2. Fußball-Bundesliga - Hertha nach dem Transfersommer: Der Berliner Weg ist weiter geebnet

So 01.09.24 | 14:44 Uhr | Von Antonia Hennigs
  10
Michael Cuisance sitzt auf der Bank und schaut in die Kamera (Quelle: IMAGO / Matthias Koch)
Bild: IMAGO / Matthias Koch

Die Transferphase war für Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber ein Balanceakt. Finanzielle Nöte und sportliche Ambitionen vertragen sich nicht besonders. Doch nach Transferschluss lässt sich sagen: Weber hat das Gleichgewicht gehalten. Von Antonia Hennigs

25 Tore in 36 Pflichtspielen: Die Quote, die Haris Tabakovic in der vergangenen Saison für Hertha erzielte, spricht für sich selbst. Dementsprechend schmerzte der Abgang des 30 Jahre alten Torjägers. Tabakovic zog es nach Hoffenheim und brachte Hertha wohl rund fünf Millionen Euro ein.

Der Transfer war ein Sinnbild für den schmalen Grat, mit dem Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber es in diesem Sommer zu tun hatte. "Wir haben auch unter Berücksichtigung unserer Gesamtsituation dem Wechsel zugestimmt", ließ Weber nach Abschluss des Transfers durchblicken, dass nun mal Kompromisse gemacht werden müssen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Luca Schuler Wochen zuvor als Tabakovic-Backup verpflichtet wurde. Nun lastet ein ganz anderer Druck auf ihm. Beim spektakulären 4:3-Sieg in Kaiserslautern am Samstagabend stellte er mit seinem Doppelpack eindrücklich unter Beweis, dass er damit umgehen kann.

Nach guten Joker-Einsätzen in den ersten Saisonspielen stand der 25-Jährige auf dem Betzenberg erneut in der Startelf. Wenn es nach ihm ginge, dürfe das auch so bleiben. Ob er an die Quote von Tabakovic rankommt, ist jedoch zu bezweifeln. Die Euphorie nach Kaiserslautern ist groß, aber sucht man nach Schwachstellen im Hertha-Kader, landet man am ehesten im Sturm.

Vom "Problem-Profi" zum Vorzeigespieler

Es scheint bislang, als hätte Weber vor allem im Mittelfeld ein goldenes Händchen bewiesen. Neben Kevin Sessa, der ablösefrei aus Heidenheim kam und die Mannschaft nach seiner Knie-Verletzung verstärken soll, wurde auch Michael Cuisance verpflichtet. Ein Name, bei dem im Hertha-Umfeld sicher die ein oder andere Alarmglocke geklingelt hat. "Problem-Profi", "schwieriger Typ", "Provokateur". So fiel er vor allem während seiner Zeit bei Bayern München auf. Doch der 25 Jahre alte Franzose scheint in den letzten Jahren einen Sinneswandel durchlebt zu haben und gereift zu sein. Cuisance ist fit wie nie, zielstrebig und vor allem ein echter Gewinn für die Mannschaft - etwa mit seinem Siegtreffer in Kaiserslautern. Ein Balanceakt in Person, wenn man so will. Weber hatte das richtige Gefühl.

Im defensiven Mittelfeld hat Hertha mit Diego Demme einen Wunschspieler verpflichtet. Der 32-Jährige kam ablösefrei aus Neapel und übernahm sofort eine Führungsposition in der Mannschaft. Das wird nicht nur durch die Kapitänsbinde deutlich, die er trägt, wenn Toni Leistner nicht auf dem Platz steht. In einer perfekten Welt würde sich neben Pascal Klemens aber noch ein Sechser-Ersatz im Hertha-Kader wiederfinden.

Kempf geht, Brooks kommt

Die Reaktionen auf den Abgang von Marc Oliver Kempf waren nicht gerade von Freude dominiert. Der Innenverteidiger, der 75-mal für Hertha auflief, war für diese Saison als wichtiger Faktor in der Defensive und im gesamten Team eingeplant. Immerhin: Hertha soll von seinem neuen Verein Como 1907 rund 2,5 Millionen Euro für Kempf erhalten haben. Und nur einen Tag später präsentierten die Berliner einen alten Bekannten. John Anthony Brooks kehrt zu seinem Ausbildungsverein zurück. Er kennt Hertha, ist ein erfahrener Innenverteidiger und kommt ablösefrei. Ein "Vorzeigetausch" von Seiltänzer Weber.

Transfer-Überblick Hertha BSC

Zugänge:

Michael Cuisance (Venezia FC)

Diego Demme (SC Neapel)

Jon Dagur Thorsteinsson (OH Leuven)

Kevin Sessa (1. FC Heidenheim)

John Anthony Brooks (TSG Hoffenheim)

Luca Schuler (1. FC Magdeburg)

 

Abgänge:

Marc Oliver Kempf (Como 1907)

Suat Serdar (Hellas Verona; nach Leihe)

Haris Tabakovic (TSG Hoffenheim)

Bence Dardai (VfL Wolfsburg)

Myziane Maolida (Al-Kholood)

Wilfried Kanga (Leihe an Cardiff City)

Agustin Rogel (Leihe an SC Internacional)

Kelian Nsona (Leihe an FC Emmen)

Bradley Ibrahim (Leihe an Crawley Town)

Peter Pekarik (vereinslos)

Aymen Barkok (Leih-Ende, Mainz 05)

 

Was für die Bestnote fehlt

Irgendwas zu meckern lässt sich bekanntlich ja immer finden. Deyovaisio Zeefuik spielt als gelernter Rechtsverteidiger aktuell auf der linken Seite, da Jeremy Dudziak zu Saisonbeginn nicht überzeugen konnte. Michal Karbownik ist der Dritte im Bunde, der auf der Position spielen kann, aktuell aber im Mittelfeld eingesetzt wird. Drei unterschiedliche Spieler, mit denen man so in die Saison gehen kann, über eine Alternative für die linke Defensive hätte man sich aber auch nicht beschwert.

