Sportstätte in Eichkamp - Welche Konsequenzen hat der Umbau des Mommsenstadions für die Klubs?
Eine überstürzte Sanierung? Der Umbau des Mommsenstadions zur EM 2024 wird begleitet von der Angst, dass die traditionsreiche Sportstätte den ortsansässigen Vereinen entzogen wird. Zu unrecht, wie die Politik betont. Von Shea Westhoff
Es klingt nach einem Plan mit Hand und Fuß, eigentlich: Ein großes, aber in die Jahre gekommenes Stadion in Berlin soll saniert werden, um vorübergehend mehreren Nationalmannschaften während der anstehenden Fußball-Europameisterschaft 2024 eine moderne Trainingsstätte zu bieten. Der Clou: Die Modernisierung wird das Stadion und die angrenzende Infrastruktur gleichzeitig in eine profitaugliche Arena verwandeln, um künftigen Drittliga-Aufsteigern aus der Region eine probate Heimstätte zu gewährleisten.
Die Kosten von rund drei Millionen Euro trägt der Senat.
Ein Stadion für den Breitensport
Es geht um das Mommsenstadion, das seit fast 100 Jahren im Charlottenburger Ortsteil Eichkamp steht. Die Modernisierung gab die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport im Januar bekannt.
Doch der Plan ruft zum Teil heftige Kritik hervor. "Die Vereine waren ja überhaupt gar nicht in dem Prozess mit eingebunden", sagt Christian Rudolph, Fan von Tennis Borussia, zu rbb|24 und warnt vor dem, was kommen könnte: "Das sind ja alles öffentliche Räume, die dann den Freizeitsportlern auch wieder genommen werden, die sich eigentlich dort duschen und umkleiden."
Einige der Änderungen – geplant sind etwa ein neuer Rasen, die Installierung einer Rasenheizung, die Errichtung einer Polizeiwache – klingen für ihn nach dem Gegenteil einer sympathischen Spielstätte, die für den Breitensport da ist. "Das klingt nach einem seelenlosen Event-Stadion, das nur noch für den leistungsorientierten Sport zur Verfügung steht."
Rasenheizung überhaupt zeitgemäß?
Insbesondere der gegenwärtige Einbau der Rasenheizung ruft Kritik hervor: "Warum braucht es denn überhaupt eine Rasenheizung?" Als Grundlage für eine Drittligatauglichkeit würden Statuten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) herangezogen, doch für Rudolph stellt sich die Frage, inwieweit diese Auflagen noch zeitgemäß sind.
Zweifel scheinen angebracht: Viktoria Berlin spielte zur Saison 2021/22 drittklassig im Jahnsportpark - ohne Rasenheizung. Frost? Fehlanzeige. Eine Rasenheizung habe es an keinem einzigen Tag gebraucht, wie erst in diesem Monat aus einer Sitzung des Sportausschusses im Abgeordnetenhaus hervorging.
"Da wird etwas verbaut, was de facto nicht gebraucht wird", findet Rudolph. Und wenn, dann helfe es nur dem Fußball. "Keine andere Sportart profitiert davon." Gemeinsam mit der Gruppierung "Tennis Borussia Aktive Fans" hat er auch deshalb vor zwei Wochen eine wütende Stellungnahme veröffentlicht.
Mommsenstadion als mögliche Heimstätte für Greifswald
Der größte Vorwurf: Die Modernisierung des Stadions würde die ansässigen Klubs schleichend vertreiben – weil die Spielstätte regionalen Drittligisten zur Verfügung gestellt werden solle. Tatsächlich wurden in der Sportausschusssitzung vom 3. Mai Berichte bestätigt, wonach Gespräche mit dem Greifswalder FC geplant gewesen seien, um die Spielstätte im Falle eines Aufstiegs zur Verfügung zu stellen. Bezirksstadträtin Heike Schmitt-Schmelz betonte damals allerdings, dass zunächst "zu 100 Prozent ausgeschlossen sein" müsse, dass ein Aufsteiger aus Berlin das Stadion benötige.
Für Teile der Fanszene wirkt die Einladung des finanzkräftigen Klubs von der fernen Ostsee trotzdem wie ein Menetekel: "Spätestens damit bewahrheiten sich sämtliche Befürchtungen, dass die Belange der ansässigen Vereine im neuen Mommsenstadion keinerlei Rolle mehr spielen."
