Fußball-Zweitligist - Wie Hertha mit Cuisance und Sessa plant - und wo es noch Handlungsbedarf gibt

Mi 03.07.24 | 20:31 Uhr | Von Marc Schwitzky
  7
Michael Cuisance (l.) und Kevin Sessa im Training bei Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)
Bild: IMAGO / Jan Huebner

Hertha BSC hat mit Michael Cuisance und Kevin Sessa bereits zwei wichtige Spieler für die neue Spielidee von Trainer Cristian Fiél verpflichtet. Doch es bleiben Baustellen und Fragezeichen - Aufgaben für Sportdirektor Benjamin Weber. Von Marc Schwitzky

Mit Cristian Fiél als Nachfolger von Pal Dardai haben sich die Verantwortlichen beim Fußball-Zweitligisten Hertha BSC für eine klare Spielidee entschieden, die deutlich von der des Ungarn abweicht. War es unter Dardai noch die oberste Maxime, defensiv kompakt zu stehen, erst ab dem Mittelfeld zu pressen und auf Konter zu lauern, will Fiél "den Ball haben und dass wir das Spiel kontrollieren sowie den Gegner in seiner Hälfte attackieren."

Zwar erwartet der 44-Jährige auch eine "gute Balance zwischen Offensive und Defensive", doch der mutige, dominante Spielansatz steht über allem.

Es scheint, als würden Fiél und Sportdirektor Benjamin Weber sportlich deutlich eher dieselbe Sprache sprechen als es noch im Zusammenspiel mit Dardai der Fall war. Es wirkt beinahe so, als hätte Weber bereits vor einem Jahr für Fiél auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Damalige Neuzugänge wie Michal Karbownik, Andreas Bouchalakis, Bilal Hussein oder Jeremy Dudziak deuteten ihr Potenzial unter Dardai nur selten an, passen aber zur Spielidee des neuen Trainers.

Cuisance und Sessa passen perfekt, Schuler als sinnvolle Ergänzung

Und so passen auch die bisherigen Sommerneuzugänge ins blau-weiße Bild. Sportdirektor Weber hat bereits vor Trainingsbeginn drei Spieler für insgesamt nur 300.000 Euro an Ablöse vorstellen können. Michael Cuisance vom FC Venedig und Kevin Sessa vom FC Heidenheim für das zentrale Mittelfeld, Luca Schuler vom 1. FC Magdeburg für das Sturmzentrum. Besonders Cuisance und Sessa sind für die Vision Fiéls wie gemacht.

Sowohl Cuisance als auch Sessa sind zentrale Mittelfeldspieler, die bestens auf die Achterpositionen im 4-3-3 von Fiél passen. Beide Spieler zeichnen sich durch hohe technische Fähigkeiten, große Laufbereitschaft und eine gehörige Portion Kreativität aus. Sie stehen für mutigen Fußball und sind die Motoren mit dem gewissen Etwas im neuen Schaltzentrum der Berliner.

Für Fiél ist es immens wichtig, dass seine zentralen Mittelfeldspieler technisch gut geschult sind, dadurch pressingresistent agieren und den Ball mutig nach vorne tragen – hier hat Sportdirektor Weber bereits seine Hausaufgaben gemacht. Auch weil beide Spieler die zweite Liga kennen und die gesamte Vorbereitung bei Hertha absolvieren.

Mit Schuler wurde zudem ein Mittelstürmer verpflichtet, der sich klar als Backup zu Haris Tabakovic verstehen wird und durch seinen guten Antritt aber ein anderes Profil mitbringt. Während Tabakovic eher als Prellbock agiert, sucht Schuler die Tiefe – passende Eigenschaften für einen Joker oder zweiten Stürmer.