Was dem finanziellen Gebilde außerdem gut getan hätte, wären ein oder zwei Verkäufe mehr von Spielern, die höchstwahrscheinlich ohne tragende Rolle bleiben. Wilfried Kanga, Agustin Rogel und Kelian Nsona konnten "nur" verliehen werden. Myziane Maolida wiederum verdient nun in Saudi-Arabien sein Geld. Immerhin Suat Serdar hat Hertha weitere 4,5 Millionen Euro eingebracht, die sich gut auf dem Konto machen. Serdar hatte sich bei seiner Leihe in der Serie A bei Hellas Verona bewährt und für eine Festanstellung empfohlen.

Wichtige Bekenntnisse und das Gefühl stimmt

Die vielleicht wichtigsten Deals der ganzen Transferphase waren aber wahrscheinlich die, bei der niemand kam und niemand ging. Fabian Reese bleibt Hertha erhalten und wird weiter im Olympiastadion auflaufen, wenn seine Sprunggelenksverletzung auskuriert ist. Ein Abgang des 26-Jährigen stand bis zum Schluss immer im Raum. Und am Freitag ließ dann auch Ibrahim Maza die Hertha-Herzen höher schlagen. Das 18 Jahre alte Talent verlängerte seinen Vertrag bis 2027. "Ein klares Bekenntnis zum Berliner Weg", wie der Verein schrieb.

Fazit: Um die zehn Millionen Euro Transferplus erwirtschaftet und der neue Kader passt zur Strategie des Vereins. Mit dem vorhandenen Kader will der auch noch neue Cheftrainer Cristian Fiél mutig und dominant spielen. Nach den ersten Spielen der noch jungen Saison scheint es, als trage dieser Ansatz zunehmend Früchte. Außerdem will Hertha (schon immer) seine Jugendspieler fördern. Der Kader für diese Saison lässt viel Platz für die Talente aus der eigenen Reihe. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Ohne die Eigengewächse Maza, Marten Winkler, Linus Gechter, Marton Dardai und Derry Scherhant wird eine Startformation schwierig. Benjamin Weber hat auch hier die Balance gefunden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.09.2024, 07:55 Uhr

Beitrag von Antonia Hennigs

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Bei allem Respekt,bei Neuzugängen wie Brooks,Demme, Sessa und vor allem Cuisance, kann ich keinerlei finanziellen Nöthe feststellen. Dazu mit Kenny einen Spieler, der jahrelang Premier League gespielt hat, und auch nicht für 3-Mark 50 spielen wird. Würde man eine Umfrage machen, wer hat in der 2. Liga den individuell besten Kader, würden sehr viel Hertha nennen.

  2. 9.

    fast volle Zustimmung, nur aus dem vorletzten Satz sollte der Name Marten Winkler gestrichen werde. Hoffe für ihn und uns, dass sich das noch ändert (er ist ja noch jung...), seine Laufwege sind unterirdisch und sein Zweikampfverhalten zumindest sehr ausbaufähig, Schnelligkeit alleine reicht einfach nicht.

  3. 8.

    Vielleicht sollte man mal erwähnen, wie Journalisten arbeiten - auch beim RBB. Das ist nicht reflexartig, sondern folgt einer Logik, bzw. einem Plan. Sprich: Vorbericht, Spielbericht, Analyse. Hinzu kommen natürlich besondere Ereignisse und: Betrachtungen vor und nach der Saison.
    Das ist insgesamt nicht willkürlich oder aus Lust und Laune, sondern orientiert sich an einem Lauf der Dinge, den man am besten versteht, wenn man sich eine Tageszeitung anschaut. Hier gibt es zudem Rubriken, auch im Sport. Seien Sie also nicht überrascht, wenn es kommende Woche wieder eine Vorschau auf das kommende Spiel gibt und auch nicht, wenn es eine Rückschau auf die Saison gibt - das hat System.

  4. 7.

    Ach, tun sie das?
    Das ist doch schon wegen des Klassenunterschieds sehr unwahrscheinlich.

    Wer sonst keine Probleme hat, muss sie eben herbeireden...

  5. 6.

    Och glaube sie haben Lonno überhaupt nicht verstanden. Er hat ja völlig recht, da sich Unioner hier ja schon fsst reflexartig unterrepräsentiert fühlen.

  6. 5.

    Ganz schön Hertha.zentriert
    Darüber kann man schon mal übersehen, dass es den Transferbeitrag zu Union schon gab.
    Wie es sich für den Klassenunterschied gehört, zuerst Union, dann Hertha, dann vielleicht dritte Liga und Regionalliga


    Gibt es daran etwas auszusetzen, Lonno?


  7. 1.

    Schreibt bloß schnell einen Bericht über Union, sonst kommt aus der Ecke der Vorwurf, der rbb berichte ständig über Hertha.

Nächster Artikel