Folgen für die Leichtathleten und die Footballer
Andreas Statzkowski ist zumindest erleichtert, dass sich die Aufstiegsambitionen des Greifswalder FC durch die Meisterschaft des Konkurrenten FC Energie Cottbus nun erst einmal zerschlagen haben. Der CDU-Politiker auf Berliner Landesebene ist Präsident des SCC – mit 8.500 Mitgliedern einem der Schwergewichte der Vereinsszene in der Hauptstadt.
Auf den Umbau des Mommsenstadions angesprochen klingt der 67 Jahre alte Berliner zunächst nicht verärgert, im Gegenteil. "Grundsätzlich ist es immer gut, wenn in unsere Sportanlagen investiert wird und dementsprechend auch Stadien in Ordnung gebracht werden", sagt er.
Doch die Folgen der laufenden Sanierung hätten er und seine Sparten im Verein schon zu spüren bekommen: Von den drei Sportfesten, die der SCC allein in der Leichtathletik pro Jahr veranstalte, könnte in diesem Jahr nur eines stattfinden. Auch das Football-Team der Berlin Rebels, ebenfalls dem SCC zugehörig, müsse die ersten vier Heimspiele der Saison im Stadion Wilmersdorf austragen.
Und denkbare Fußball-Drittligaspiele würden weitere Einschränkungen mit sich bringen, so Statzkowski: "Tagelange Sperrungen des Stadions, das haben wir in der Vergangenheit immer wieder erlebt, zum Beispiel beim Berliner Landespokal-Endspiel (zuletzt 2023, Anm. d. Red.), wo dann doch über mehrere Tage Vor- und Abbau mit massiven Einschränkungen für die Nutzer verbunden waren." Statzkowski sieht die Verantwortung beim Land Mecklenburg-Vorpommern sowie bei der Stadt Greifswald, um Lösungen für eine geeignete GFC-Spielstätte zu finden.
Das Problem sei mit dem jüngsten Nicht-Aufstieg auch "nicht aufgehoben, es ist vertagt", sagt er im Hinblick auf die anstehende Saison, in der außer Greifswald auch die VSG Altglienicke, Viktoria Berlin und der BFC Dynamo um den Relegationsplatz für den Drittliga-Aufstieg buhlen dürften.
Menschen, die sich wie Statzkoswki mit der Leichtathletik in Berlin befassen, würden immer wieder feststellen, "dass wir in vielen Stellen hinter den Fußball anzustehen haben", sagt er ernüchtert. Auch deshalb hofft er auf eine zügige Fertigstellung des Umbaus des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks, damit das "Land Berlin auch ein wirklich gutes und vorzeigbares Drittliga-Stadion hat". Es wäre ein Stadion, so der Subtext, welches auch das "Mommse" entlasten könnte.
Politik sieht keine Probleme
TeBe musste wegen der Sanierung während der heißen Phase der laufenden Oberliga-Saison teils in den Jahnsportpark und nach Rehberge umziehen. Ob man dauerhaft zurückkehren könne ins Mommsenstadion, da ist sich Christian Rudolph nicht sicher: "In der Sportausschusssitzung klang es immer so, als wenn uns quasi die Tür nur offensteht, wenn wir in die 3. Liga kommen", sagt er.
Die Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirksstadträtin Heike Schmitt-Schmelz hat im Gespräch mit rbb|24 dann allerdings manches klarzustellen - und richtet sich dabei auch an die aktiven Fans von Tennis Borussia.
Seitens der Politik sei man sowohl mit TeBe als auch mit dem SCC im "sehr, sehr intensiven Austausch", sagt sie. "Mich ärgert das ein bisschen, dass die aktive Fanszene sich anscheinend auf die Vereinsspitze nicht verlässt." Und: "Die arbeiten aus meiner Sicht gegen ihren eigenen Verein."
Sie stellt klar: Niemals sei einem potenziellen Drittligisten der Trainingsbetrieb zugesagt worden, sondern es gehe ausschließlich um den Spielbetrieb, das seien 19 bis 21 Begegnungen pro Jahr. "Das vertreibt die ansässigen Vereine nicht." Und selbst wenn in der übernächsten Saison ein regionaler Verein im Mommsenstadion Drittligaspiele absolvieren sollte, dann werde man terminliche Lösungen für alle dort beheimateten Vereine finden.
Auch die von der Fanszene befürchteten Sicherheitskameras von der Polizei würden zunächst nicht verbaut werden, weil es ohne einen aktuellen Drittliga-Aufsteiger dafür keine Notwendigkeit gebe. Das gleiche gelte für das Kamerapodest für die Medien.
Das fast 100 Jahre alte Mommsenstadion wird sich verändern. Bisher scheint es, als würde es die ansässigen Vereine dennoch weiterhin willkommen heißen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.05.2024, 11:15 Uhr