Umbau des Jahn-Sportparks - "Ich würde mich freuen, wenn die Sache bald los geht"
Konflikte, Kostenexplosion, Sorgen: Auf das Thema Jahn-Sportpark blicken zurzeit nur wenige mit Euphorie. Am angestrebten Zeitplan für Abriss und Neubau des Berliner Stadions hält die Landesregierung fest. Von Shea Westhoff
- Im Mai wurden massive Kostensteigerungen des Stadion-Neubaus im Berliner Jahn-Sportpark bekannt
- Bürgerinitiative hält Kosten für nicht vertretbar und befürchtet Probleme im Kiez wegen erhöhten Zuschauer-Andrangs
- Regionalligist VSG Altglienicke plant wegen des anstehenden Abrisses vorübergehenden Umzug nach Lichtenberg
- Football Team der Berlin Thunder prüft Umzug ins kleine Stadion im Jahn-Sportpark
"Für ambitionierte Fußballmannschaften in Berlin sind die Möglichkeiten sehr, sehr begrenzt", sagt Marco Schröder mit Blick auf die verfügbaren Stadien und ergänzt: "In der Sportstadt Berlin". Das Wort "Sportstadt" betont er dabei, als müsse man sich den Begriff mit ironisierenden Anführungszeichen denken.
Schröder ist Geschäftsführer des Fußballvereins VSG Altglienicke, der seine Heimspiele im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin-Pankow austrägt.
"Es gibt ja mehr ambitionierte Mannschaften, als es Fußballplätze gibt. Von daher ist das eigentlich eine Vollkatastrophe", sagt Schröder. Den geplanten Abriss und Neubau des großen Stadions im Jahn-Sportpark hält er deswegen für überfällig - obwohl Altglienicke dadurch eine neue Bleibe finden muss.
Ein Stadion, das Drittliga-tauglich wäre
Der Verein aus dem Berliner Süden kann selbst keine taugliche Arena vorweisen und hat deswegen in den vergangenen Jahren im rund 25 Kilometer entfernten Stadion im Jahn-Sportpark ein neues zu Hause gefunden. Die Willi-Sänger-Sportanlage im heimischen Treptower Kiez wird derzeit saniert. "Es zieht sich. Planung dauert", sagt Schröder. "Ich weiß nicht, ob es zum nächsten Jahr fertig wird."
Der Fußball-Regionalligist hat sich mittlerweile im Kreise der Topklubs der vierthöchsten Spielklasse etabliert. Schon jetzt reisen vergleichsweise mitgliederstarke Schwergewichte wie Lok Leipzig oder Carl Zeiss Jena zu den Partien an. Ein möglicher Aufstieg ins Profigeschäft würde die Anforderungen an Arena und Infrastruktur noch mal erhöhen.
Schröder findet: Das neue Stadion im Jahn-Sportpark würde auch den anderen Regionalligisten "eine Chance geben, ein Stadion zu haben, wo auch Drittliga-Fußball geboten werden kann." Außer Altglienicke drängen die Berliner Klubs BFC Dynamo und FC Viktoria in den Profibereich. "Ich würde mich freuen, wenn die Sache bald los geht."
182 Millionen Euro, statt 97 Millionen
Doch "die Sache" – also der Abriss des 1951 erbauten und 1987 erweiterten Stadions sowie dessen Neubau, und darüber hinaus die Umgestaltung des umliegenden Sportgeländes im Jahn-Sportpark – die zieht sich. Immer wieder wurde der Rückbau des alten Stadions vertagt.
Am Mittwochabend machte die schwarz-rote Koalition endgültig die Bahn frei für den Abriss und Neubau des Stadions, durch einen entsprechenden Beschluss im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses.
Und das, obwohl zuletzt die Neuigkeit über eine Kostenexplosion der Bauarbeiten Wellen geschlagen hatte, der "Tagesspiegel", berichtete zuerst darüber. 182 Millionen Euro sollen Abriss und Neubau des Stadions im Jahn-Sportpark kosten, statt der fünf Jahre zuvor geschätzten – und vom Abgeordnetenhaus bewilligten – 97 Millionen.
Das schillernde Neubauprojekt soll nicht weniger als ein in Stahl und Beton gegossenes Statussymbol der selbsternannten Sportmetropole werden. Hobby-, Breiten-, Behinderten- und Profisport würden gleichermaßen im Herzen Berlins eine adäquate Heimat finden. Viel zitiert worden ist die Aussage der damaligen Sport-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini vom europaweiten "Leuchtturm-Projekt für inklusive Sport- und Freizeitangebote".
