Ausstellung in Potsdam - "Man wollte keine westliche Fan-Kultur in den Fußballstadien der DDR"

Di 09.07.24 | 19:26 Uhr
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Der Fanblock des BFC Dynamos im Jahr 1975 (imago images/Werner Schulze)
Video: Brandenburg Aktuell | 9.7.2024 | Bild: imago images/Werner Schulze

In Potsdam startet in dieser Woche eine Foto-Ausstellung rund um die Fußball-Kultur in der DDR. Im Interview erklärt Kurator René Wiese, warum sowohl Fans als auch Spieler unter besonderer Beobachtung des Regimes standen.

rbb|24: Herr Wiese, am Dienstag startet auf dem Alten Markt in Potsdam die Fotoausstellung "Im Objektiv der Staatsmacht". Was gibt es dort für Besucherinnen und Besucher zu sehen?

René Wiese: Wir haben 2015 im Rahmen eines DFB-Projekts zur Fußball-Geschichte der DDR bei der Recherche sehr viele Fotos entdeckt. Das waren größtenteils Aufnahmen, die von der Volkspolizei und vom Ministerium für Staatssicherheit gemacht wurden, welche für die Kontrolle und Überwachung der Fans zuständig waren. Für uns war es ein historischer Schatz, dass man diese Geschichte auch mal aus der Linse der Staatsmacht betrachten kann. Das haben wir nun in eine kommentierte Foto-Ausstellung gegossen und versuchen dort klarzumachen, wen die Stasi und Volkspolizei im Auge hatten. Das waren Fanklubs, einzelne Fans, aber auch einige Spieler.

Info

Die Foto-Ausstellung "Im Objektiv der Staatsmacht - Fußballfans im Blick von Volkspolizei und Staatsmacht" ist vom 10. Juli bis zum 18. August auf dem Alten Markt in Potsdam zu besuchen.

Zu sehen gibt es etwa 80 Aufnahmen, für alle Interssierten gibt es darüber hinaus online aber noch viele weitere Fotos.

Sie ist ganztäglich zugänglich und der Eintritt ist frei.

Warum haben die DDR-Behörden Fußballfans so genau überwacht?

Es ging zum einen darum, das zu unterbinden, was in den 70er Jahren überall in Europa im Fußball grassierte – nämlich Gewalt und Zerstörung. Man erinnert sich ja noch an die großen Katastrophen von Heysel und Hillsborough. Das war auch in Ostdeutschland präsent und man wollte so etwas in den DDR-Stadien unbedingt verhindern.

In der Diktatur gab es aber auch noch eine andere Perspektive: Man wollte auch keine westliche Fan-Kultur in den Stadien haben. Deshalb ist das Ministerium für Staatssicherheit aktiv geworden und hat diese Subkultur - genauso wie kirchliche Gruppen, Skinheads oder Punks - unter die Lupe genommen. Das hat man im Stadion, aber auch im Umfeld und der Innenstadt gemacht.

Wie berechtigt waren denn diese "Sorgen"? Unterschied sich die DDR-Fankultur von der westlichen?

Grundsätzlich gab es da schon große Ähnlichkeiten. Das ist auch klar, weil die DDR-Fans natürlich auch West-Fernsehen gucken konnten. Bei bestimmten Europapokal-Begegnungen der DDR-Spitzenteams hatte man auch Kontakt mit Fans aus dem Ausland. Und man hat Welt- und Europameisterschaften verfolgt und gesehen, wie dort Fan-Kultur ablief, wie man sich kleidete, welche Fahnen und Transparente eine Rolle spielten und welche Gesänge es gab. Dementsprechend war das in der DDR sehr ähnlich. Genau das war aber auch der Grund, warum die Stasi aktiv wurde. Denn diese Fan-Kultur galt als starke Verherrlichung von westlicher Kultur. Und das wurde rigoros bekämpft.

Ein zweiter Punkt war, dass nach westlichem Vorbild auch Fanklubs entstanden, in denen sich Fans zusammentaten und sich eigene Namen gaben – und allein das war der SED ein Dorn im Auge. Die hießen dann Preußen, Borussia oder Fortuna. Wir haben Fotos, bei denen die Stasi auf genau diese Zaunfahnen raufzoomte. Sport und Vereinskultur konnte in der DDR nur in sehr bestimmten Rahmen stattfinden. Es ging also eigentlich gar nicht, dass sich diese Klubs selbst gründeten. Die Fanklubs wurden also anhand dieser Fotos erst einmal identifiziert und dann hat man versucht, die Leute namentlich zu erkennen und dementsprechend auch zu verfolgen.

Teil der Ausstellung ist aber auch, dass es durchaus gewaltbereite und rechtsradikale Fans gab. Die DDR setzte sich viel mit rechten Hooligans auseinander, die nicht in das propagierte Bild vom Antifaschismus passten.

