im Kader. Die beste Union-Chance durch Kevin Behrens und Jerome Roussillon in der 72. Minute nahm ihren Ursprung als Schäfer in der eigenen Hälfte den Ball gewann und klug seinen Nebenmann Lucas Tousart einsetzte. Der Ungar ist im Stande, Spiele zu Unions Gunsten zu verändern.

Das war gegen München auch eine Systemumstellung. Kevin Vogt wurde in der zweiten Halbzeit aus der Fünferkette auf die Sechserposition gezogen. Union spielte von nun an mit einer Viererkette und stand etwas offensiver. Das half dabei, weiter vorne im Feld Ballgewinne zu erzielen und verkürzte den Weg zum Tor. Nenad Bjelica muss sich sicher vorwerfen lassen, dass seinem Team im 5-3-2-System weiterhin klare Laufwege und Passfolgen fehlen, um das Feld zu überbrücken. Mit der Option mit vier Verteidigern zu spielen und so Mittelfeld und Flügel zu stärken, hat er Unions Möglichkeiten eindeutig erweitert.

Dauer der Sperre unklar

Wie lange er gesperrt werde, wisse er noch nicht, sagte Bjelica auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Dass er mindestens für die Dauer dieser Sperre ein großes Diskussionsthema der Bundesliga bleiben wird, ist glasklar. Die Ansätze seines Teams sprechen dafür, dass er in Zukunft auch für seine sportlichen Leistungen Aufmerksamkeit bekommen könnte. Bis dahin gibt es in Berlin viele gute Yoga-Lehrer. Das soll ja bei der Entspannung helfen.

Update: Der DFB hat am Donnerstagnachmittag das Strafmaß für Nenad Bjelica bekanntgegeben. Der Trainer fehlt dem 1. FC Union Berlin für drei Spiele und muss zudem eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro zahlen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.01.2024, 6:20 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

53 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 50.

    ...was für ein Aufriss wegen ein bissl Gerangel an der Seitenauslinie. Fußball ist nun mal Kontaktsport und Monsieur Sané iss nur ooch keeen Chorknabe... zuweilen auch etwas Arrogant, muss neben dem Neuer-Reklamierarm eines der Bayern-Gene sein ;-) Nun hat der Unioner Trainer rot gesehen und noch 3 Spiele Sperre obendrauf vom DFB-Sportgericht bekommen. Und dann ist es damit auch gut. Da muss man ditt janze nicht noch weiter künstlich aufbauschen und @RBB24 gleich die Trainer-Frage stellen...

  2. 49.

    Das würde ich auch so sehen, da führt kein Weg dran vorbei. Im übrigen finde ich die letzten Sätze im Kommentar von Herrn Oppermann maßlos und die Sache verharmlosend.

  3. 47.

    Ganz schlechtes Vorbild, dieser Trainer. Der gehört ins Abseits, sprich: sofortige Entlassung als Trainer. Gewalt ist No- Go.

  4. 46.

    Eine sehr dumme Aktion im Sinne von Vorbild.
    Schadet leider dem Verein. Konsequenz ist Rausschmiss.Alles andere ist kontraproduktiv und nicht mehr glaubhaft.
    Vertrauen ist auch damit stark beeinträchtigt.
    Schade Union,die in den letzten Jahren viel aufgebaut haben,ist mit dieser Aktion erloschen.

  5. 44.

    Bin ganz Ihrer Meinung. Wenn ein Trainer sich nicht unter Kontrolle hat und solche Kleinigkeit als Provokation ansieht, sollte sich der Vorstand die Frage stellen, ob dieser Trainer der Richtige für die Zukunft von Union ist.
    Fakt ist: Urs Fischer hätte solch eine Situation anders geklärt.

  6. 43.

    Das war ein total unsportliches Verhalten und damit geht jede Vorbildfunktion dahin. Wie sollen Nachwuchsspieler Fairness lernen und leben bei solch einem Verhalten eines Trainers?!

  7. 42.

    Rausschmiss
    Und Steffen Baumgart holen
    Fertig

  8. 41.

    Dem Herrn Jungmilionär Sane sollte auch jemand zur Zurückhaltung erziehen. Im Spiel gegen Bremen fiel er auch schon auf wegen(ungeahndeter) Fouls.

  9. 40.

    Mensch, ist der Bjelica doof, wäre er nach Sane Schubser zu Bode gegangen, wie Trainer Streich Mal ! Darf er nach Sperre im Stadion sitzen ?

  10. 39.

    mal die kirche im dorf lassen und wieder relation reinbringen? reaktion war klar nicht i.o. von Bjelica, hat er selber auch gesagt und die rote karte völlig akzeptiert. kein drama. niemand verletzt. nix an schäden passiert. ja, man sollte sich nicht provozieren und hinreißen lassen. und wem das schon immer gelungen ist, werfe den ersten stein.
    relation: aufm rasen ist foulen und körperverletzung an der tagesordnung, da gibt es längst nicht solche aufregung bei jedem mal. da wird dann von körperbeton geredet. hier fehlt mir die relation dazu. auch von presseseite.

  11. 38.

    Grade auf Video gelesen, er hätte sich entschuldigt...
    ...allerdings nur bei der Mannschaft und nicht bei Sané!
    Sorry - bei allem Verständnis für Emotionen, aber solch ein Auftreten im Nachgang zeugt nicht grade von Einsicht.

  12. 37.

    Den Union Trainer rauswerfen!

  13. 36.

    Ich verabscheue Gewalt. Menschen, in Leitungsfunktionen mit Vorbildcharakter, sollten gerade mit Provokationen umgehen können und ihren Emotionen gewachsen sein. Ansonsten gehören sie nicht auf eine solche Position und ggf. in Therapie, um zu lernen, Ihre Emotionen in gewaltfreie Bahnen zu lenken. Die Strafe sollte sehr empfindlich ausfallen und Union sollte dem Trainer klarmachen, dass Emotionen ok sind,aber niemals zu tätlichen Reaktionen führen dürfen. Man entscheidet sich für seine Reaktion!

  14. 35.

    Völlig korrekt! Und bei der Roten Karte sollte es m.M.n. nicht bleiben. Ein völlig unsportliches Verhalten und menschlich gegenüber Leroy Sane, auch wenn er viellt in der falschen Mannschaft spielen sollte, wirklich unterste Schublade.
    Der Trainer ist zu entlassen, und zwar: stehenden Fußes. Man stelle sich derart Geschehen [Zeitschnipsel nur die Handlung] in einer Konferenz vor und eine Person von der Gestalt eines L.S. diskutiert gerade, wie ein Produkt oder was weiß ich zu verbessern sei.....
    Völlig untragbar, Störung des Betriebsfriedens - und dann (leider, abgegriffen) aber hier völlig zurecht: Basta!

  15. 34.

    Was bitte hat jetzt der eine Fall mit dem anderen zu tun? Vermischen Sie die Dinge immer so?

Nächster Artikel