Sportvertretungen schlagen Alarm
Doch der bereits im März verfasste Senatsbericht klang eher nach Sparflamme. Vor dem Hintergrund entstandener Mehrkosten führte das Schreiben nun den angestrebten Berliner Sparkurs ab 2026 ins Feld. Mögliche "Verzögerungen" im Bauablauf wurden thematisiert.
Wackelte das ambitionierte Bauprojekt gar? Angst machte sich jedenfalls breit bei den großen Sport-Vertretungen der Hauptstadt. Das jedenfalls legt der offene Brief nahe, den der Landessportbund Berlin (LSB), der Berliner Fußball-Verband (BFV) sowie der Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Berlin (BSB) gemeinsam in Umlauf brachten. "Ein Stopp bei der Gestaltung des Jahn-Sportparks in einen inklusiven Sportpark mit Verweis auf gestiegene Kosten" sei ein "fatales Zeichen mit Blick auf eine inklusive Gesellschaft".
Im Telefonat mit rbb24 bekräftigt LSB-Präsident Thomas Härtel, es gebe "erhebliche Bedarfe" in Berlin. Betroffen sei nicht nur der Fußball, sondern auch Leichtathletik, Basketball, Volleyball, Hockey "und viele andere Sportarten". Beim Sportpark habe man sich "wirklich zusammengerauft" und wolle einen "inklusiven Sportpark im Zentrum unserer Stadt". Gerade Pankow - einwohnerstärkster Bezirk Berlins - habe einen "hohen Bedarf an ungedeckten Sportanlagen".
Berliner Defizite im Bereich der Sportstätten
"Insofern ist es auch wichtig, dass man hier sowohl das Stadion als auch den gesamten Park in den Blick nimmt, weil damit eben auch Defizite abgebaut werden können", sagt Härtel.
Defizite, die gibt es in Bezug auf infrastrukturelle Rahmenbedingungen für körperliche Ertüchtigung ausgerechnet in der Sportmetropole zuhauf. In der Breite sowieso – marode Turnhallen, hoffnungslos überfüllte Schwimmbäder, fehlende Sportplätze – aber eben auch im ambitionierten Profi- bzw. Semiprofi-Bereich. Bei der vom BFC Dynamo erhofften Drittliga-tauglichen Ertüchtigung des Sportforums herrscht nach wie vor Stillstand. Bei Alba Berlin gilt die Situation der Heimspielstätte seit langem als angespannt. Die von der Anschutz-Entertainment-Gruppe betriebene Arena am Ostbahnhof muss der Basketball-Topklub wohl mittelfristig räumen, eine letztgültige Alternative ist noch nicht gefunden. Nun der scheinbare Wackelkandidat Jahn-Sportpark, in dem außer die VSG Altglienicke auch Berlin Thunder seine Heimspiele austrägt - der Football-Klub muss nun ebenfalls vorübergehend eine neue Bleibe finden.
Es werde aktuell geprüft, ob das American-Football-Team ab der kommenden Saison vorübergehend ins kleine Stadion im Jahn-Sportpark umziehen kann und dort durch mobile Tribünen eine Erweiterung der Kapazität geschafft werden kann, sagte General-Managerin Diana Hoge zu rbb|24.
Eigentlich bietet die Sportstätte nur Platz für 2.000 Zuschauer. Laut Hoge kämen hingegen üblicherweise rund 5.000 Zuschauer zu den Thunder-Heimspielen. Man sei nun im engen Austausch mit der Sport-Senatsverwaltung, um den Football-Begeisterten in der Hauptstadt die geeignete Arena zu bieten.
Teures Stadion gegen Sportstättenmangel?
Wenn man wirklich gegen den Sportstätten-Mangel vorgehen wollte, dann müsste beim Jahn-Sportpark die Reihenfolge des Bauprozesses ändern, findet Alexander Puell von der "Bürgerinitiative Jahnsportpark", die den Bauprozess kritisch begleitet. "Das macht doch gar keinen Sinn, erst ein teures Stadion hinzustellen, und sich danach erst um die Kinder und Jugendlichen zu kümmern." Puell meint die geplante Umgestaltung des Jahn-Sportpark-Geländes abseits des großen Stadions. Vorgesehen sind etwa zusätzliche Fußball- und Beachvolleyballplätze, Tennisplätze sowie eine Multisporthalle.