Waren sich die Fans bewusst, dass sie unter genauer Beobachtung standen?

Anfänglich nicht. Aber wir haben auch Fotos gefunden, wo zu sehen ist, dass Fans ihre Hände schützend vors Gesicht oder die Augen legten. Offensichtlich ist also irgendwann durchgesickert, dass einige Fotografen im Stadion für die Stasi tätig waren und haben sich geschützt. Viele Fotos sind aber auch verdeckt gemacht worden. Insbesondere in der Innenstadt. Das betraf vor allem DDR-Fans, die sich mit westdeutschen Fangruppen treffen wollten, zum Beispiel bei den deutsch-deutschen Europapokalspielen. Da haben wir eine ganze Reihe Fotos gefunden, die aussehen wie bei James Bond und mit einer Knopflochkamera gemacht wurden.

Wie ging es nach den Fotos weiter?

Die Fotos waren der erste Schritt und dienten der Dokumentation. Im nächsten Schritt hat man dann versucht, inoffizielle Mitarbeiter in die Szenen einzuschleusen. Wie wir den Akten entnehmen konnten, geschah das manchmal auch auf repressive Art und Weise, weil eben einige Fans auch sehr stark gewaltbereit waren.

Sie sagten zu Beginn, dass nicht nur Fans, sondern auch einige Spieler ins Visier der Staatssicherheit geraten sind. Was hat es damit auf sich?

Wir haben zwei Sektionen innerhalb der Ausstellung, die sich mit geflüchteten Fußballern beschäftigten. Für viele ist das Thema relativ unbekannt und es ist spannend zu sehen, dass die Stasi auch einen langen Arm bis in die Bundesrepublik hinein hatte und populäre Bundesliga-Fußballer wie Norbert Nachtweih, Dirk Schlegel oder Falko Götz beobachtet hat. Da hat die Stasi ganz minutiös dokumentiert und fast schon eine Art Stadtplan angelegt, damit man genau wusste, wo die Spieler wohnen und welche Wege sie zur Arbeit benutzen. Auch das gibt es in der Ausstellung zu sehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport

Sendung: Brandenburg Aktuell, 9.7.2024, 19:30 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Und zu Ihrer kategorischen Be- und Verurteilung eines anderen Menschen, in diesem Fall Herrn Schulz, haben Sie jetzt genau welche Qualifikation?

  2. 17.

    Das, was Sie zu Gewaltvorfällen im DDR Fußball schreiben, ist zutreffend; es wurde nur eben nicht publik, da darüber nicht berichtet werden durfte. Aus Erzählungen "alter Haudegen" weiss ich z. B., dass auch mal der Gästeblock in der AF in der HZ Pause von Heimfans "geräumt" wurde und es häufig zu wüsten Massenschlägereien im 'Wald' aber auch anderswo in der Stadt kam sowie auch mal Einsatzwagen der Polizei in der Spree landeten.

  3. 16.

    Zitat: "Diverse Polizeieinsätze verliefen entsprechend gezielt in Richtung Gästefans."

    Es gab ganz sicher Präferenzen. So wurden in Berlin die BFC Anhänger aufgrund ihres "Schirmherren" weit weniger angegangen als die Unioner, auf die bspw. bei ihren "Fanmärschen" zu Spielen im Jahn-Sportpark nicht selten schon aus nichtigem Anlass eingeprügelt wurde.

    Und natürlich war die Fanszene des FCU nicht unbedingt ein aktiver bzw. aktivistischer Hort des Widerstands gegen das DDR Regime, wie es manchmal behauptet wird. Für nicht wenige Fans galt gewissermaßen die Parole: Spaß und Anarchie, soweit das im rigiden DDR-System eben möglich war. Fakt ist aber auch, dass sich unter den FCU Anhängern wohl mehr als sonstwo ein widerborstiges Völkchen angesammelt hat, das den "Oberen" ein Dorn im Auge war.

  4. 15.

    Gewalt und Zerstörung wurden in der DDR von den Bezirksfürsten durchaus gefördert. Diverse Polizeieinsätze verliefen entsprechend gezielt in Richtung Gästefans. Feindschaften wurden gefördert. Von Kindergarten bis perfide war alles dabei.
    Übelste Schlägereien unter Fans von Vereinen gehörten zum guten Ton. Zum BFC hielt damals übrigens Magdeburg. Es gibt gute Literatur zum Thema. Auch zu dieser elenden Legendenbildung der Unioner und was selbige für einen Wert hat und ob die überhaupt taugt. Es gab viel Alkohol für wenig Geld in der DDR.

  5. 14.

    Typischer Verlauf einer fußballnahen Diskussion …
    Unter den ersten drei Kommentaren wirft jemand das Wort „Union“ in den Raum.
    Was will Nummer vier eigentlich genau?