Deshalb braucht es Diego Demme

Trainer Fiél hat klare Vorstellungen für seinen Fußball im 4-3-3 – in eben jenem System spielt der alleinige defensive Mittelfeldspieler eine elementare Rolle. Er soll nicht nur der Balleroberer und Staubsauger vor der eigenen Abwehrkette sein, sondern sich auch spielerisch klug einbinden. Auf diesen Ankersechser kommen viele Zweikämpfe, Meter und Pässe zu – hier soll Diego Demme, der bereits vor einem Jahr fast nach Berlin gewechselt ist, Abhilfe leisten. Sein Wechsel zu Hertha steht laut übereinstimmenden Medienberichten fest und ist wohl nur noch eine Frage von Tagen.

Diego Demme spielte viereinhalb Jahre in Neapel. (Foto: IMAGO / Fotoagenzia)Diego Demme spielte vereinhalb Jahre in Neapel. (Foto: IMAGO / Fotoagenzia)

Der 32-Jährige bringt genau das passende Profil mit. Demme ist in erster Linie ein herausragender Spieler gegen den Ball, was ihm einst sogar ein A-Länderspiel für Deutschland einbrachte. In seinen sechs Jahren bei RB Leipzig lernte der Sechser das Pressing auf allerhöchstem Niveau. Er antizipiert sehr gut, dirigiert seine Mitspieler und geht resolut in den Zweikampf. So deckt er sehr viel Raum für seine Mitspieler ab, hält ihnen den Rücken frei.

Mit Ball ist Demme zwar kein Virtuose wie Cuisance und Sessa, aber jemand, der Ballsicherheit und Pressingresistenz ausstrahlt. Er beschränkt sein Spiel meist auf einfache, aber effektive Kurzpässe. Bei Neapel hat Demme das kontrollierte Ballbesitzspiel noch etwas besser lernen können. Doch es gibt auch Zweifel am Routinier, da er in den vergangen zwei Jahren in Neapel kaum noch zum Einsatz kam. In welchem Zustand stößt er zu Hertha?

Kann Demme aber auch nur einigermaßen an seine Qualitäten aus der Leipziger und frühen neapolitanischen Zeit anknüpfen, ist er ein hervorragender Spieler auf Zweitliga-Niveau – und genau der richtige Sechser für Fiél, der für diese Rolle keinen vergleichbaren Spieler im Kader zur Verfügung hat.

Sehr viele passende Spieler für Fiél, doch bleiben sie?

Auch für die rechte offensive Außenbahn könnte noch ein Spieler verpflichtet werden, da Marten Winkler zwar sehr talentiert, aber noch jung und unbeständig ist. Für viele weitere Positionen kann Fiél eigentlich bereits auf für ihn passende Spieler zurückgreifen.

Spielstarke Innenverteidiger, die das Spiel eröffnen und mit dem Ball andribbeln können, sind Marton Dardai und Pascal Klemens. Ein technisch versierter Außenverteidiger, der gerne nach innen zieht: Michal Karbownik. Schnelle Außenbahnspieler, die in die Tiefe ziehen: Fabian Reese und Marten Winkler. Ein abschlussstarker Mittelstürmer, der den Ball halten kann: Haris Tabakovic. Hier scheint Hertha bereits aufgestellt zu sein.

Doch locken auch Marton Dardai, Klemens, Reese und Tabakovic derzeit Interessenten an. Auch Torhüter Tjark Ernst und Kronjuwel Ibrahim Maza sind begehrt. Derry Scherhant, Andreas Bouchalakis, Bilal Hussein, Jonjoe Kenny, Marc Oliver Kempf, Smail Prevljak und Florian Niederlechner könnten alle den Verein noch verlassen – entweder weil sie es wollen, weil sie zu viel Geld kosten oder aber weil gutes Geld mit einem Verkauf gemacht werden könnte.

Besonders um Marton Dardai, Reese und Maza ranken sich derzeit viele Wechselgerüchte – alle drei wären tragende Säulen in der kommenden Saison und müssten zwingend ersetzt werden.

Der schmale Grat

Auf der einen Seite ist Hertha aufgrund wirtschaftlicher Zwänge nicht in der Lage, jedwedes Angebot für Spieler abzulehnen. Auf der anderen Seite ist der Hauptstadt-Klub durch eben jene finanzielle Schieflage beinahe schon dazu verdammt, in spätestens zwei Jahren aufzusteigen, da die Schulden den Klub sonst übermannen.

