Interview | Alemannia-Trainer Heiner Backhaus - "Spiele wie gegen Cottbus sind für uns das Salz in der Suppe"

In nur sieben Monaten wurde Heiner Backhaus beim BFC Dynamo entlassen, neuer Trainer in Aachen - und dort zum Aufstiegshelden. Vor dem Duell gegen Energie Cottbus (Freitag, 19 Uhr) spricht er über Traditionsklubs, Pele Wollitz und Heimatgefühle.
Herr Backhaus, ein Heimspiel unter Flutlicht, der Drittliga-Tabellenführer zu Gast, 25.000 Fans auf dem Aachener Tivoli: Haben Sie als Trainer ähnlich viel Bock auf solche Spiele, wie das gegen Energie Cottbus?
Heiner Backhaus (Trainer Alemannia Aachen): Also ich denke, es dürften eher um die 30.000 Fans werden – und ich bin mir sicher, dass die Bock auf Cottbus haben. Sie sind Tabellenführer und man hat sich lange nicht gesehen. Wir waren ja elf Jahre lang weg von der Drittliga-Bühne. Aber solche Spiele sind das Salz in der Suppe – für mich und die Fans. Das Ziel wird sein, auf Augenhöhe zu spielen.
Ein kurzer Blick durch die Brille der Fußball-Romantik: "Alemannia Aachen gegen Energie Cottbus" – das klingt nach mehr als 3. Liga. Schwingt dieses Gefühl auch bei Ihnen mit?
Ja, absolut. Ich bin ja ein bekennender Fan von Traditionsvereinen und habe auch viele Sympathien für die Ost-Klubs. Es ist vielleicht sportlich ertragbar, wenn in der Bundesliga nur noch von Konzernen geführte Vereine spielen. Aber aus romantischer Sicht ist das nicht schön.
Was wünschen Sie sich stattdessen?
Ich hätte viel lieber, dass all die Traditionsklubs irgendwann wieder in der Bundesliga spielen. Kaiserslautern, Schalke, Köln – ich finde es schön, dass solche Vereine sich wieder fangen und auf einem guten Weg sind. In Aachen haben wir jedes Spiel 20.000 bis 30.000 Zuschauer. Dieses Emotionale, das ist gelebte Fußballkultur.
Was macht dieses Besondere, diese Fußballkultur aus?
Ein Beispiel: Du fährst mit dem Bus irgendwohin zu einem Auswärtsspiel – und jedes Auto, das an dir vorbeifährt, hat einen Schal im Fenster. Die hupen, du winkst und andersherum genauso. Und wenn du mal ein Spiel verlierst, ist die Fahne auf halbmast und es nimmt die Menschen mit. Wenn du selbst dein ganzes Leben diesem Sport widmest, dann nimmt dich das mit.
In der Bundesliga sind Sie mit Alemannia noch nicht wieder angekommen, aber nach über einem Jahrzehnt haben Sie es geschafft, den Verein zurück in den Profi-Fußball zu führen? Wie ist Ihnen das gelungen?
Es ist schwer, das objektiv zu bewerten, weil ich ja in meiner eigenen Haut stecke. Und ich hatte noch gar keine Zeit, das in der Retrospektive alles zu verarbeiten. Ich hatte ja bis gestern parallel auch zwölf Monate lang Lehrgänge für die Pro-Lizenz, war also permanent im Dauerstress. Mir war im Moment des Aufstiegs nicht wirklich bewusst, wie viel er den Menschen in Aachen bedeutet hat. Aber wenn du dann die Bilder siehst, diese Emotionen der Spieler und Fans, dann verstehst du, was dein Wirken hier bedeutet.
Diese Bedeutung verbindet Ihren Verein mit Ihrem Cottbuser Gegner vom Freitag…
Ich habe natürlich mitbekommen, wie die Euphorie dort Stück für Stück größer wurde. Als Trainer vom BFC Dynamo musste ich mich ja immer auf Cottbus vorbereiten. Energie ist gesund gewachsen – auch dank Pele [Trainer Claus-Dieter Wollitz, Anm. d. Red.]. Er scheidet zwar ein bisschen die Geister, aber ich mag ihn total. Ich würde mir wieder mehr Trainertypen wie ihn wünschen. Pele steht für das, was er tut, ist glaubwürdig und kämpft für Rot-Weiß, wie ich für Schwarz-Gelb.

Pele Wollitz genießt in Cottbus fast schon Legendenstatus, Sie in Aachen seit dem Aufstieg zumindest in Ansätzen auch. Wieso passt die Kombi Backhaus/Alemannia so gut?
Ich habe hier einen wunderbar geführten Klub, mittlerweile inklusive Freundschaften mit den Entscheidungsträgern. Es ist einfach Vertrauen da. Nur so kann man das in einem emotionalen und impulsiven Klub wie Aachen oder Cottbus regeln. Wir können als Verein eine ganz andere Wucht entfachen, weil ich einfach weiß, dass ich nicht nach jeder Niederlage um meinen Job fürchten muss. Es geht um die Mischung: einerseits dieses Hochemotionale, andererseits Zeit für Entwicklung und Vertrauen in meine Inhalte.
War diese Mischung am Ende ihrer Berliner Tage beim BFC Dynamo aus dem Gleichgewicht geraten?
Ich habe mich auch beim BFC schon wohlgefühlt. Die Fans waren immer korrekt zu mir, und ich habe im Verein viele tolle Menschen kennengelernt. Aber ich habe als Trainer eine Arbeitsweise, die nicht mit jedem Sportdirektor kompatibel ist. Ich möchte relativ viel mitentscheiden können – Abläufe, Transfers und all sowas.
Nach ihrem Abgang sprachen Sie davon, kein "Hütchenaufsteller" sein zu wollen. Der BFC hingegen warf Ihnen angesichts ihres Liebäugelns mit Alemannia "vereinsschädigendes Verhalten" vor…
Natürlich war das Ende schwierig und zum Teil war das vielleicht auch mein Fehler. Ich hätte mich nach meinem Abschied einfach nochmal melden sollen, selbst wenn es über Social Media gewesen wäre. Ich hätte das 'Warum' erklären sollen. Das hätte eine andere Perspektive geboten und dem Ganzen sehr, sehr viel Wind aus den Segeln genommen. So konnte der Verein die Geschichte bestimmen und meine Zeit beim BFC steht in einem ganz anderen Licht, als ich sie selbst sehe.
Dennoch klingen Sie rückblickend sehr zufrieden mit Ihrer Entscheidung, in die Heimat nach NRW zurückzukehren.
Ich komme halt aus dem Westen und habe hier eine wunderbare Symbiose. Ich bin wieder zu Hause, habe meine Familie bei mir. Und ich bin bei Alemannia mittlerweile richtig verwurzelt. Klar weiß man im Fußball nie, was die Zukunft bringt – aber ich würde Alemannia liebend gerne noch eine Weile beim Wachsen begleiten. Ich bin hier sesshaft geworden.
Vielen Dank für das Gepräch!
Das Interview führte Jakob Lobach.
Sendung: rbb DER TAG, 28.01.2025, 18 Uhr
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