  6. 13.

    Hallo rbb, warum bringen Sie eigentlich meine Antwort auf Schulz Fred Werner nicht. Es ist doch offensichtlich das dieser Herr ein Günstling der Staatssicherheit war. Immer ist bei dem alles unterschwellig ganz toll in der DDR gewesen. Ich frage mich wirklich, warum ihr top Journalisten die Kommentar Funktion überhaupt noch anlassen tut
    .. tut tut. Das was ihr veranstaltet ist reine verarsche am Leser. Und verdammt noch mal, es ist eure Pflicht solche Kommentare durch die Leser kommentieren zu lassen.

  7. 12.

    Das können Sie doch nicht wirklich meinen! Sie zerstören doch damit den Nimbus des FCU, ein Widerstandsnest gegen das "System" gewesen zu sein! "Die Mauer muss weg!" - Rufe, die in der "AF" passiert sein sollen, haben letztendlich die Einheit herbeigeführt. Die ersten Demonstrationen in Plauen und Leipzig waren nichts dagegen.
    Nur die "Unioner" waren das Volk! Schon damals einzigartig und in Plauen und Leipzig auf dem Ring mit ihren Schals nicht zu übersehen!

  8. 11.

    Kann ich nicht bestätigen .
    Bin immer mit Union Schal oder Aufnäher rumgelaufen.
    Also ich hatte keine Probleme , weder in der Öffentlichkeit noch auf Arbeit ,also nicht mehr als Heute.

  9. 10.

    Auf der Trabrennbahn Hoppegarten und Karlshorst waren auch recht viele mit Kameras und Ferngläsern gesehen worden, die Überwachung machte auch da nicht halt.

    Also für mich ist der gesamte Beitrag / das Interview recht einseitig.
    Und wieder schön zu sehen, wie Stasi-Fotos gedeutet werden.
    Wie ein Bild von Goya aus dem 19. Jahrhundert.

  10. 8.

    Bei der guten alten Union war ich oft, aber den Schal konnte man nicht in jeder Ecke Berlins tragen. Im Prenzlberg nähe Mauer war zufällige Kontrolle mit dummen Fragen von der VP vorprogrammiert. Also Schal beim Kumpel in der Wohnung gegen einen erbeuteten BFC-Schal getauscht und dann nach Hause.

  11. 7.

    Da sind wir heute mit diversen Meldestellen doch schon auf einem höheren Level

  12. 6.

    Korrekt geantwortet! Danke!
    Und nochmal: Ich kenne die Situationen in den DDR-Stadien als Anhänger des 1.FC Lokomotive Leipzig aus der Zuschauerperspektive von etwa 1965 bis 1987. Von 1972 bis 1975 stand ich bei Länder-, Europacup- und Oberligaspielen als Bereitschaftspolizist in den Stadien. Unsere Ausrüstung: Trainingsanzug, Turnschuhe und Wollmütze auf dem Kopf und die Teleskop-Schlagstöcke NICHT in Reichweite! So geschehen z.B. 1973 bei Lok - Düsseldorf vor 73 000 Zuschauern.
    Das zeugt wohl eindeutig, dass die Gewaltbereitschaft damals nicht mal annähernd der heutigen entsprach. Unsere Wasserwerfer blieben immer in der Kaserne.

  13. 5.

    Zitat: "Die DDR setzte sich viel mit rechten Hooligans auseinander, die nicht in das propagierte Bild vom Antifaschismus passten." - Was wäre denn besser gewesen? Die Fascho-Hools gewähren lassen wegen der Authzentizität?

  14. 4.

    Das ist ja mal wieder der richtige Artikel, für alle, die in den letzten Jahren im Türkei Urlaub waren....
    Heutzutage müssen wir uns nur kritisch über Israel äußern oder Klimaaktivist sein und wir geraten ´ins Visier der staatlichen Sicherheit!
    So what?

  15. 3.

    Egal unter welcher Regie,
    manche Dinge ändern sich nie.

  16. 2.

    Ja, man wollte Gewalt und Zerstörung verhindern. Hat aber nicht immer geklappt. Ich hab von 1980-82 in Dresden gewohnt und kann mich an übelste Massenschlägereien erinnern, besonders wenn die "BFC-Fans" angerückt sind. Die konnte nun wirklich niemand leiden.

  17. 1.

    In den meisten Fangemeinden der DDR Fußballclubs waren offizielle und inoffizielle Mitarbeiter des MfS zur Überwachung installiert.
    Bin rund fünf Jahre vor der Wiedervereinigung Deutschlands zum
    1. FC Union Berlin gekommen und wir waren bei den Offiziellen alles andere als beliebt, da bei uns viele Freidenker und Hertha Sympathisanten waren.

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