Für jenen Aufstieg braucht es einen adäquaten Kader, der zum Trainer passt. Grobe Einschnitte würden die angepeilten sportlichen Ziele massiv gefährden.

Es ist also ein schmaler Grat zwischen wirtschaftlichen Nöten und sportlichen Ambitionen, auf dem sich die Hertha-Verantwortlichen im aktuellen Transfersommer bewegen. Aber das ist man an der Hanns-Braun-Straße ja nun seit Jahren gewöhnt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.07.2024, 22 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

7 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 7.

    Bei Demme geht es vor allem um das was er kann, das Können verlernt man nicht, es muss nur reaktiviert werden. Er behauptet ja nicht, dass er der Heilsbringer ist und ist sich der Unklarheit bewusst. Es kann in die Hose gehen, aber wenn er sein Vermögen abrufen kann ist es auf jeden Fall ein Gewinn.
    Das Maza ein Juwel ist sieht wohl jeder. Ist er der nächste Mbappe oder Messi, Nein, aber bei Hertha ist es eindeutig der talentierteste Spieler mit dem Ball. Willst du ernsthaft einem 18. jährigem, der seine ersten Saison gespielt hat und aus einer großen Verletzung rauskam den Vorwurf machen, er habe nicht dafür gesorgt, dass Hertha besser dasteht? Zumal Dardai Spielstil jetzt auch nicht gerade für Kreative 10er ideal ist, da würde sich wohl jeder schwer tun.

  2. 6.

    Schön mal einen konstruktiven Kommentar zu lesen. Danke dafür. Stimme Ihnen zu. Beste Grüße

  3. 5.

    Die Offensive von Hertha hat durchaus funktioniert, es wurden viele Tore geschossen. Und das Maza, der ein Dreivierteljahr nach einer Knie-OP aussetzen musste, nicht sofort zum Heilsbringer avancierte, ist doch verständlich. Trotzdem konnte man in den letzten Spielen sein Potential erkennen. Probleme waren im zentralen Mittelfeld, vor allem in der defensiven Ausrichtung, und wenn das behoben werden kann, ist die Hoffnung des Autors durchaus verständlich, dass eine bessere Saison folgen kann, vorausgesetzt, die woanders begehrten Spieler bleiben.

  4. 4.

    Seit zwei Jahren diecBank gedrückt bei Neapel, obwohl sich der Schriftsteller geradezu in seinen Lobpreisungen überschlägt? Auch drängt sich mir die Frage auf, wer hätte denn Intresse an dem Hertha-Super-Star und an der Jesus-Torkanone? Und, Was macht Ibrahim Maza zu einem Kronjuwel? Das er es nicht schaffte, wie die Erstgenannten, es nicht schafften, Hertha aus dem 2.Liga-Mittelmaß zu holen (vom Aufstieg schreibe ich nichts ;))? Tjark Ernst ist wohl der Einzige, wo ich annehme, dass sich andere Vereine interessiert zeigen, heißt aber, ist er weg, scheint die 3.Liga in greifbarer Nähe, denn der Schläger bringt es nicht.

  5. 3.

    Ganz schön viel Spekulation in nur einem Artikel. Wenn das Transferfenster geschlossen ist, werden wir sehen, mit welchem Team Hertha in die Saison geht. Abgänge sind zwingend nötig, weil ja nur 11 Mann gleichzeitig spielen dürfen. Hoffentlich bleiben die Richtigen.

  6. 2.

    Warten wir es ab.Fiel ist jetzt der Beste und genau der Richtige, mit dem System das zu den Spielern passt, anders als bei Dardai.Wenn ich das lese wird mir schlecht .Da wird Dardai schlecht gemacht und das ist unverschämt.Es werden noch Spieler Hertha verlassen,andere kommen.Aber Fiel wird schnell an seine Grenzen stoßen mit seinem System.Irgendwann wird Dardai übernehmen.Fiel ist ein Theoretiker mit wenig Erfahrung.

  7. 1.

    Warum nicht?

Nächster Artikel