Sportstätten-Mangel - klar, den gibt es in der Hauptstadt, das sehe er. Aber dafür ein teures Hochfunktionsstadion an den Rand des Mauerparks pflanzen? "Wenn man sich die Kosten dafür anschaut und dazu die aktuelle Haushaltssituation von Berlin, ist es fragwürdig, dass man auf der einen Seite 700 oder 800 Millionen Euro einsparen muss und auf der anderen Seite 200 Millionen ausgibt", sagt der Berliner.
Sorgen bereitet Puell, der in der Nähe des Jahn-Sportpark-Geländes wohnt, auch der zu erwartende Kostendruck, der höher sei als auf dem gegenwärtigen Stadion, das sich "im Dornröschenschlaf" befinde. "Ein neues Stadion wird natürlich erheblich mehr genutzt. Und jetzt kann man sich überlegen: Wir sind hier mitten im Prenzlauer Berg. 20.000 Besucher – kommen die alle zu Fuß? Mit dem Fahrrad? Kommen die doch mit dem Auto? Also welche weiteren Konsequenzen hat das für die Nachbarschaft?"
Sprecher Senatverwaltung: Kostensteigerung nicht überraschend
Konfrontiert mit der immensen Kostensteigerung sagt Martin Pallgen, Sprecher der ausführenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen: "Zwischen der ersten groben Kostenschätzung im Jahr 2019 und der konkreten Prüfung der Planungsunterlagen im Jahr 2024 liegen fünf Jahre, in denen eine ganze Menge passiert ist." Er nennt den Ukraine-Krieg, Material- und Baukostensteigerungen, eine erhöhte Inflation. "Aus der Perspektive der Fachleute ist es nicht überraschend, dass man in einen höheren Kostenbereich kommt." Das sei nicht unüblich, sobald man den ersten Entwurf "planerisch unterlegt", wie vor anderthalb Jahren geschehen durch das Dresdener Büro "O + M Architekten".
Die Reihenfolge des Bauvorhabens zu ändern, wie es die Bürgerinitiative Jahnsportpark gefordert hatte, ergebe laut dem Sprecher der Senatsverwaltung keinen Sinn. Erst das Gelände in Schuss bringen – und danach der Stadionabriss? "Da muss man ausgehen von Lärm, Staub, Baustellenverkehr, der dort stattfindet." Und im Nachgang: "Stadion-Neubauarbeiten, die sich über zwei bis drei Jahre hinziehen. Den dritten vor dem zweiten Schritt zu machen, scheint mir nicht wirklich klug zu sein." Pallgen glaubt: Die Forderung nach der Verlagerung der Bau-Realisierung sei "eher ein vorgeschobenes Argument, um das Stadion zu verhindern".
Er betont, man baue dort eine "inklusive Sportstätte", die verschiedenen Sportarten Raum bieten werde. "Und nicht nur für den Profisport, sondern auch für den Breitensport und Schulsport."
Im Spätsommer der Abriss
Überlegungen, die Planungen des Stadion-Neubaus kostengünstiger zu gestalten oder gar ganz über den Haufen zu werfen, seien Martin Pallgen nicht bekannt. Einsparen ließe sich durch eine Planänderung ohnehin wenig. "Wir sind ja schon in einer ganz konkreten Bauphase. Wenn wir das jetzt stoppen würden und wieder von vorne beginnen – das macht keinen Sinn." Die aktuelle Bauphase, das sind die Asbestsanierungen rund ums Stadion, damit im Spätsommer die Abrissarbeiten beginnen können.
Marco Schröder und seine VSG Altglienicke weichen wegen des Rückbaus in der kommenden Regionalliga-Saison voraussichtlich ins Hans-Zoschke-Stadion in Lichtenberg aus und werden sich die Spielstätte mit den Fußballern von Lichtenberg 47 teilen. "Am Ende geht es darum, dass es vorangeht", sagt er mit Blick auf den geplanten Stadion-Neubau.
Auf Nachfrage bekräftigt die Senatsverwaltung für Inneres und Sport, dass man am anvisierten Termin für die Fertigstellung festhalte. Damit würde in der zweiten Jahreshälfte 2027 das neue Stadion stehen, das drittgrößte in Berlin, der deutschen Sportmetropole. Das jedenfalls ist der Plan.